Der Teufel sieht rot. Susann Teoman

Der Teufel sieht rot - Susann Teoman


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      »GOOOOOOTTTTT!!«

      »Wie lange dauert so eine Geburt eigentlich?«, fragte Tom besorgt.

      »Woher soll ich denn das wissen?«, antwortete Alex nervös.

      »Ich dachte ja nur ...«

      Ich kreischte erneut.

      »Hilfe!!! Meine Frau bekommt ein Baby! Platz da!«, schrie Tom jetzt seinerseits. Kein Zweifel, mein frisch gebackener Verlobter war in eine hysterische Panik verfallen. Mama und das Spanferkel waren wie zwei Hühner, mit hektischen Gesten flatterten sie um mich herum.

      »Wo ist das verdammte Auto?«

      Vor der Tür standen zwei Taxis.

      »Zum Krankenhaus der Augustinerinnen!«, bellte Tom die Fahrer kurzerhand an.

      Mit einem Mal schwappte die Panik über. Zuerst stürmten alle auf den ersten Wagen zu und versuchten sich halb schnaufend, halb kämpfend hineinzuquetschen. In heller Aufregung rannten die anderen, die keinen Platz im vorderen Auto ergattern konnten, auf das zweite Taxi zu und quetschten sich unter großem Gerangel und Fluchen hinein.

      Mit quietschenden Reifen fuhren die Wagen los.

      Ich schrie wieder.

      Es war kaum zu fassen! Die waren alle ohne mich abgefahren!

      »Hilfe! Ich bekomme ein Baby!«, rief ich entsetzt.

      Da eilte Abdul auch schon zu Hilfe. In einem weißen Rolls Royce kam er angerauscht.

      »Schnell, Angie, schnell, rein mit ihr!«, rief Abdul.

      »Du musst hier bleiben, deine Hochzeit...«, widersprach ich gepresst. Eine neue Wehe überkam mich, und ich stöhnte laut auf.

      »Wir haben keine Zeit zu diskutieren, also schnell!«

      Und so fuhr ich in einem Rolls Royce ins Krankenhaus, wo mich Benny, Karl, Mama, das Spanferkel und Tom total hysterisch erwarteten.

      »Lisa! Gott sei Dank!«, rief Tom erleichtert, als er mich sah.

      »Ich dachte, du wärst mit deiner Mutter ins andere Taxi gestiegen, und deine Mutter hat natürlich angenommen, dass du bei mir bist. Stell dir vor, wir kamen hier an, und du warst verschwunden!«

      »Tom...«

      »Schatz, was sollte denn dieser Unsinn? Du hast mir wirklich eine Höllenangst eingejagt...«

      Eine heftige Wehe schien meinen Unterleib zu zerreißen. Der Schmerz war lang und intensiv, er raubte mir den Atem und machte mich unheimlich wütend.

      »Das ist alles deine Schuld!«, brüllte ich Tom an.

      »Was?« Tom sah aus wie ein paralysiertes Kaninchen.

      »Du verdammter Scheißkerl!«, schrie ich gepresst.

      »Das sind nur die Wehen, sie meint das nicht so. Alle Frauen drehen während der Geburt durch, das ist völlig normal«, beruhigte ihn das Spanferkel.

      »Mama, sag dem Spanferkel, er soll still sein, sonst wird er das noch bereuen!«, drohte ich schwitzend.

      »Sie sollten ihre Hand nehmen, dann fühlt sie sich besser«, fuhr er seelenruhig fort.

      Ich hätte ihm auf der Stelle seinen fetten, kleinen Hals umdrehen können.

      Eingeschüchtert nahm Tom meine Hand, während ein Sanitäter mich in einen Rollstuhl verfrachtete.

      Unter der Wucht der nächsten Wehe drückte ich seine Hand so stark zusammen, dass Tom in die Knie ging.

      Ich schrie, er auch.

      Nun machte sich unser Tross auf den Weg ins Innere der Klinik.

      Während meine Mannen vor dem Untersuchungsraum der Entbindungsstation warteten, untersuchte mich der zuständige Gynäkologe und befahl dann: »Der Muttermund ist so weit. Bringen Sie sie sofort auf die Entbindungsstation. Sie da.« Er wandte sich an Tom.

      »Sind Sie der Vater?«

      »Ja«, erwiderte er atemlos.

