Erfüllt. Elke Mölle

Erfüllt - Elke Mölle


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Linie der Versuch, durch Beziehungen zu Menschen Erfüllung und Vollständigkeit zu finden. Freundschaften, Liebesbeziehung, Ehe. Dazu kam das Streben nach Erfolg und Anerkennung, das Bedürfnis, gesehen zu werden – Flucht in Tagträume, Romane, andere Welten. Bei anderen ist es vielleicht das Traumhaus, der Traumurlaub, die Traumhochzeit, der Traumjob, das Traumhobby oder Arbeit, Alkohol, Sex. Egal, wie wir versuchen, aus eigener Kraft unsere Löcher zu stopfen, es wird nicht gelingen. Denn dieses Loch in uns ist gottförmig, und nur Gott kann es füllen.

      Hat irgendeine Nation die Götter vertauscht? – Und jene sind nicht einmal Götter! Aber mein Volk hat seine Herrlichkeit vertauscht gegen das, was nichts nützt. Entsetze dich darüber, du Himmel, und schaudere, erstarre völlig vor Schreck!, spricht der Herr. Denn zweifach Böses hat mein Volk begangen: Mich, die Quelle lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, rissige Zisternen, die das Wasser nicht halten.

      Jeremia 2,11–13

      Genauso ist es bei uns. Wir versuchen verzweifelt, uns lebendig zu fühlen, uns selbst zu versorgen, uns »selbst gemachte Zisternen« auszuhauen – und stellen dann fest, dass sie das Wasser nicht halten und wir trotz aller Mühe am Verdursten sind. David beschreibt es so: »Gott, mein Gott bist du; nach dir suche ich. Es dürstet nach dir meine Seele, nach dir schmachtet mein Fleisch in einem dürren und erschöpften Land ohne Wasser. So schaue ich im Heiligtum nach dir, um deine Macht und deine Herrlichkeit zu sehen« (Psalm 63,2–3).

      Ich verstand früher diesen Psalm immer als Anforderung an mich, als ein Ziel, das ich erreichen muss. Ungefähr so: Elke, eigentlich solltest du wirklich mehr Leidenschaft für Gott haben. So, wie das der Psalm beschreibt, ist es bei dir gar nicht. Du könntest nicht sagen, dass du dich nach Gott so verzehrst und so Hunger und Durst danach hast, ihm zu begegnen, wie David. Doch dann hatte ich eines Tages in einer Gebetszeit beim Lesen dieses Psalms ein Aha-Erlebnis. Plötzlich verstand ich, dass das eigentlich nur eine Beschreibung der menschlichen Erfahrung ist. Unser Istzustand, nicht ein Anspruch, den ich nicht erfülle. Jedem Menschen auf der ganzen Welt geht es so. Wir verstehen nur nicht, dass unser Hunger und Durst, unser Sehnen nach mehr, eigentlich ein Hunger nach Gottes Gegenwart ist. Eine Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Gott selbst hat sie in unser Herz gelegt, damit wir anfangen, ihn zu suchen.

      Die menschliche Seele dürstet nach Gott, danach, ihn zu sehen, ihm zu begegnen. So sind wir gemacht, auf Gott hin sind wir geschaffen, für seine Gegenwart, für Gemeinschaft mit ihm. Nichts anderes auf dieser Welt kann uns sättigen und glücklich machen. Nichts Geschaffenes!

      Im Letzten kann dich nur die Gegenwart Gottes glücklich machen, denn dafür bist du geschaffen: für Liebe, für Nähe und Gemeinschaft, für Schönheit, für die Herrlichkeit und die Ewigkeit.

      Lass dir diese Wahrheiten tief ins Herz fallen. Es braucht ein Innehalten. Wenn du auf deine eigenen Ziele ausgerichtet bleibst, ist es schwer, das zu erkennen, was Gott dir zeigen möchte. Er ist ein Gentleman und stellt sich dir behutsam in den Weg. Auf deiner Suche nach dem, was dich glücklich macht, ist der erste Schritt, dich von Gott unterbrechen zu lassen. Tu das am besten gleich!

      Vom Fischer und seiner Frau

      Kennst du das Märchen vom Fischer und seiner Frau? Darin geht es um einen Fischer, der mit seiner Frau Ilsebill in einer winzigen und armseligen Hütte wohnt. Als er im Meer einen Butt angelt, stellt es sich heraus, dass der Butt eigentlich ein verzauberter Prinz ist, den der Fischer dann leben lässt. Zum Dank darf sich der Fischer etwas wünschen. Er fragt seine Frau, was er sich denn wünschen soll, und so wünscht er sich auf ihren Rat hin eine größere Hütte. Diesen Wunsch erfüllt ihm der Fisch. Doch schon bald ist Ilsebill nicht mehr zufrieden und will etwas noch Größeres und Schöneres. Dem Fischer ist es peinlich, den Butt immer noch mal um etwas zu bitten, aber seine Frau drängt ihn. So geht das viele Male, und schließlich möchte sie König, Kaiser und dann sogar Papst werden. Alle diese Wünsche erfüllt ihr der Butt. Aber als sie am Schluss Gott werden will, wird sie wieder zurück in die armselige Hütte versetzt und hat alles verloren.

