RAG MEN. Rocky Alexander

RAG MEN - Rocky Alexander


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darum, zu sehen, wie du klarkommst.«

      »Wie gesagt, es ging schon besser.«

      Mickey trat nervös auf der Stelle und wich seinem Blick aus. »Ich habe das mit Monica gehört; tut mir schrecklich leid.«

      Ross nickte schwermütig und kratzte sich an seinem stoppeligen Kinn. »Dass du mit mir fühlst, weiß ich zu schätzen. Momentan versuche ich einfach, es geistig zu verarbeiten, verstehst du? Das … alles … ist starker Tobak, den man erst einmal verkraften muss.«

      »Versteh ich total, Coach. Ist echt ein hartes Brot. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was du durchmachen musst, aber falls ich irgendetwas für dich tun kann, halt nicht damit hinterm Berg, sondern lass es mich wissen.«

      »Vielen Dank, Mickey, aber du brauchst dir meinetwegen keinen Kopf zu machen. Ich werde damit fertig, wie ich bisher mit allem fertig geworden bin. Was ist mit dir selbst? Diese Epidemie kann dich und deine Familie doch nicht unberührt gelassen haben.«

      »Uns geht es ganz gut. Mein Sohn genießt die schulfreie Zeit, und was meinen Job betrifft, läuft es nicht allzu übel – nur wenige Leute auf den Straßen. Heute Morgen wurde allerdings jemand erschossen; irgendein Typ stürzte sich auf einen Kollegen und unterschrieb damit sein Todesurteil.«

      »Hab im Radio davon gehört. Was genau ist passiert?«

      »So gegen drei Uhr heute Morgen wurde Officer Morris, ein Freund von mir, angewiesen, auf den Campingplatz in der Nähe von Lincoln Square zu fahren, wo jemand eine verdächtige Person gesehen haben wollte. Als er dort ankam, sprang ihn der Kerl an. Er trug nur seine Unterwäsche und versuchte, Morris die Waffe zu entreißen. Sie rangen am Boden miteinander, wobei mein Kumpel ordentlich einstecken musste, bis er endlich die Gelegenheit bekam, auf den Typen zu schießen, was er dann auch vier- oder fünfmal tat. Zeugen sagten aus, der Mann habe den Eindruck gemacht, auf Meth oder so zu sein. Er soll sogar weitergekämpft haben, als Morris das Feuer eröffnete.«

      »Klingt reichlich verrückt«, erwiderte Ross. »Du denkst nicht, der Mann sei mit dem Virus infiziert gewesen, oder?«

      »Oh Gott, hoffentlich nicht. Wir werden es bald herausfinden.«

      »Wie bald?«

      »Ich weiß nicht, wie die Tests ablaufen, denn schließlich bin ich Cop, nicht Arzt. Der Gerichtsmediziner wird dem Fall aber Vorrang einräumen, da bin ich zuversichtlich.«

      »Und was geschieht, wenn sich herausstellt, dass er infiziert war?« Ross spürte, wie sein Magen verkrampfte. »Was würde das für Wenatchee bedeuten?«

      »Falls es sich bewahrheitet, ist die Stadt darauf vorbereitet.«

      Szenen des Chaos in Seattle, Los Angeles, Chicago sowie zahllosen anderen Städten überall im Land und darüber hinaus zogen an Ross' geistigem Auge vorüber. »Wenn du da mal bloß Recht behältst, Mickey …«

      5

      Rooster war weniger als eine halbe Meile gefahren, da steckte er mitten in einem Stau, bei dem es sich wahrlich nicht nur um zähfließenden Verkehr handelte. Mehrere Wagen vor ihm stand auf der rechten Straßenseite eine breite Leuchttafel, die abwechselnd VOLLSPERRUNG und UMLEITUNG AUSGESCHILDERT anzeigte. Sowohl auf diesem Highway als auch der Gegenfahrbahn standen Fahrzeuge in Richtung Süden; jeder wollte die Stadt verlassen, niemand hinein, und ohne Platz zum Wenden blieb Rooster nichts anderes übrig, als den Verkehrsteilnehmern vor ihm langsam kriechend zu folgen. Dabei stellte er den Motor so oft wie möglich ab, um Sprit zu sparen, doch sein Frust nahm immer mehr zu, je weiter die Nadel der Tankanzeige in den roten Bereich absackte.

      Seit seiner Freilassung aus dem County-Gefängnis hatte er nur wenig Schlaf gefunden, aber dank mehrerer Züge an der Meth-Pfeife fühlte er sich hellwach, obwohl er sich nicht von seiner trügerischen Geistesschärfe täuschen ließ: So klar er sich auch im Kopf fühlte, wusste er, dass Drogen und Schlafmangel seine Sinne erheblich beeinträchtigten. Gelegentlich ertappte er sich beim Träumen mit offenen Augen. Als er die rot-blauen Warnlichter der Polizei sah, drängte sich langsam Paranoia auf, die ihm so vertraut und doch schwierig unter Kontrolle zu halten war. Alles läuft bestens, das sind bloß Verkehrsbullen, die sichergehen, dass die Umleitung genommen wird, das ist alles. Dennoch nahm er die .357er Magnum unterm Fahrersitz hervor und legte sie rechts neben seinen Oberschenkel – nur für den Fall …

