Rohstoff-Trading mit System. Carsten Stork

Rohstoff-Trading mit System - Carsten Stork


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Trading-Ansatz, der konstant und statistisch nachweislich – siehe Kapitel 6.2Der erste Algorithmus: Breakout-System Global One“ – positive Renditen einbringt. Aber ohne Konzept funktioniert er nicht. Was passiert beim Breakout? Hier wird ein Ausbruch aus einem vorher definierten Kursbereich gehandelt. Gern definieren Trader markante Punkte im Markt, das können zum Beispiel Höchstkurse oder Tiefstkurse in einem bestimmten Zeitraum sein. Wird der Punkt überschritten, kauft der Händler, bei Unterschreiten der Marke wird verkauft. Oft kommt es bei solchen Kursbewegungen zu einer Erhöhung des Volumens. Das liegt daran, dass solche Punkte von vielen Marktteilnehmern beobachtet werden. Man spricht hier auch gern von der „self-fulfilling prophecy“ oder anders formuliert, der Handelsansatz wird in einem bestimmten Markt von so vielen Marktteilnehmern umgesetzt, dass die Bewegung in die „richtige“ Richtung zunächst stattfindet. Nimmt die Dynamik der Bewegung ab und es kommt wieder zu einer Kursreaktion in die „falsche“ Richtung, spricht man von einem Fehlausbruch. Wir haben unseren ersten Algorithmus mit Breakouts „gebaut“, für die erfolgreiche Umsetzung war aber auch das Risikomanagement entscheidend.

       3.9Mean Reversion – zurück zur Mitte

      Dies ist ein sehr interessantes Konzept, vor allem ist es logisch nachvollziehbar. Hier handelt der Trader, wenn sich der Kurs des Instruments zu weit von seinem Durchschnittspreis innerhalb einer bestimmten Zeitperiode entfernt. Geht der Kurs zu weit nach oben, wird verkauft, geht der Kurs zu weit nach unten, wird gekauft. Verglichen wird dabei der aktuelle Kurs des gehandelten Instruments mit der Größe der vergangenen durchschnittlichen Kursbewegungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Die Idee ist, billig zu kaufen oder teuer zu verkaufen – in der Annahme, dass die extreme Preisveränderung sich wieder „normalisiert“ und zum Durchschnittspreis über einen bestimmten Zeitraum zurückkehrt. Diese Rückkehr zur „Normalität“ ist jedoch keinesfalls garantiert. Oft bleibt es über einen längeren Zeitraum bei größeren Preisbewegungen, und der Durchschnitt steigt somit auch. Uns ist es leider noch nicht gelungen, diesen Trading-Ansatz erfolgreich für uns umzusetzen.

       3.10Trendfolge – es gibt kein Limit

      Große Gewinne, geringe Erfolgswahrscheinlichkeit: Das ist Trend-Trading. Oft folgen Preisentwicklungen einem Trend. Es geht (langsam) über mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate nach oben oder nach unten. Händler machen sich diese Trendbewegungen zunutze, indem sie versuchen, den Anfang eines Trends zu erwischen und diesen so lange wie möglich „mitzunehmen“. Oft sind die Einstiegskriterien auch bestimmte Punkte in einem bereits laufenden Trend, zum Beispiel 52-Wochen-Hochs. Man folgt der Börsenweisheit „The trend is your friend“. Das klingt einfach, kann aber emotional sehr herausfordernd sein, weil langfristige Bewegungen auch immer von kurzen Korrekturen oder Erholungen gekennzeichnet sein können und Händler in diesen Phasen Positionen gern zu früh schließen. Das bekannteste Beispiel für erfolgreiche Trend-Trader ist die Gruppe der sogenannten „Turtle Trader“ in den 1980er-Jahren, die ein Trend-Trading-System mit klaren Regeln einsetzten und in den folgenden vier Jahren nach ihrer Gründung 80 Prozent und mehr Gewinn pro Jahr erzielen konnten. Trend-Trading hat heutzutage eine relativ geringe Gewinnwahrscheinlichkeit, und der Händler benötigt dafür einen langen Atem. Wir konnten Elemente des Trend-Tradings in unsere Handelsphilosophie einbauen, mehr dazu bei der Besprechung des ALGO-GT.

       3.11Retracements und Extensions – Engineering

      Man neigt dazu, die Dinge komplizierter zu machen, um stärkere Argumente für bestimmte Entscheidungen zu haben – so zumindest unsere Erfahrung mit Retracements und Extensions. Auf der Suche nach den optimalen Einstiegen und Vorhersagen wurden Trader in der Vergangenheit immer kreativer. Ein Ergebnis dieser Kreativität war ein Handelsansatz, bei dem der prozentuale Anteil einer Preisbewegung in Relation zur vorangegangenen entgegengesetzten Preisbewegung gemessen wird. Oft werden zur Ermittlung der Unterstützungs- und Widerstandsniveaus Zahlen aus der Fibonacci-Zahlenreihe verwendet. Das funktioniert für viele Trader bestimmt wunderbar, für uns allerdings nicht. Deswegen werden wir darauf auch nicht näher eingehen.

