Der Teufel sieht rot. Susann Teoman
angestrahlt wurde. Schon beschoss sie mich mit Fragen.
»Lisa Teufel ist die Inhaberin der aufstrebenden Eventagentur Teufelswerk. Wie kommtes, dass ein so junges Unternehmen schon so viel Erfolg hat? Was ist Ihr Geheimnis? Welche Hochzeiten haben Sie bisher organisiert? Sind Sie ausschließlich auf Hochzeiten spezialisiert?«
Ich rang einen Moment um Fassung, vor allem, weil mir der krasse Unterschied zwischen der überirdisch schönen Tastenko und meiner schwerwiegenden Person deutlich bewusst war. Maaann! Ich sah wirklich enorm fett aus, und ist es nicht so, dass man vor der Kamera noch mal so dick ausschaut, wie man eigentlich ist?
Herrschaftszeiten, Lisa, komm zu dir! Wir Teufel lassen uns doch nicht von solchen Banalitäten wie dicken Bäuchen ins Bockshorn jagen! Ich bin dick, weil schwanger, ich kann stolz auf mich sein!
»Hochzeiten sind so individuell wie die Menschen selbst. Und jeder Mensch ist etwas ganz Besonderes, wie jede Hochzeit etwas Besonderes und Einzigartiges ist. Ich versuche im Grunde nur, meine Klienten glücklich zu machen. Und was meine bisherige Arbeit angeht: Vertrauen ist die wichtigste Basis meines Jobs. Ich kann Ihnen daher ohne vorheriges Einverständnis leider keine Namen nennen.« Ich lächelte freundlich, während Tatjana wortgewandt in die Kamera schaute und sagte: »Das war Lisa Teufel, und wir sind uns sicher, dass wir von ihr und Teufelswerk noch eine Menge hören werden.«
Als die Kameraleute sich in die Menge mischten, drehte sie sich noch einmal zu mir herum.
»Frau Teufel, ich möchte Ihnen zu Ihrem Erfolg hier gratulieren.«
»Danke«, akzeptierte ich überrascht.
»Ich weiß nicht, wie Ihr Terminplan aussieht, aber wie es der Zufall so will, habe ich gestern einen Heiratsantrag bekommen.«
»Meinen Glückwunsch!«
»Danke. Nun, wir möchten nicht mehr allzu lange warten, und ich bin ja ständig unterwegs, wie Sie sehen. Um es kurz zu machen: Ich möchte, dass Sie unsere Hochzeit ausrichten.«
Es war kaum zu glauben! Noch vor kurzem war ich nichts weiter als Lisa, die Tippse, und nun war ich eine Eventmanagerin, die die Hochzeiten prominenter Menschen plante.
»Frau Tastenko, ich würde mich freuen, wenn wir uns in der nächsten Woche einmal treffen könnten.«
»Ja, das ist eine gute ...«
In diesem Moment erloschen die Lampen.
Tatjana Tastenko schien auch verwirrt und sah mich fragend an, aber ich zuckte ratlos die Schultern. Ich hatte das jedenfalls nicht geplant.
Ein verwirrtes Gemurmel machte sich im Saal breit. Ein Stromausfall? Keine gute Werbung für mich.
»Entschuldigen Sie mich bitte, Frau Tastenko.« Entschlossen wandte ich mich dem Ausgang zu.
Angela warf mir aus der Entfernung einen Blick zu, den ich nicht recht deuten konnte. Ich hielt abrupt inne. Hatte sie womöglich eine Überraschung für ihren Mann vorbereitet, von der sie mich nicht unterrichtet hatte? Noch bevor ich etwas sagen konnte, erscholl ein Trommeln. Einer, zwei, drei, vier Männer in blauen Pluderhosen und ohne Oberteile dafür aber mit muskulösen Oberkörpern, kamen herein. Sie schlugen Trommeln, die sie sich umgeschnallt hatten, und mit einem Mal war es so laut, dass ich das Gefühl hatte, der Boden vibriere unter meinen Füßen. Der Rhythmus war absolut mitreißend und endete abrupt, als die Männer gemeinsam »Hey!« riefen.
Die dunkle Silhouette einer Person war auf der Tanzfläche zu sehen. Ganz allein stand sie dort, abwartend. »Was ...?«, hauchte ich überrascht, als das Licht wieder anging. Es war Tom!
Er kam langsam auf mich zu. Seine grünen Augen funkelten, und er sah in dem Smoking wirklich unverschämt gut aus. Mir war nur überhaupt nicht klar, was das alles hier zu bedeuten hatte.
