Interstellare Bräute® Programm Sammelband. Grace Goodwin

Interstellare Bräute® Programm Sammelband - Grace Goodwin


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       Harper, MedRec-Mission, Sektor 437, Latiri-Sternencluster

      Schutt und Staub bröselten unter meinen Füßen als ich von Körper zu Körper eilte. Unser Team wuselte wie ein Ameisenhaufen um mich herum. Wir hatten das schon etliche Male hinter uns und brauchten keine Anweisungen, um zu wissen, wer wohin gehen würde. Wir hatten ein einstudiertes Muster, einen Arbeitsrhythmus und er funktionierte für uns. Wir erledigten unseren Job, insbesondere hier. Dieser Planet, dieser Weltraumsektor war die reinste Hölle. Buchstäblich. Hölle. Andauernd gab es Gefechte mit den Hive. So viel Blutvergießen. Ich konnte auch ohne Karte diesen Felsklumpen navigieren.

      Ganz von selbst teilten wir uns in drei Gruppen auf, fünf Mann plus zwei gefechtsbereite Prillonische Krieger als Garde, sie schützten die Transportfläche—und uns—, während wir über das Schlachtfeld huschten und nach Überlebenden suchten.

      Ich war für die Triage zuständig, suchte nach Lebenszeichen. Rovo trug die tragbaren Transporteinheiten—die Transportpflaster. Diese waren klein aber oho, nur etwa so groß wie eine Silbermünze. Sobald wir jemanden fanden, der umgehend transportiert werden musste, würde Rovo mit einem Handschlag die Vorrichtung am Patienten festmachen, einen Knopf drücken, und voilà. Weg. Direkt zurück auf die Zenith-Station zur sofortigen medizinischen Versorgung.

      Irgendwie schaffte diese Technik die Leute zur nächstgelegenen kompletten Transportfläche, wie beim Froschhüpfen. Klar, es war Weltraumkram und zu fortschrittlich und technologisch, als dass ich es verstehen konnte. Das erste Mal, als ich es mit eigenen Augen gesehen hatte, war ich schwer beeindruckt gewesen. Und jetzt? Jetzt konnte mich kaum noch irgendetwas beeindrucken.

      Na gut, so wie Styx und Blade mich zum Orgasmus gebracht hatten, hatte mich schon beeindruckt. Nein, ich war beeindruckt, weil sie mich dermaßen heiß gemacht hatten, dass ich es zuließ, dass Blade vor mir auf die Knie fiel, mein Bein über seine Schulter klemmte und mich wie ein Verhungernder ausaß. In einem Korridor! Aber ich konnte jetzt nicht über das Ende meiner Orgasmus-Dürre nachdenken. Ich würde die schlüpfrigen Erinnerungen beiseiteschieben und wieder hervorholen, sobald ich mich wieder allein in meinem kleinen Quartier auf der Zenith einfinden würde.

      Erstmal musste ich mich auf den enormen Atlanischen Krieger konzentrieren, der vor mir auf dem Boden lag. Er war riesig. Genau wie der Rest dieser Aliens. Mit ihrer Ausrüstung mussten manche von denen bestimmt zweihundert Kilo schwer sein. Ich ging ins Fitnessstudio. Ich hatte Kraft. Aber nicht so viel Kraft. Nicht, wenn ein kleiner Flecken des Schlachtfelds mit reichlich hundert Verwundeten und noch viel mehr Toten übersät war. Und der Tatsache, dass wir über dreißig Meter von der Transportfläche entfernt waren.

      Ich hob den Arm und bat Rovo um ein Transportpflaster. “Hier.”

      Er legte schnell noch eines bei einem meiner Teamkollegen an und lief zum nächsten, der eines benötigte. Ich musste warten, denn es gab zu viele Notfälle. In einer Minute würde er zu mir rüberkommen. Bis dahin bestand meine Aufgabe darin, den Krieger am Leben zu halten.

      Der Atlane blinzelte zu mir auf, halb ohnmächtig. Schwach. Ich presste einen Verband auf die klaffende Wunde an seiner Schulter und er fing an zu knurren. Gott, er war riesengroß.

      Genau das, was ich jetzt gebrauchen konnte. Ein wütendes Gerangel mit einer Bestie. “Wehe du wirst mir zur Bestie, Atlane, oder ich werde dich hier verrotten lassen.”

      Der Atlane schmunzelte und ein Teil seines Bestiengesichts zog sich vor meinen Augen zurück. Mein Kiefer und meine Schultern entspannten sich und ich konnte weiterarbeiten. Manchmal waren sie so außer sich, dass sie sich nicht mehr zusammenreißen konnten. Manchmal konnten wir sie dann nicht mehr retten.

      “Du bist ein herrisches Weib.” Seine Stimme war so rau und gewichtig wie der Untergrund auf dem er lag.