       3.12Extrembeispiel für Handel ohne konkreten Trading-Ansatz: 2 Tage im September 2007

      DER AKTIONÄR: Herr Stork, gab es bei Ihren Handelsaktivitäten in der Bank immer einen Handelsansatz, der strikt eigehalten wurde?

      Stork: Im Team der sogenannten Block-Trader – das waren jene Händler, die für große institutionelle Kunden auf Anfrage verbindliche Geld- und Briefkurse stellen mussten – gab es klare Maßregeln, wer wie zu behandeln war. Die Kunden waren in Gruppen eingeteilt, je höher das „Ranking“ eines Kunden, desto besser waren die Preise, die er bekam. Diese Liste wurde circa zweimal im Jahr überprüft und angepasst. Wir errechneten im Trading sogenannte „Loss Ratios“, es wurde also gemessen, wie viel von der Kommission, die der Kunde der Bank bezahlt hatte, im Trading durch das Verarbeiten der Short- oder Long-Positionen wieder verloren wurde. Das war natürlich ein permanenter Streitpunkt. Oft verkauften Kunden Blöcke gleicher Größe an verschiedene Banken, und so kamen natürlich starke Kursbewegungen in den Märkten zustande. Der Ansatz war, möglichst viel Kommission zu „erhalten“ und möglichst wenig Geld im Block-Trading zu verlieren. Um diese vorhersehbaren Trading-Verluste aufzufangen, bauten wir eine „Backbook“-Trader-Gruppe auf, die damals noch völlig legal bestimmte Positionen, die wir von Kunden erhalten hatten, auf sogenannte Eigenhandelsbücher nahmen. Mit diesen Positionen wurde dann auf fallende oder steigende Kurse spekuliert und Geld verdient. In einem guten Jahr war es so, dass die Backbook-Trader mehr Trading-Gewinne auf den Büchern hatten als die Block-Trader Verluste, und wir so in der Lage waren, zusätzlich 100 Prozent der Kommission einzufahren.

      DER AKTIONÄR: Das klingt ja eigentlich gut durchdacht, hat das immer so funktioniert?

      Stork: Nein, natürlich gab es Ausnahmesituationen. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie hektisch es auf einem Trading Floor zuging, und Entscheidungen mussten oft in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Ich erinnere mich an eine der schlimmsten Wochen in der Trading-Abteilung im September 2007. Im Zuge der sich anbahnenden Finanzkrise hoben Kunden der Bank Northern Rock in England massiv Geld ab. Bereits am Wochenende standen die Menschen in London in Schlangen vor den Geldautomaten, um ihr Geld „zu retten“. Das alles verhieß nichts Gutes, und so war es auch. Wir mussten am Montag bereits vor Börsenstart für einen Kunden, der einen größeren Block verkaufen wollte, einen Preis für Northern-Rock-Aktien geben. Nachdem die Aktie bereits am Freitag 30 Prozent eingebrochen war, konnten wir nur grob schätzen, wo sie starten würde. Wir nahmen damals einen signifikanten Abschlag für unseren Kaufkurs, die Aktie verlor aber an diesem Tag weitere circa 30 Prozent und wir mit dem Trade einen siebenstelligen Betrag. Damit aber nicht genug. Die Backbook-Trader waren aufgrund der Umstände extrem negativ für den Markt eingestellt und hatten massive Short-Positionen vor allem in den Finanzwerten auf den Büchern und setzten so auf fallende Kurse. Diese Positionierung war aufgrund des negativen Sentiments im Finanzsektor sicher gerechtfertigt. Allerdings machte Ben Bernanke, der damalige Chef der Notenbank Fed, den Händlern einen Strich durch die Rechnung: Er senkte am Dienstag, dem 18. September, die Zinsen in den USA um 50 Basispunkte, und die Märkte dankten es ihm mit steigenden Kursen. Die Aktienmärkte schlossen circa 1,5 Prozent im Plus. Ich bekam damals jeden Abend einen Anruf und wurde über das Gesamtergebnis der Abteilung informiert. Den Anruf an diesem Dienstag erhielt ich ausgerechnet bei einem Abendessen mit meinem damaligen Chef, und die Nachrichten waren nicht gut: Am Montag schon einen schlimmen Tag gehabt und am Dienstag dann noch einmal einen obendrauf gesetzt. Aber so ist Börse: Du kannst alle deine Risikolimite einhalten und trotzdem aufgrund eines Events, das so noch nie da gewesen ist, eiskalt erwischt werden. Diese Eventualität muss bei allen Maßnahmen immer irgendwo im Hinterkopf


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