Die Kreutzersonate. Лев Толстой

Die Kreutzersonate - Лев Толстой


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und den Damen der ersten Gesellschaft: Sie finden die gleichen Toiletten, den gleichen Schnitt, dieselben Parfüme, dieselben entblößten Schultern und Arme, die gleichen, leicht verschleierten Brüste und die scharf markierte Rückenlinie. Sie stoßen auf die gleiche Leidenschaft für bunte Steine und kostbar glänzende Dinge und dieselben Vergnügungen: Tanz, Musik und Gesang. Sie bedienen sich der gleichen Köder, die Männer an sich zu locken. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen. Sieht man der Sache auf den Grund, so kommt man allerdings zu der Erkenntnis, daß die Prostituierte im Moment verachtet wird, die dauernd Prostituierte dagegen anerkannt und verehrt wird.“

      7.

      „So wurde auch ich von diesen Jerseys und Locken eingefangen. Es war nicht schwer, mich zu fangen, weil ich in Verhältnissen groß geworden bin, unter denen die verliebten jungen Leute wie die Pilze aus dem Mistbeet emporschießen. Unsere überreichliche, nervenerregende Nahrung bei völliger körperlicher Untätigkeit dient doch nur zur systematischen Aufstachelung unserer Sinnlichkeit. Sie mögen darüber erstaunen, soviel Sie wollen, es ist so. Auch ich verstand es bis vor kurzem nicht. Jetzt ist es mir aber um so klarer. Daher empört es mich auch so, daß niemand es einsieht und viele solche Dummheiten schwatzen, wie jene Dame.

      In meiner Nähe arbeiteten im Frühling Bauern an einem Eisenbahndamm. Die gewöhnliche Nahrung des Bauern besteht aus Brot, Kwaß und Zwiebeln. Dabei fühlt er sich wohl und kräftig, und seine Arbeit fällt ihm leicht. Arbeitet er am Eisenbahndamm, dann besteht seine Nahrung aus Grütze und einem Pfund Fleisch. Dieses Fleisch verbraucht er bei vierzehnstündiger Arbeitszeit täglich hinter einem mit dreißig Pud belasteten Karren. Ihm genügt es, und er fühlt sich wohl. Wie aber verarbeiten wir die zwei Pfund Fleisch, Wild, Fische und allerlei erhitzenden Speisen und Getränke, die wir täglich zu uns nehmen? Doch nur in sinnlichen Exzessen! Ist unser Sicherheitsventil offen, läuft alles seinen guten Gang; schließt man aber das Sicherheitsventil, wie ich es zeitweise tat, so entsteht eine Erregung, die sich, durch das Prisma der künstlichen Bedingungen unseres Lebens brechend, als Verliebtheit, vielleicht sogar als eine platonische äußert. Auch ich verliebte mich, wie alle andern sich verlieben. Alles durchlebte ich: Entzücken, Rührung und Poesie! In Wirklichkeit aber war diese meine Liebe einerseits das Produkt von Schneiderin und Mutter, anderseits die Folge übermäßiger Nahrung bei völliger Untätigkeit. Hätte es keine Bootsfahrt gegeben, keine Schneiderin mit ihren Taillen, wäre meine Frau in einem geschmacklosen Morgenrock herumgelaufen, und wäre ich anderseits ein normaler Mensch gewesen, der nur so viel Nahrung seinem Körper zugeführt hätte, als er zur Ausführung seiner Arbeit benötigt, und wäre mein Sicherheitsventil, das gerade zu jener Zeit verschlossen war, geöffnet gewesen, so hätte ich mich nicht verliebt, und man hätte mich nicht eingefangen.“

      8.

      „Alles traf hier so gut zusammen: meine Empfänglichkeit, das schöne Kleid und die Kahnfahrt. Zwanzigmal war es erfolglos gewesen, diesmal aber klappte alles wie am Schnürchen. Ich scherze nicht. Ehen legt man jetzt wie Fußangeln aus. Ist ja auch das natürlichste. Ein Mädchen ist herangereift und muß nun einen Mann haben. Das erscheint ja ganz selbstverständlich, zumal wenn das Mädchen kein Scheusal ist und heiratshungrige Herren vorhanden sind. So geschah und geschieht es in der ganzen Welt: bei den Chinesen, Indern, Mohammedanern, bei uns im Volke. So ist es im ganzen Menschengeschlecht, kurz bei neunundneunzig Prozent der Menschheit. Aber ein Hundertstel oder noch weniger von uns Lüstlingen ist zu der Überzeugung gekommen, daß das unrecht sei und haben daher etwas Neues ersonnen. Doch worin besteht dieses Neue? Daß die Mädchen umhersitzen und die Männer wie in einem Basar herumgehen und auswählen. Die Mädchen aber warten und denken: ,Liebster, nimm mich! Mich! Nicht sie; sieh dir meine Schultern an und was ich dir sonst an Reizen zu bieten habe.‘ So denken sie, wagen es aber nicht auszusprechen. Und wir Männer gehen schauhaltend umher und sind höchst zufrieden: ,Oh, ich lasse mich nicht einfangen.‘ So stolzieren wir auf und ab und freuen uns, wie trefflich alles für uns eingerichtet ist. Doch eines Tages, wenn man nicht gut achtgibt — ist man plötzlich schon gefangen.“

