RAG MEN. Rocky Alexander

RAG MEN - Rocky Alexander


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was mit den anderen beiden passierte, weiß ich nicht. Der Kerl hätte wohl noch andere gekillt, wäre er nicht an Ort und Stelle von den Bullen erschossen worden. Es heißt, der Bastard habe zehn Kugeln gefangen, bis er Ruhe gab. So will ich mein Leben nicht lassen, keine Chance – und, meine Fresse, wärst du jemand anders gewesen, hätte ich die Tür gar nicht erst aufgemacht. Man kann nicht vorsichtig genug sein, aber was fällt dir überhaupt ein, mitten in der Nacht herumzustreunen?«

      »Im Dunkeln kannst du dich besser fortbewegen«, antwortete Rooster. »Man bleibt im Schatten und zieht niemandes Aufmerksamkeit auf sich.«

      Nachdem Timbo an der Pfeife gezogen hatte, reichte er sie weiter an Susan. »Woher kommst du?«

      »Ich bin bei 'nem Kumpel oben in Beacon Hill aufgeschlagen und wollte einfach mal vorbeischneien, um zu sehen, wie es euch allen geht.«

      »Beacon Hill, das sind doch bestimmt 10 Kilometer von hier aus, bist du komplett irre?«

      »Ehrlich gesagt habe ich mir die Karre meines Freundes geborgt, aber nördlich von Cloverdale geparkt. Dort in der Nähe gibt es ein großes Armeelager mit Hubschraubern und allem drum und dran. Ich wollte vermeiden, angehalten zu werden, weil sie diese Ausgangssperre verhängt haben, also stellte ich die Kiste eben am Straßenrand ab und ging den Rest zu Fuß. War nicht sonderlich weit von dort aus.«

      Timbo nickte. »Die haben die Schule dort zu einer Art Krankenhaus umfunktioniert oder so. Zumindest hab ich gehört, dass dort eine Menge Soldaten Wache schieben, aber wer weiß, was da wirklich vor sich geht! Der Knast soll ja auch vom Militär bewacht werden, stimmt das?«

      »Ja, im gesamten Bereich um Pioneer Square wimmelt es vor Soldaten, die das Gefängnis, den Gerichtshof und die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen verteidigen sollen, eben alle wichtigen Gebäude dort. Harborview Hospital befindet sich ja auch in der Gegend, gleich auf der anderen Seite der I-5. Jede Wette, dass es vor Leuten, die sich mit diesem Qilu-Virus infiziert haben, aus allen Nähten platzt.«

      »Tschi-lu«, berichtigte Mark. »Du sprichst es Ki-Lu aus, aber richtig heißt es Tschi. Das Wort stammt aus dem Chinesischen. Man munkelt, es sei irgendwo am Gelben Fluss in der Provinz Shandong ausgebrochen, weshalb es mancher auch Gelbfluss-Virus nennt. Qilu ist aber ein Kosename für Shandong, daher die Bezeichnung.«

      Na besten Dank, Mr. Klugscheißer, dachte Rooster verächtlich. »Ich weiß, woher das Virus kommt, schließlich verfolge ich die verdammten Nachrichten. Tschi-Lu, Ki-Lu, Methaqualon, Tequila … scheißegal, wie man's nennt, es ist eine Seuche, und ich bezweifle sehr stark, dass sich jemand, der auf seinem Totenbett liegt, den Kopf über die richtige Aussprache zerbricht.«

      »Ich wollte es ja nur gesagt haben, Mann«, entschuldigte sich Mark.

      »Alle Krankenhäuser sind überfüllt«, warf Christie ein. »Die Schulen werden benutzt, um dem Andrang gerecht zu werden, das erzählen sie im Radio.«

      »Die Welt geht wirklich vor die Hunde«, sagte Timbo. »Schätze, uns bleibt nichts weiter übrig, als zu versuchen, es durchzustehen.« Er rollte den Beutel Meth sorgfältig zusammen und schob ihn in die Tasche seiner Shorts. »Ich würde dir ja noch 'nen Hit von dem Zeug geben, Rooster, aber wie ich schon sagte: Wir müssen sparsam sein.«

      »Schon in Ordnung«, versicherte Rooster. »Ich bin high genug. Nach der Zeit im Knast komme ich mir ein wenig vor wie ein Leichtgewicht.«

      »Meine Rede, Mann. Ist bestimmt schon 'ne Zeitlang her, seit du das letzte Mal Spaß hattest.« Timbos Blick wanderte von Rooster zu Christie und wieder zurück. »Alter, warum gehst du nicht mit ihr ins Hinterzimmer und lässt dich ein bisschen liebhaben?«

      Rooster schaute Christie an, dann wieder Timbo, und lachte auf. »Im Ernst?«

      »Todernst. Wie lang hast du eingesessen – sechs Monate?«

      »Sieben.«

      »Also das ist 'ne lange Zeit ohne Frau. Nur zu, aber mach kein Durcheinander.«

      Rooster besah Christies bleiche Haut und dürre Figur, den Wust von Meth-Narben in ihrem Gesicht und an den Unterarmen. Beim Lächeln zeigte sie faule Zähne. Er ließ sich das Angebot ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen, zuckte dann mit den Schultern und sagte: »Warum eigentlich nicht?« Sieben Monate waren zu lang, da hatte Timbo Recht. »Macht aber in der Zwischenzeit Musik an, damit ich weiß, dass ihr nicht hier herumsitzt, um uns beim Stöhnen und so zu belauschen.«

