RAG MEN. Rocky Alexander
This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com
Title: RAG MEN. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2013. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.
Impressum
Deutsche Erstausgabe
Originaltitel: RAG MEN
Copyright Gesamtausgabe © 2014 LUZIFER-Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Cover: Michael Schubert
Übersetzung: Andreas Schiffmann
eISBN: 978-3-95835-005-2
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Für Jerry und Idgie
1
»Die Welt stirbt wieder und wieder, doch das Gerippe steht abermals auf und geht weiter.«
Henry Miller
Colin Ross saß auf der Kante des Bettes und zog seinen Revolver aus dem schwarzen Lederhalfter auf dem Nachttisch. Er schwenkte die Trommel heraus, nahm eine rechteckige Schachtel mit Hochdruck-Spezialmunition vom Kaliber .38 zur Hand und entnahm ihr fünf Patronen, die er in die Lager steckte. Während der folgenden Minute starrte er nur auf den Edelstahlrahmen der Waffe und wog sie, wobei er sich fragte, ob es wehtun würde, wenn er es wirklich fertigbrachte, und falls ja, wie lange. Bestimmt ging es schnell; ja, sehr wahrscheinlich starb er, noch bevor er den Schuss hörte.
Als er den Revolver hochhob und sich den zwei Zoll langen Lauf in den Mund steckte, zuckte er vor der Kälte an seinen Lippen zusammen. Vielleicht gab es doch einen besseren Weg.
Er erinnerte sich an seine Zeit als Teenager, in der er zum Spaß auf die verrostete Karosserie eines alten Mercury Cougar gefeuert hatte, der am Bauernhof seines Großvaters auf Betonblöcken im Gestrüpp hinter dem Heuschober aufgebockt gewesen war, und zwar ebenfalls mit einem .38er, einem ähnlichen Modell wie diesem. Er entsann sich des ersten Schusses, der von der Windschutzscheibe abgeprallt war und wenig mehr als einen Sprung im Glas hinterlassen hatte. Für einen Selbstmord schien dieses Kaliber nicht unbedingt das verlässlichste zu sein; dass er sich in den Kopf schießen würde, ohne dass die Kugel etwas Lebenswichtiges traf, dafür aber einen unvorhersehbar schweren Hirnschaden verursachte, war durchaus möglich, und das Mündungsfeuer zwischen seinen Kiefern zog vermutlich eine üble Entstellung des Gesichts nach sich. Wenn er eines nicht wollte, dann für den Rest seines Lebens als hässliches, stumpfsinniges Etwas dahinzudämmern, das von irgendeinem fetten, haarigen Typen in einem Pflegeheim mit Haferschleim und Gemüsebrei gefüttert wurde.
Also zog er den Lauf wieder aus dem Mund und hielt ihn sich hinters rechte Ohr. Seine Hand fing an zu zittern, als er den Hahn zurückzog. Tu es, elender Feigling, tu es einfach. Er schloss die Augen, atmete tief ein und spannte den Finger am Abzug an. Als er sie lächeln sah und lachen hörte, wollte er sie so unheimlich gern festhalten, wie er sich in seinem gesamten Dasein nichts anderes je gewünscht hatte. Er glaubte nicht an Gott, einen Himmel oder ein Leben nach dem Tod, machte sich also keine Illusionen dahingehend, vielleicht wieder in einem Jenseits mit ihr zusammenzukommen. Wovon er aber überzeugt war? Dass er nicht ohne sie leben konnte und selbst wenn, es nicht gewollt hätte. Hier gibt es nichts mehr für dich. Beende es. Alles kann innerhalb eines Augenblicks verschwinden, genauso sein wie zuvor, als noch überhaupt nichts war.
