Der Moment der Wahrheit. Karen Stivali

Der Moment der Wahrheit - Karen Stivali


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Ich werde Junior seinen ersten Ohrring schenken.«

      »Und wenn es ein Mädchen wird?«

      »Dann werd ich mit ihr zu ihrem ersten Tattootermin gehen.«

      Suzanne knurrte ihn an, aber es war klar, wie nahe sie sich standen. Meine Bauchschmerzen kehrten zurück.

      »Wie auch immer«, sagte Bill. »Das ändert unsere Pläne für den Sommer ein wenig. Wir werden nicht mehr ganz so oft hier draußen sein, weil wir unser Haus für das Baby vorbereiten müssen. Und ihr müsst ein bisschen mehr als sonst beim Kochen und Putzen mithelfen.«

      »Nein, müsst ihr nicht«, sagte Suzanne. »Wir machen den Zeitplan genau wie letzten Sommer. Alle wechseln sich ab. Wir werden nur etwas weniger hier sein, also müsst ihr das berücksichtigen.«

      Tanner hatte bereits eifrig Linien auf die riesige Tafel an der Wand hinter dem langen Küchentisch im Stil einer Küchentabelle gezeichnet. Er schrieb Frühstück, Mittag- und Abendessen in die Zeilen und die Wochentage in die Spalten. Für welche Mahlzeiten man sich auch immer anmeldete, man musste sicherstellen, dass die Zutaten für diese Mahlzeit im Haus war – selbst wenn man bei dieser Mahlzeit nicht anwesend sein würde. Das hieß, wenn man an einem Tag, an dem man morgens arbeitete, für das Frühstück verantwortlich war, musste man dafür sorgen, dass es Donuts oder Muffins oder etwas anderes für alle anderen zu essen gab. Das erschien vernünftig.

      Ich hatte die ganze Zeit, die wir in der Küche waren, nicht mehr als zwei Worte gesagt, also fragte ich etwas, das ich mich schon gefragt hatte, seit wir von der Fähre gestiegen waren und unser Gepäck die halbe Meile oder so zu unserem Haus geschleppt hatten.

      »Wie kann man hier einkaufen?«

      »Ich zeige es dir«, sagte Tanner und deutete auf den Fahrplan. »Wir haben heute Abend Dinnerdienst, also holen wir jetzt unsere Sachen.«

      »Perfekt«, sagte Suzanne. »Nur kein Hühnchen, okay? Das ist das Einzige, womit ich nicht klarkomme. Anscheinend kann dieses Baby kein Geflügel vertragen, nicht einmal den Geruch, wenn es kocht.«

      »Ich hab’s kapiert.« Tanner nickte. »Bist du bereit?«

      »Klar doch, Tan-Man.«

      Er schnaubte und versuchte, verärgert auszusehen, aber ich sah das Lächeln, das seine Lippen kräuselte. »Halt die Klappe.«

      Ich grinste und folgte ihm zur Tür hinaus. Ich hatte keine Ahnung, wo wir hinwollten, aber ich wäre Tanner überallhin gefolgt.

      Kapitel drei

      Der Gang in Dylan’s General Store war wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Die Holzböden waren alt und kahl. Die Hälfte der Kunden trug Flip-Flops, während die andere Hälfte barfuß blieb. Sand war überall zu finden. Für einen so winzigen Laden hatten sie einen erstaunlichen Vorrat an Lebensmitteln. Körbe mit frischem Obst und Gemüse, Bauernbrot, alle Kräuter, die ich nennen konnte. Eine Kiste voller Käse und geräuchertem Fleisch sowie eine Metzgerkiste.

      »An was denkst du zum Abendessen?«, fragte ich.

      Tanner zuckte die Achseln. »Du kennst mich, ich esse alles.«

      Ich scannte die Regale. »Okay, wie wär’s mit Nudeln mit Fleischklößchen? Und vielleicht ein paar von den Pasteten da drüben zum Dessert. French Toast zum Frühstück? Jeder mag doch French Toast, oder?«

      »Wer glaubst du, wird das Kochen übernehmen?«

      »Ich.« Tanners verblüffter Gesichtsausdruck amüsierte mich höllisch.

      »Du kannst das alles?«

      »Und noch viel mehr. Gino lässt mich viel kochen. Ich kenne mich in der Küche aus.«

      »Fantastisch.« Tanner griff nach einem Glas fertiger Tomatensauce, aber ich schüttelte den Kopf.

      »Wir können es viel besser machen als damit.« Ich warf frischen Knoblauch und einen Bund Basilikum in meinen Korb, zusammen mit Dosen gestückelter Tomaten und einem Paket Rinderhackfleisch. Ich hatte in der Speisekammer des Hauses reichlich Pasta gesehen. Wir holten mehrere Laibe frisches, knuspriges Brot, Milch und Eier, braunen Zucker, genügend Butter für den French Toast und etwas selbstgemachtes Knoblauchbrot.