      Er führte das Mädchen in das Schlafzimmer und nahm sie von hinten, während man nebenan Pink Floyd in die Stereoanlage warf. Nach wenigen Minuten streckte er sich zur Seite aus, um eine Keramiklampe von einer Kommode dicht neben dem Bett zu nehmen, riss sie aus der Steckdose und schlug Christie das Ding so fest er konnte auf den Hinterkopf, ehe er sie mit dem Kabel strangulierte. Er setzte den Sex mit ihr fort, nachdem sie tot war. Als er von ihr abließ, blieb er noch neben ihr stehen und betrachtete das Schmetterlings-Tattoo in ihrem Kreuz. »Arschgeweih, eins zwei.« Fly away little butterfly, sang er in Gedanken. Fly away.

      Dann zog er seine Hose an, hob die Jacke vom Boden auf und nahm die Sig Sauer .380 aus einer Innentasche mit Reißverschluss. In einer anderen hatte er einen vier Zoll langen Schalldämpfer verstaut, den er nun geruhsam auf den Lauf schraubte. Zuletzt prüfte er das Magazin, in dem sieben Patronen Platz fanden, und zog ein zweites aus der Jacke, dem er noch eine Kugel entnahm, um sie in die Pistole zu stecken. Indem er die Jacke über die Waffe hielt, öffnete er leise die Tür und ging über den schmalen Flur zum Wohnzimmer.

      Die sechs dort blickten durch wabernden Zigarettenqualm zu ihm auf und grinsten hämisch mit großen, glasigen Augen. »Na, wie war's so nach sieben Monaten?«, fragte Timbo neckisch.

      »Tat gut«, entgegnete Rooster. Er ging zur Stereoanlage, die auf einem Regal neben dem Flachbildfernseher stand. Gerade polterte ein altes Led-Zeppelin-Stück durch die Boxen, dessen Titel ihm nicht einfiel. Er ließ sein Becken im Rhythmus kreisen. »Ich liebe diesen Song.« Das war gelogen. »Was dagegen, wenn ich lauter mache?« Er wartete nicht auf die Erlaubnis, sondern drehte den Regler etwas weiter nach rechts, bevor er sich dem Sofa zukehrte, wobei sein Körper fast komisch im Einklang mit der Musik schwankte.

      Sie prusteten und johlten, während er zum Sofa tänzelte. Timbo meinte: »Was treibt Christie noch nebenan? Erholt sie sich? Hoffentlich warst du nicht zu anstrengend für sie. Ich hab Jamel und Candace gerade erklärt, woher du deinen Spitznamen hast.«

      Rooster ließ die Jacke auf den Boden fallen. Da verging ihnen das Lachen. Er erkannte, wie es ihnen wie Schuppen von den benebelten Augen fiel: Sie wussten, was nun folgte. Er stand Susan und Mark am nächsten, also erschoss er sie zuerst – eine Kugel pro Kopf. Bamm! Bamm! Trotz des Schalldämpfers knallte es laut wie ein Vorschlaghammer auf Beton. King Kong sprang sofort auf, da verpasste ihm Rooster zwei Treffer, doch der große Mann drehte sich um, nahezu ohne mit der Wimper zu zucken, und rannte auf die Tür zu. Zwei weitere Schüsse in den Rücken, und er brach zusammen, bevor er entkommen konnte. Als nächstes war die Frau mit den blonden Dreadlocks dran. Wie hatte Timbo sie noch gleich genannt? Ach ja, Candace. »Mach's gut, Candace.« Sie kreischte, während sie die Hände nach vorne ausstreckte, und Rooster schoss ihr zwischen die Augen. Schließlich kehrte er sich Timbo zu, der von seinem Sessel untergetaucht war und auf allen Vieren zur Tür kroch, durch die Rooster gerade gekommen war. Dieser ging zu ihm hinüber und zielte auf seinen Hinterkopf. »Wohin willst du, Arschloch?«

      Timbo erstarrte und fing an zu wimmern. »Rooster, b-b-bitte … bitte bring mich nicht um, ich bin dein Freund.«

      »Nein, da irrst du dich, Timbo, du bist nicht mein verschissener Freund. Ich will, dass du dich jetzt dort hinüberschaffst und die Musik ausmachst, damit ich nicht schreien muss.«

      »Okay, okay … was auch immer du willst, Rooster. Ich tu alles für dich, aber bitte erschieß mich nicht, Mann.«

      Timbo hastete wie eine Krabbe über den schmutzigen Wohnzimmerboden, dicht gefolgt von Rooster, der das leere Magazin seiner Sig gegen das volle aus seiner Gesäßtasche austauschte. Sobald die Anlage abgestellt war, hörte er ein Stöhnen von der anderen Seite des Raumes nicht weit entfernt von der Haustür. »Na ist es denn zu fassen?«,


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