RAG MEN. Rocky Alexander
gehorchte.
Jamel lag auf den Fliesen vor dem Eingang. Blut, das aus Wunden an seinem Rücken, Hals und der rechten Schulter strömte, breitete sich in einer Lache rings um ihn aus. Seine Augen waren halb geöffnet, und sein Atem wurde von einem leisen Gurgeln begleitet. »Hilf mir«, flehte er angestrengt und kaum lauter als im Flüsterton. »Oh Gott, hilf mir. Ich brauche einen Krankenwagen.«
Rooster suchte den Raum nach etwas ab, mit dem er Jamels Schädel zertrümmern konnte, hob aber letztlich, da er nichts entdeckte, was er für schwer genug hielt, das rechte Bein an und trat ihm mit dem Stiefelabsatz ins Genick. Immer wieder ließ er den Fuß mit aller Gewalt auf den Mann niedergehen, bis er außer Atem war. Dann – quasi sicherheitshalber – sprang er hoch und stampfte mit beiden Füßen auf Jamels Kopf, wobei er abrutschte und gegen die Wand stürzte. Rasch richtete er sich wieder auf und hielt Timbo die Waffe vor, der dicht vor ihm auf Knien ausharrte und schluchzte. Als er auf Jamel hinabschaute, überraschte es ihn, dass sich die breite Brust weiterhin hob und senkte, obwohl der Kerl in der nunmehr rapide größer werdenden Blutlache zappelte und schauderte. Un-glaub-lich, dieser Typ. Rooster beobachtete ihn fasziniert, bis Kong seinen letzten rasselnden Atem aushauchte und aufhörte, mit den Beinen zu zucken. Zuletzt drehte er sich wieder zu Timbo um und fragte mit dem Gleichmut eines Wahnsinnigen: »Was hast du zum Essen im Haus?«
3
Er ließ sich entspannt am klapprigen Küchentisch nieder und aß Ramen-Nudeln mit faden Käsebällchen, während Timbo im Schneidersitz neben ihm am Boden kauerte. Er hatte ihm die Hände mit Klebeband auf dem Rücken verschränkt. Der süßsaure Geruch von Blut vereinte sich mit dem ekelhaften Gestank im Haus, der die Luft verpestete wie überfahrene Tiere, die in der Sommersonne verwesten, doch dies verdarb Rooster nicht im Geringsten den Appetit.
»Warum hast du ihn nicht einfach erschossen«, fragte Timbo beklommen.
Rooster kaute weiter, ohne zu antworten. Beim Fesseln hatte er Timbos Meth-Beutel konfisziert, jetzt hielt er ihn gegen das Küchenlicht, um den Inhalt zu untersuchen. Die dreckig gelben Rocks erinnerten ihn an ausgeschiedene Gallensteine.
»Im Ernst, Mann, warum musstest du ihm den Kopf eintreten? Jamel war ein ziemlich cooler Junge und hatte keinen solchen Tod verdient.«
Rooster steckte den Beutel ein und seufzte beschwerlich. »Erstens war der Wichser keine weitere Kugel wert; immerhin hatte er schon vier in seinem fetten Arsch stecken, und im Augenblick ist es nicht leicht, an Munition zu gelangen. Zweitens wohnen die Nachbarn jeweils 10 Meter links und rechts neben dir, die wahrscheinlich keine Schüsse bemerkt haben wegen der lauten Anlage, aber ohne Musik klingt eine Pistole ziemlich genau so – wie eine Pistole, selbst mit einem Schalldämpfer, der eigentlich rein gar nichts dämpft.«
Timbo schwieg eine Minute lang, bevor er den Kopf hängenließ und zu weinen anfing. »Was wirst du jetzt mit mir anstellen, Mann? Ich kann dir helfen, weißt du? Was auch immer du verlangst, ich besorg's dir. Ich hab eine Scheißangst, du machst mich echt irre. Was soll ich machen? Sag's mir einfach, Rooster. Ich tu alles, ich bin einfach … ich hab furchtbar Schiss, Mann.« Er flennte wie ein verschrecktes Kind. Ein Rotzfaden baumelte aus seiner Nase, und Speichel floss in Rinnsalen an seinem Kinn hinunter, ehe er auf seinen Schoß tropfte
Rooster konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. »Hör auf zu weinen, du blödes Weichei! Wie kann man sich nur so würdelos verhalten?« Er rückte den Stuhl vom Tisch zurück, stand auf und bückte sich, um Timbo in die Augen zu schauen. »Hör zu«, begann er mit sanfter Stimme. »Es gibt da etwas, das du nicht über mich weißt. Traust du es dir zu, damit klarzukommen, wenn ich es dir erzähle?«
Timbo nickte eifrig mit bebenden Lippen. »J-j-ja, Mann, ich komm klar damit; egal was es ist, es macht mir nichts aus.«
»Gut.« Rooster starrte ihn eindringlich an und rückte noch näher. »Ich bin ein Vampir. Das einzige, was ich von dir will, ist dein Blut.«
Timbo wurde leichenblass. Er öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, brachte aber nichts weiter hervor als ein leises Quieken. Rooster weidete sich ein paar Sekunden lang an der Bestürzung und Unsicherheit des Mannes, bevor er die Zähne bleckte und mit einem fiesen Knurren nach seinem Hals schnappte. Timbo kreischte panisch auf und kippte rücklings um, wohingegen Rooster in schallendes Gelächter ausbrach.