      Mich hat das Märchen schon als Kind sehr angesprochen. Obwohl ich Ilsebills Verhalten scharf verurteilte, hatte ich doch schon eine leise Ahnung, dass diese unersättliche Frau auch tief in mir steckt. Zum Beispiel spürte ich oft an meinem Geburtstag: so viele schöne Momente, Kuchen, Freundinnen, Spiele, tolle Geschenke, meistens perfektes Wetter Anfang Juni – aber keine richtige Sättigung an Glücklichsein. Spätestens am nächsten Tag rann mir das Glück wieder durch die Finger. Erfolge in der Schule gaben mir ein kurzes Hochgefühl, aber sättigen konnten sie meine Sehnsucht nach dem Paradies auch nur vorübergehend. Freundschaften und selbst die beste Liebesbeziehung konnten keine dauerhafte Sättigung bringen. Da war immer ein Sehnen nach mehr.

      Ich glaube, dass wir alle eigentlich so sind wie die Frau des Fischers, die einfach nur die Sehnsucht nach dem Paradies gespürt und dabei den Fehler gemacht hat, der uns Menschen so oft unterläuft: Sie hat versucht, ihre Sehnsucht mit Dingen aus der geschaffenen Welt zu füllen. Und dabei hat sie gemerkt, was wir alle irgendwann feststellen müssen, dass nichts Geschaffenes uns nachhaltig glücklich machen kann. C. S. Lewis drückt es so aus: »Wenn ich in meinem Innern ein Verlangen verspüre, das durch kein Erlebnis in dieser Welt befriedigt werden kann, dann ist die wahrscheinlichste Erklärung dafür die, dass ich für eine andere Welt gemacht bin.«3 Wir sind nicht nur für diese sichtbare Welt geschaffen worden, sondern für das Paradies, die unsichtbare Welt Gottes, den Himmel, die Ewigkeit. Für seine Herrlichkeit, sein Königreich.

      Es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind: Die Sehnsüchte, die wir in uns spüren, sind nicht böse oder schlecht. Sie müssen nicht unterdrückt oder verleugnet werden, denn sie sind uns von Gott gegeben worden. Es war ja seine Idee, uns so zu erschaffen: für Schönheit und Faszination, für Gemeinschaft mit Gott, für ein Paradies. Das wissen wir ganz tief im Herzen. Dieses Wissen drückt sich durch die Sehnsüchte und Wünsche aus, die wir in uns wahrnehmen. Im Gespräch mit Menschen aus allen möglichen Bereichen der Gesellschaft, die ich im Laufe meines Lebens kennengelernt habe, stelle ich immer wieder fest, dass alle Menschen letztendlich ähnliche Bedürfnisse und Sehnsüchte haben. Wir sehnen uns nach Faszination und Schönheit, nach Nähe und Zugehörigkeit, nach Größe und Bedeutsamkeit. Es ist nicht überraschend, dass in jedem von uns eine Ilsebill steckt. Wir alle haben denselben Schöpfer, der uns unendlich liebt und uns zu sich ziehen möchte.

      Es war Gottes Idee, diese Sehnsüchte in uns hineinzulegen. Und er hat auch eine genaue Vorstellung, wie er selbst in uns alle diese Sehnsüchte stillen möchte: Er möchte unser Herz erobern. Mit seiner leidenschaftlichen Liebe zu uns.

      Der faszinierende Gott und unser Herz

      Kennst du Gott als jemanden, der um dich wirbt? Hat Gott sich dir schon einmal vorgestellt als der, der dein Herz bewegen, erobern und begeistern möchte? Gott auf diese Weise kennenzulernen, ist einer der spannendsten und geheimnisvollsten Aspekte auf unserem Weg mit ihm. Und es ist seine Antwort auf die Sehnsucht unseres Herzens. Er will sich selbst an uns verschenken.

      Im Hohelied lesen wir von der Liebe eines Bräutigams zu seiner Braut. Durch die Jahrhunderte wurde dieses poetische Buch der Bibel von Juden und Christen auch als die Geschichte der Liebe Gottes zu seinem Volk gelesen. Jesus selbst bezeichnet sich als »Bräutigam« (Markus 2,19), und sein Volk ist seine Braut, die er leidenschaftlich liebt. Das Hohelied ist deine und meine Geschichte, unser Leben mit Gott durch viele Höhen und Tiefen hindurch. Eines wird dabei sehr deutlich: Es ist die Initiative des Bräutigams, um seine Braut zu werben, ihre Liebe zu entfachen und sie zu faszinieren.

      Ich schlief, aber mein Herz war wach. Da, hört, mein Geliebter klopft an die Tür. »Öffne mir, meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Vollkommene (…)« Mein Geliebter streckte seine Hand durch die Öffnung in der Tür, und mein Herz fing an wie wild zu schlagen vor Sehnsucht nach ihm.

      Hohelied 5,2–4; NLB

      Wir brauchen Gottes Hilfe und Initiative, um ihn zu lieben. Er klopft an, er streckt seine Hand durch die Türöffnung, und dann gerät unser Herz seinetwegen in Wallung, so lesen wir es im Hohelied. Gott zeigt uns etwas von sich, zum Beispiel beim Anblick der Natur,


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