Da die Hand, mit der er die Waffe hielt, noch unruhiger wurde, legte er sie fest auf seine Brust. Aus der Tiefe seines Unterbewusstseins drang ihr Flüstern: Ich liebe dich, Colin, und dort spürte er sie auch – in sich. So kam er auf den Gedanken, dass sie, sollte er am Leben bleiben, ebenfalls weiterexistieren mochte, sozusagen als Teil von ihm.
Aber das ist sie doch nicht, es sind nur Erinnerungen an sie.
Nun ja, vielleicht war das besser als gar nichts.
Beschissene Ausflüchte.
Er schrie in den dunklen, leeren Raum hinein, holte mit der Pistole aus, um sie zu werfen, besann sich dann aber, sie zuerst zu sichern, und steckte sie zurück in den Halfter. Danach saß er lange still da und hielt sich beide Hände an die Stirn, bevor er aufstand, sein Handy sowie den Autoschlüssel von der Kommode nahm und hinaus zu seinem Van ging, der in der Auffahrt stand.
Fünf Minuten später fuhr er an einem Ziegelsteingebäude vor, dessen der Straße zugewandte Fassade in großen, weißen Lettern mit BOXCLUB ROSS bemalt worden war. Nachdem er aufgeschlossen hatte, trat er ein, ging durch den dunklen Vorsaal, um die Neonröhren an der Decke hinter dem Empfangstisch einzuschalten, und dann die Treppe hinauf zu seinem Büro. Jeder Schritt verursachte stechende Schmerzen in seinen Knien. Mit 40 war er zwar noch gut in Form, doch jahrelanges, intensives Krafttraining und Sportwettkämpfe forderten allmählich ihren Tribut. Jeder Gang die Stufen hinauf – es waren Hunderte, falls nicht gar Tausende gewesen, seitdem er das Studio sechs Jahre zuvor eröffnet hatte – rief ihm ins Gedächtnis, dass auch er nicht vom Altern unberührt blieb, egal wie verbissen er dagegen ankämpfte.
Er drückte auf den Lichtschalter neben der Tür und blieb einen Moment lang stehen, um sich das Zimmer anzusehen. Am Holzfußboden verstreut lagen Pappschachteln und Verpackungen aus Plastikfolie, auf mehreren Ablageflächen standen halbvolle Getränkebehälter, und die beiden Abfalleimer quollen über. Er trat ein paar Schachteln aus dem Weg, ging zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. Es war 00:01 Uhr am 4.2. und so kalt im Büro, dass Ross seinen Atemhauch sah. Deshalb drehte er das Thermostat auf und zog sich einen elektrischen Radiator an den Schreibtisch, ehe er sich hinsetzte, um mit einer Einweggabel Dosenthunfisch zu essen, wobei er am Wasser nippte und sich an seinem PC-Monitor durch Internetnachrichten klickte. Angesichts der neusten Meldungen bedauerte er es, den Auslöser seiner Handfeuerwaffe doch nicht betätigt zu haben, als er sich die Waffe an den Kopf hielt.
Die Ausschreitungen waren schlimmer geworden, die Berichterstattung geprägt von Fotos und Videomaterial über Polizeistreitkräfte und Nationalgardisten in Ganzkörper-Schutzanzügen gegen biologische Gefahrstoffe, die Gesichtsschirme aus Polycarbonatglas beziehungsweise Gasmasken trugen und Zivilisten mit Schlagstöcken oder Gewehrkolben verprügelten. Tränengas gegen Molotowcocktails, blutende Verletzte auf der Straße oder wie Schlachtvieh zusammengepfercht in Militärlastern und Gefängniswagen, zum Schreien aufgerissene Münder, auf Geländewagen montierte Maschinengewehre, ganze Bezirke der Stadt abgeriegelt mit zweieinhalb Meter hohen Maschendrahtzäunen, an deren Spitzen sich Bandstacheldraht entlang zog. Qualm und Feuer, Gewalt und Chaos biblischen Ausmaßes wie aus dem Buch der Offenbarungen.
Ross lud eine Website mit einer größenveränderbaren Karte der USA, die gespickt