      „Wie sollte es aber denn sonst sein?“ fragte ich. „Soll die Frau vielleicht den Antrag stellen?“

      „Ich weiß selbst nicht. Will man aber Gleichheit der Geschlechter, so sollte in allem Gleichheit sein. Hat man dieses Vermitteln als etwas Erniedrigendes erkannt, so ist das andere noch tausendmal schlimmer. Dort sind die Rechte und Chancen gleich, hier aber ist die Frau Sklavin auf dem Sklavenmarkt oder der Köder in der Falle. Sagen Sie irgendeiner Mutter oder dem Mädchen selbst, daß ihr ganzes Interesse sich einzig und allein darum gruppiert, einen Mann einzufangen — Gott, welche Beleidigung! Sie aber tun alle nichts anderes und haben keine andere Beschäftigung. Das Entsetzlichste aber dabei ist, daß man oft blutjunge, arme, unschuldige Mädchen damit beschäftigt sieht. Doch wenn das alles wenigstens noch offen geschähe! So aber ist alles nichts als Betrug: ,Ach, die Entstehung der Arten, wie hochinteressant! — Lilly interessiert sich für die Malerei! Werden Sie die Ausstellung besuchen? Was macht die Troikapartie? Das Theater? Die Konzertveranstaltung? Ach, wie himmlisch! Meine Lisa schwärmt für Musik. Warum teilen Sie eigentlich nicht die gleiche Ansicht? Und wo bleibt die Bootsfahrt?‘

      Doch der einzige Gedanke bei allen ist nur der: ,Nimm doch mich! Mich! Meine Lisa! Nein, mich! Versuch’ es nur! Diese Gemeinheit! Diese Lüge!“

      Wieder unterbrach er seine Rede, trank seinen Tee aus und räumte das Geschirr weg.

      9.

      „Glauben Sie mir,“ fuhr er fort, den Tee und den Zucker in die Reisetasche packend, „davon rührt die Weiberherrschaft her, unter der die Welt zu leiden hat.“

      „Welche Weiberherrschaft?“ fragte ich. „Alle Rechte und Vorrechte gehören doch den Männern.“

      „Das ist es ja eben,“ fiel er mir ins Wort, „davon will ich ja gerade sprechen. Das dokumentiert jene ungewöhnliche Erscheinung, daß, während die Frau einerseits aufs tiefste erniedrigt ist, sie anderseits dennoch herrscht. Sie gleicht in dieser Beziehung den Juden, die durch ihre Geldmacht ihre Erniedrigung rächen. ,Ihr zwingt uns, nur Krämer zu sein‘, sagen die Juden. ,Gut, also wollen wir nur Händler sein und zwingen euch in unsere Gewalt.‘ — ,Ach, ihr wollt, daß wir nur ein Gegenstand der Sinnlichkeit sein sollen! Gut, wir sind ein Gegenstand der Sinnlichkeit und werden euch damit unterjochen‘, sagen die Frauen. Die Rechtlosigkeit der Frau besteht nicht darin, daß sie nicht stimmberechtigt ist und nicht als Richter amtieren kann, denn diese Vorteile geben ja im Grunde genommen gar keine Rechte, sondern, daß sie in geschlechtlicher Hinsicht demManne nicht ebenbürtig gestellt ist, daß sie nicht frei von sich aus mit dem Manne verkehren oder sich ihm entziehen kann, daß sie gewählt wird, statt selbst auswählen zu können. Sie wollen sagen, daß das widerlich wäre? Gut, dann sollen aber auch dem Manne diese Rechte nicht eingeräumt sein. Das Recht, das die Männer genießen, ist den Frauen heute versagt. Daher suchen sie sich dadurch zu entschädigen, daß sie auf die Sinnlichkeit der Männer wirken. Dadurch wiederum besitzt sie eine solche Macht über sie, daß die Männer nur der Form nach noch wählen, während in Wirklichkeit die Frauen wählen. Haben sie sich aber dieses Mittels bemächtigt, so mißbrauchen sie es und gewinnen damit eine katastrophale Gewalt über die Männer.“

      „Worin äußert sich denn diese katastrophale Gewalt?“ fragte ich.

      „Worin sich diese Gewalt äußert? Überall und in allem. Gehen Sie einmal durch die Warenauslagen einer Großstadt. Die Arbeit, die die Menschen auf diese verwenden, ist unschätzbar. Millionen von Werten sind da zusammengehäuft. Sehen Sie doch selbst nach, ob auch nur neun Zehntel aller Artikel dieser Auslagen für den Verbrauch der Männer bestimmt sind. Aller Luxus desLebens wird von den Frauen verlangt und von ihnen unterhalten. Sehen Sie sich doch einmal in den Fabriken um. Der bei weitem größte Teil arbeitet nur unnützen Schmuck, Equipagen, Möbel und sonstigen Tand für das weibliche Geschlecht. Generationen von Sklaven gehen in diesen Fabriken zugrunde als Opfer der Zwangsarbeit für die Befriedigung weiblicher Launen. Wie mächtige Herrscherinnen halten die Frauen neun Zehntel der gesamten Menschheit in Sklaverei und schwerster Arbeit. Und nur, weil man sie erniedrigt hat, weil ihnen die gleichen Rechte wie den Männern geraubt worden sind. Sie rächen sich dafür, indem sie auf die Sinnlichkeit


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