      Ich lächelte zu ihm herunter. “Natürlich. Ich bin ein Mensch.”

      Er grinste, dann stöhnte er, als ich den Verband um seinen Arm enger anlegte und ihn mit dem ReGen-Stift behandelte, damit die Blutung aufhörte. Es würde helfen, reichte aber nicht, um ihn wiederherzustellen. Dieser Typ brauchte eine Auszeit in einem der blauen Särge, in einem ReGen-Tank auf der Zenith.

      “Ich weiß. Mein Kumpel Nyko ist mit so einer aufmüpfigen Erdenfrau verpartnert.”

      “Dann hat er ja Glück gehabt.” Das breite, wölfische Grinsen des Atlanen brachte mich zum Lachen. Er war hart im Nehmen, das musste ich zugeben. Er lag hier rum, aus allen möglichen Stellen blutend, sterbend. Und er machte noch Witze. “Du brauchst einen ReGen-Tank, Atlane. Dann wirst du wieder flott und kannst dir eine eigene aufmüpfige Erdenfrau besorgen.”

      “Wulf. Mein Name ist Wulf.”

      Ich behandelte den Rest von ihm mit dem ReGen-Stift, aber es reichte einfach nicht. Er war regelrecht zerfetzt worden. Die Vorderseite seiner Panzerung war zerstört, als ob er mit einem Grizzlybären gerungen hätte, einem mit fünfzehn Zentimeter langen Krallen. “Was zum Teufel ist passiert, Wulf? Diese Schnitte stammen nicht von einer Kanone.” Er musste wirklich schleunigst hier weg. Wo blieb das verdammte Transportpflaster? Ich schaute mich nach Rovo um, aber er war nirgendwo zu sehen.

      Rovo war unser zweiter Offizier und ich war sofort nach meiner Ankunft von der Erde seinem Team zugeteilt worden. Er war ein früherer Truppensanitäter aus L.A., knallhart und mit einer giftigen Zunge. Da wir aus der gleichen Stadt kamen, teilten wir bei den meisten Diskussionsthemen dieselbe Meinung, von Football bis zum besten mexikanischen Essen. Rovo war sein italienischer Nachname. Seinen Vornamen kannte ich nicht und ich hatte auch nie gefragt. Nicht hier draußen. Namen waren hier nicht wirklich wichtig. Entweder man war ein Hive, oder man kämpfte eben gegen sie. Ein Dazwischen gab es nicht. Auch keine Verhandlungen.

      “Dein Freund ist hinter dem Felsen dort verschwunden.” Wulf streckte mühselig die Hand aus und deutete auf ein paar schwarzgraue Felsbrocken in der Landschaft. Sie waren nicht weit weg, vielleicht ein Footballfeld weit entfernt, aber …

      Wulf hustete und hatte plötzlich Blut an den Lippen.

      Scheiße. Scheiße. Scheiße. Ich konnte ihn nicht allein lassen.

      Was zur Hölle machte Rovo?

      Ich stellte den ReGen-Stab permanent auf “an” und schob das Ende zwischen die klaffenden Lücken in Wulfs Panzerung, da, wo er aufgeschlitzt worden war. Wulf ächzte vor Schmerz.

      “Tut mir leid.” Oder auch nicht. “Das wird dich am Leben halten.”

      “Sadistin.”

      “Richtig erkannt.” Ich grinste, auch wenn ich Rovo insgeheim an die Gurgel gehen wollte, sobald er wieder auftauchte. Ihn. Langsam. Umbringen. Wollte. Aber selbst stinkwütend machte ich mir noch Sorgen. Das war untypisch für ihn. Hatte er hinter dem Felsen mehr Verwundete entdeckt? Brauchte er Hilfe?

      Scheiße. Irgendetwas stimmte nicht. Ich konnte es spüren. Als ich mich umblickte, wirkte alles ganz normal. Die anderen waren beschäftigt. Alle arbeiteten unaufgeregt und effizient, um das hier hinter uns zu bringen, die Verletzten wurden markiert und herausgeschafft, sodass wir zur Zenith zurücktransportieren und uns ausruhen konnten. Von diesem Felsklotz verschwinden konnten. Dieser Einöde.

      Als der ReGen-Stift Wulfs massiven Brustkorb provisorisch zusammenflickte, stand ich auf. “Ich komme zurück.”

      “Nein.” Der Befehl des Atlanen war scharf. Beißend. Gut. Vielleicht bewirkte der Stift mehr, als ich dachte.

      Von Wulfs entschlossenem Gesicht blickte ich zu den Felsen. Irgendetwas war faul hier.

      Aber ich konnte Wulf auch nicht hier liegen und verrecken lassen. Er würde nicht mehr lange durchhalten.

      Ich schaute nach den anderen in der MedRec, suchte nach ihrem Transportverantwortlichen.

      Alle waren zu weit entfernt, auf dem Schlachtfeld verstreut. Verdammt.


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