      Die Ware sah fantastisch aus, also suchte ich Tomaten und Gurken für den Salat aus, zusammen mit gemischtem Suppengrün sowie Himbeeren und Blaubeeren für den French Toast.

      »Was für einen Kuchen hast du bekommen?«

      Tanner hatte vier Kuchenschachteln in der Hand. »Gemischte Beeren, Apfel, Erdbeer-Rhabarber und Pfirsich. Ich glaube, wir brauchen auch etwas Vanilleeis.«

      »Gute Idee.«

      Ich konnte das Abendessen kaum erwarten. Tanner hatte mich noch nie zuvor kochen sehen. Ich hatte mich darauf gefreut. Ich hoffte wie verrückt, dass ich alles richtig machen und ihm das Essen schmecken würde.

      Nachdem wir bezahlt hatten, schoben wir das ganze verderbliche Zeug in die große Kühlbox und rollten den Wagen nach Hause, sodass wir es gerade noch rechtzeitig ins Haus schafften, um nicht in ein Nachmittagsgewitter zu geraten. Riesige Regentropfen fielen vom Himmel und verwandelten das Sonnendeck beim Auspacken der Lebensmittel von hell- in dunkelgrau. Ich machte mich an die Arbeit und kochte. Ich hackte Knoblauch klein und fein für die Tomatensauce und zerschnitt die Gurken, damit ich sie in etwas Essig marinieren konnte. Ich wollte, dass alles perfekt war.

      Ich tat die Hälfte des Knoblauchs mit etwas Olivenöl in den großen Suppentopf, dämpfte ihn, bis er duftete, und fügte dann Tomatenmark hinzu, wobei ich nur so lange rührte, bis es eine tiefere Farbe annahm. Die zerdrückten Tomaten kamen zuletzt mit einer Dose Wasser und einem halben Dutzend frischer Basilikumblätter, die ich zerkleinert hatte, hinzu. Dann schloss ich den Deckel und ließ alles köcheln, bis sich die Aromen vermischten und neue, noch bessere bildeten.

      Ich schnitt die Spitzen der anderen Knoblauchzehen ab, legte sie in eine kleine Keramikschale, bedeckte sie mit Olivenöl, wickelte sie dann fest in Folie und setzte sie in den heißen Ofen zum Braten. Während sie garten, machte ich die Fleischbällchen.

      Tanner kam herein, setzte sich an den Tisch und schaute zu. »Gott, du weißt wirklich, was du tust.«

      Ich grinste. »Stell dir das mal vor.«

      »Du weißt, was ich meine. Ich habe ein ganzes Jahr mit dir gelebt und ich hatte keine Ahnung, dass du kochen kannst. Wie ist das passiert?«

      »Hätten wir eine Küche gehabt, wüsstest du das. Du kannst mir glauben, ich hätte die ganze Zeit für dich gekocht.«

      »Sex und Kochen an einem Ort? Ich würde nie das Haus verlassen.«

      Ich lachte, weil ich wusste, dass er es ernst meinte. »Dann funktioniert mein Plan, denn ich will nicht, dass du heute Abend das Haus verlässt.«

      »Gut, denn ich hatte irgendwie geplant, die ganze Nacht in unserem Zimmer zu verbringen.« Dieses Lächeln. Gott, dieses Lächeln reichte aus, um meine Knie weich werden zu lassen und dem Rest meines Körpers Ideen zu geben, die darin bestanden, mich an ihn zu drücken oder ihn in die Speisekammer zu zerren. Wenn nicht so viele andere Leute zu Hause gewesen wären, hätte ich eines davon oder beides getan. Ich wollte ihn auf den Küchentisch legen und ihn bis auf einen Zentimeter an den Rand seines Verstandes bringen.

      »Kann ich wenigstens bei irgendetwas helfen?«

      »Aber sicher.« Ich steckte bis zu den Handgelenken in Rinderhackfleisch und begann, Fleischklöße zu formen. »Du kannst das Brot schneiden. Zwei Laibe in Längsrichtung für Knoblauchbrot und die anderen beiden in 1-Zoll-Scheiben für den French Toast morgen früh.«

      »Das krieg ich hin.«

      Ich liebte es, seine Arme zu beobachten, während er arbeitete. Die Art, wie sie sich beugten, verursachte eine entsprechende Beugung in meiner Jeans. Gott, er hatte eine starke Wirkung auf mich. Ich hatte mich noch nie so unaufhaltsam zu jemandem hingezogen gefühlt. Noch nie zuvor. Und jetzt hatte ich ihn den ganzen Sommer lang. Es


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