      »Dann dürfen Sie mitkommen. Alle anderen möchte ich bitten, im Warteraum Platz zu nehmen. Schwester Ariane wird Sie sicher gerne dorthin begleiten.«

      Ich atmete gepresst.

      »Ich will eine Narkose.«

      »Schatz, bist du sicher, dass das gut fürs Baby ist? Ich meine...«

      »Wenn ich nicht auf der Stelle eine PDA bekomme, breche ich dir deine verdammte Hand!«, schrie ich mit mörderischer Wut und drückte seine Hand so fest, dass seine Finger leicht knackten, sodass Tom aufschrie.

      »Um Gottes willen, Herr Doktor! Sehen Sie denn nicht, die Frau leidet, geben Sie ihr bitte Ihre Drogen!«

      Man rollte mich auf die Entbindungsstation, wo eine Hebamme schon warmes Wasser in die Wanne fließen ließ, in der ich mein Baby bekommen wollte.

      Ich hatte mich für eine Wassergeburt entschieden, weil mir dies am meisten zusagte. Wie gesagt, ich bade wirklich für mein Leben gern.

      Doch der Doktor schüttelte nur den Kopf, während ich noch einmal aus vollem Hals brüllte, was das Zeug hielt.

      »Wir haben weder Zeit für eine PDA noch dazu, sie ins Wasser zu bringen. Das Köpfchen ist schon fast zu sehen«, erklärte er gelassen, während die Pfleger mich auf ein Bett verfrachteten.

      »Ich will nicht!«, stöhnte ich heftig. Mit einem Mal wollte ich gar kein Baby mehr, sondern nur noch, dass diese verdammten Schmerzen nachließen und ich endlich heimfahren und mich ausruhen durfte.

      »Ist schon gut, Schätzchen!« Die rundliche Hebamme tätschelte mir freundschaftlich die Wange.

      »Sie werden Mutter, das ist nicht leicht. Sie müssen tapfer sein!«

      »Ich will aber nicht tapfer sein!«, brüllte ich.

      Tom stand hilflos neben mir. Man sah ihm an, dass er einerseits gerne die Flucht ergriffen hätte, es aber andererseits nicht übers Herz brachte, mich allein zu lassen. Er strich mir meine verschwitzten und zerzausten Locken aus dem Gesicht und küsste meine Stirn. Seine Lippen fühlten sich angenehm kühl an. Dankbar lächelte ich ihm zu, aber nur, bis die nächste Wehe kam.

      »Lisa, Sie müssen jetzt pressen!«, rief die Hebamme mit autoritärer Stimme.

      Ich hatte mir das Kinderkriegen vollkommen anders vorgestellt. Ich dachte, das würde irgendwie romantisch werden. Mir war klar, dass es Wehen geben würde, aber wie schlimm konnten die schon sein?

      Jedenfalls nicht SO schlimm! Wehen, so musste ich jetzt erfahren, fühlten sich wie ein sehr starker Regelschmerz an. Wenn man das nun mit hundert multipliziert, hat man ungefähr eine Ahnung, wie sich eine mittelstarke Wehe anfühlt.

      Ich presste, schrie und quetschte Toms Hand. Er schrie nun auch, er hatte Tränen in den Augen und sah abwechselnd von seiner Hand, die in meinem Schraubstockgriff blau angelaufen war, zur Hebamme hinüber.

      »So ist’s gut! Weiterweiterweiter!«, ermunterte sie mich.

      Ich war erschöpft.

      »Nicht aufgeben! Los, pressen, pressen, pressen!«

      Und ich presste wieder.

      Die Hebamme nervte mich.

      »Haben Sie eigentlich Kinder? Dann sollten Sie wissen, wie es sich anfühlt, etwas von der Größe einer Wassermelone durch eine Öffnung so groß wie eine Zitrone zu quetschen. Arrrrrghhh!«

      Schwester Ariane beachtete meinen Einwand nicht weiter. Gelassen lächelte sie mir zu und sagte leichthin: »Ich habe drei Kinder.«

      »Arrrgh!« Die musste ja wohl wahnsinnig sein! Welche Frau bei klarem Verstand konnte nach diesen höllischen Schmerzen noch weitere Kinder wollen? Waren Frauen mit mehreren Kindern etwa masochistisch veranlagt?

      »Da kommt das Köpfchen!


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