»Du Idiot, ich verarsche dich bloß«, grölte er. »Wäre ich tatsächlich ein Vampir, läge mir nichts ferner, als dein widerliches Blut zu saufen. Was ich allerdings mitnehmen werde, sind dein Drogenbestand und dein Geld, jegliche Waffen, die du im Haus hast, und die Schlüssel zu den Wagen, die draußen stehen.«
»S-sicher, sicher, Rooster«, stammelte Timbo. »Du kriegst alles, was du willst. Ich will dir nur behilflich sein, Mann, du bist wie ein Bruder für mich.«
»Dann beweg deinen armseligen Arsch und zeig mir, wo du deinen Shit versteckst.«
Timbo raffte sich hastig auf und führte Rooster in sein Schlafzimmer. »Im Schrank am Boden steht eine Schließkassette«, gab er an, »versteckt unter ein paar zusammengelegten Laken. Der Schlüssel zu meinem Jeep liegt auf der Garderobe, aber wo der von Jamels Impala ist, weiß ich nicht, bestimmt in seiner Tasche.«
Rooster stieß ihn aufs Bett und befahl ihm, sich auf den Bauch umzudrehen. Timbo tat es ohne Zögern, während sein Peiniger die Schlüssel von der Garderobe nahm und den Kleiderschrank durchstöberte.
»Wie lautet die Kombination für das Schloss?«, fragte er, nachdem er die Metallkassette gefunden hatte. Timbo nannte sie ihm, und als Rooster den Deckel hochklappte, fiel ihm eine geladene, vernickelte .357er Magnum Marke Smith & Wesson mit kurzem Lauf in die Hände, dazu eine Schachtel mit 50 Hohlspitzpatronen, drei zusammengerollte Beutel Marihuana und einer voller Crystal Meth sowie 127 Dollar Bares. Außerdem waren drei verschlossene Röhrchen Tabletten enthalten, mehrere leere Spritzen und etwas Kleingeld. »Was sind das für Pillen?«, wollte er wissen.
»Oh, ein wenig Oxycodon, Vicodin und äh … ein bisschen Rohypnol.«
»Was zum Geier ist Rohypnol?«
»So etwas wie Tranquilizer; kannst du mit Valium vergleichen.«
»Welche von denen sind Rohypnol? Du hättest den Kram mal beschriften können.«
»Hinten auf der Packung steht ›ROCHE‹. Das Oxycodon ist gelb, die langen Kapseln sind Vicodin.«
Rooster steckte die Magnum in seinen Hosenbund und schüttete den übrigen Inhalt der Kassette in einen fleckigen Kissenbezug. Davon abgesehen nahm er auch eine Zwölfkaliber-Flinte und eine lange Metalltaschenlampe aus dem Schrank. Um die Waffe zu prüfen, zog er den Verschluss bis zur Hälfte zurück. Sie war geladen. »Wo sind noch Patronen für das Ding?«
»Oberes Fach, rechte Ecke.«
Er warf das Kästchen mit den Kugeln ebenfalls in den Bezug und verlangte den Rest von Timbos Geld.
»Das ist alles, was ich habe, Rooster, ich schwöre.«
»Falls ich dich noch einmal fragen muss, werde ich dir nacheinander die Finger abschneiden.«
Als Timbo nichts entgegnete, beugte sich Rooster übers Bett, packte seinen Daumen und knickte ihn um, bis er mit einem hörbaren Knacks brach.
Timbo brüllte vor Schmerz. »Schon gut, schon gut! Meine Brieftasche liegt in der obersten Garderobenschublade. Sind ungefähr 100 Kröten drin, hab ich vergessen – wirklich, total vergessen! Bitte tu mir nicht noch mehr weh.«
Rooster fand die Geldbörse und nahm die Scheine heraus. Nachdem er die anderen Schubladen durchsucht und unters Bett geschaut hatte, kramte er in einer Handtasche, die an einem Haken an der Schlafzimmertür hing. Da er nichts von Interesse entdeckte, wies er Timbo an, vom Bett aufzustehen und in die Küche zu gehen. Dort musste er niederknien, woraufhin Rooster ein Fleischmesser aus einem Holzblock auf der Arbeitsfläche zog. »Tja, sieht ganz so aus, als seist du am Ende angelangt«, sagte er im kalten Ton. »Irgendwelche letzten Worte?«
Timbo blickte flehentlich hinter einem Tränenschleier zu ihm auf. »Was …«
Rooster