Die Band spielte unser Lied, »More than words«. Das Lied, zu dem wir uns zum ersten Mal geküsst haben. Plötzlich verstand ich, was er vorhatte, hatte aber gleichzeitig auch Angst, dass alles nur eine Halluzination sei, die durch zu viele Schwangerschaftshormone ausgelöst wurde.
Ich stand auf und setzte mich wieder. Ich wusste nicht, wohin mit meinen dicken, verschwitzten Händen.
Ich wünschte mir in diesem Moment, ich wäre schlank und schön, dann aber auch wieder nicht.
Als er vor mir stand und meine Hände in seine nahm, spürte ich, wie die Menschen um uns herum den Atem anhielten.
Tom war ruhig, seine Stimme schallte klar und deutlich durch den Raum.
»Lisa, ich weiß, dass die vergangenen Monate schwer für dich waren. Ob du es nun glaubst oder nicht: Auch für mich war es eine schwere Zeit. Ich musste erfahren, was es bedeutet, ohne dich zu leben, zu wissen, dass es keine Überraschungen mehr in meinem Leben gibt. Und das Schlimmste war die Gewissheit, dass alles meine Schuld ist. Als ich dann erfahren habe, dass du schwanger bist, habe ich gedacht, ein anderer wäre der Vater ...«
»Hört, hört!«, rief eine Stimme. Ich erkannte Benny im Hintergrund, der Karl lachend zuzwinkerte.
»Ich hatte das Gefühl, alles verloren zu haben, was mir je wichtig war. Erst als es schon beinahe zu spät war, habe ich es begriffen: Du bist meine Seele, mein Lachen und meine Freude. Und ohne dich möchte ich nicht leben.«
Tom sah mir tief in die Augen und kniete nieder.
Hinter ihm klatschten und jubelten die Menschen. Er blieb ernst.
»Lisa Teufel, willst du mich heiraten ?«
Ich war ein einziger Cocktail aus Hormonen und Gefühlen und konnte Toms Gesicht kaum noch erkennen, weil mir die Tränen in Sturzbächen aus den Augen flossen. Jemand reichte mir ein Taschentuch, Tatjana Tastenko war es, und ich erkannte Mama im Hintergrund.
Tom hielt noch immer meine Hand.
In diesem Augenblick durchzuckte mich ein unglaublich heftiger Schmerz. Ich schrie auf.
Tom sah mich verwirrt an, und ein Raunen ging durch den Saal.
Ein zweiter gleißender Schmerz durchzuckte mich, und ich schrie erneut, diesmal lauter.
»Mein Gott, das Baby kommt!«, rief Mia in das ratlose Gemurmel hinein.
Und nun war die Hölle los.
Alles rannte wild durcheinander, zumindest die Leute, die ich noch sehen konnte. Ich stand hilflos auf dem Parkett und beobachtete alles mit großen Augen.
Tom nahm meine Hand und war unheimlich blass, Mia und Benny sorgten dafür, dass ich mich setzte und die Füße hochlegte. Mama und ihr Freund rannten in unkoordiniertem Chaos mal nach rechts und mal nach links.
»Das Taxi ist da!«, rief Bräutigam Abdul und sorgte mit Angela dafür, dass die Menschenmenge Platz machte.
Tom beugte sich zu mir herab und wollte mich tragen, doch ich war inzwischen zu schwer, also bestand ich darauf, allein zu gehen, während Tom mich weiterhin tragen wollte.
»Lisa, du kannst doch in deinem Zustand nicht gehen ...«
»Doch, klar kann ich das!«
»Lisa, nun sei doch vernünftig!«
Ich schrie erneut auf, und Tom gab ungewohnt schnell nach: »Ist ja gut, ist ja gut! Okay, du darfst laufen, ich stütze dich.«
»Platz da, bitte gehen Sie aus dem Weg!« Benny und Karl bahnten sich den Weg durch die besorgte Menschenmenge.
»Orchester! Spielen Sie Musik! Herrschaften, tanzen Sie bitte. Hier ist alles in Ordnung«, rief das Spanferkel und gab der Band ein Zeichen.
»Lisa, keine Angst, ich habe deine Handtasche.« Benny fuchtelte mit dem schwarzen Diortäschchen vor meiner Nase herum.
»Die ist mir doch egal«, schimpfte ich.
»Aber sie ist wirklich schön, du willst sie bestimmt nicht verlieren...«
»Benny, halt endlich die Klappe!« Mama verpasste ihm einen Klaps auf