      Als er sich der Straßensperre näherte, machte er vier Beamte aus, die den Verkehr kontrollierten. Sie trugen schwarze Schutzausrüstung mit Gasmasken und Helmen, deren Visiere sie hochgeklappt hatten. Zwei waren jeweils mit einem Gewehr bewaffnet, das sie auf den Boden richteten. Hinter den orangefarbenen Leitkegeln und dürftigen Barrieren standen je zwei Streifenwagen und Motorräder. Rooster spielte vorübergehend mit dem Gedanken, sich eine Schießerei mit den Cops zu liefern und eines der Motorräder zu stehlen, hielt seine Chancen bei einem solchen Unterfangen aber für zu gering. Dies war kein Film, in dem kernige Hollywood-Kerle im Alleingang Horden wehrhafter Gegner beseitigten; es handelte sich um die Wirklichkeit, in der man höchstwahrscheinlich binnen Sekunden durchlöchert wurde, wenn man irgendwelche Dummheiten wagte.

      Cool bleiben, Rooster. Cool bleiben, Mann.

      Als er endlich an der Absperrung ankam, streckte einer der Männer einen Arm aus, um Rooster zu zeigen, er möge den Lichtmarkierungen auf die 132. Straße folgen. Er tat es, und damit war die Sache gegessen, ganz einfach.

      Er blieb auf der 132., bis er zur Black River High School im nördlichen Bereich der Straße gelangte. Dort parkte er und betrachtete eine Karte, während er an der Meth-Pfeife saugte. Auf der anderen Seite erstreckte sich eine dichte Baumgruppe, die ihn von der 134. Straße 300 Meter weiter südlich trennte. Ging er durch das Wäldchen, kam er auf der Südseite der Straßensperre und ungefähr eine Meile westlich des Stadtzentrums von Renton heraus, das er durchqueren musste, um sein Ziel zu erreichen. Er ließ den Jeep zwar nur ungern zurück, spekulierte aber darauf, später relativ einfach ein anderes Auto stehlen zu können, zumal der Karre ja der Sprit ausging. Davon abgesehen war er gezwungen, auch die Flinte zurückzulassen, denn er würde unmöglich damit herumlaufen können, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

      Er machte die hintere Tür des Jeeps auf und zog den Müllsack mit den Sachen heraus, die er aus Timbos Bude entwendet hatte. Um nicht Gefahr zu laufen, dass das Plastik unterwegs riss, entfernte er einige der schweren Nahrungsmittelbehälter und kippte sie auf den Asphalt. Es gab keinen Grund dafür, sie jemand anderem zu überlassen. Danach nahm er die Patronen aus der Flinte und steckte sie zu den anderen in den Kissenbezug. Seiner Einschätzung nach wurde es wohl mit der Zeit einfacher, ein anderes Gewehr zu finden als Munition dafür. Er holte damit weit über seinen Kopf aus und schlug den Schaft aus Birkenholz auf den Boden, bevor er es wieder in den Fußraum des Wagens warf. Zuletzt nahm er die Magnum vom Fahrersitz und steckte sie in seinen Hosenbund. Als er sicher war, alles zu haben, was er benötigte, verriegelte er die Türen von außen, warf den Schlüssel ins Unterholz und durchstach alle vier Reifen mit einem Schraubenzieher. Dann hob er den Kissenbezug auf, schwang den Müllsack über eine Schulter und schlug sich zwischen die Bäume. Sobald er auf der 134. war, ging er auf der schmalen Straße gen Osten, vorbei an großen, mehrstöckigen Häusern, auf deren Vorhöfen inmitten penibel gepflegter Grünflächen Masten mit flatternden US-Flaggen an den Spitzen standen. An einem der Wohngebäude verharrte ein Mann, der vermutlich in seinen Fünfzigern war, neben einem schwarzen Pickup und beobachtete ihn sichtlich beunruhigt. Rooster verspürte den Drang, ihm mit dem .357er ins Gesicht zu schießen und sein Auto zu nehmen, ging aber stattdessen weiter. Er bog rechts in die Langston Road ein, die ihn bergab durch eine Siedlung ins Zentrum von Renton führte.

      Am Fuß des Hügels befand sich die normalerweise stark befahrene Kreuzung von Sunset und Hardie, auf der nun trotz morgendlicher Stoßzeit kein Verkehr aufkam – ein gespenstisches Bild. Rechter Hand standen ein Kiosk, geschlossen mit verrammelten Fenstern, und ein Gebrauchtwarenhandel, dessen Scheiben ebenfalls vernagelt waren. Viele der japanischen Kleinwagen auf dem Vorplatz zeigten hässliche Beulen, und Glassplitter sowohl von Scheinwerfern als auch Windschutzscheiben lagen wie zerstoßenes Eis am Boden verstreut. Gegenüber der Kreuzung gab es eine Fred-Meyer-Filiale, eine Bank und ein Einkaufszentrum mit weitläufigem Parkplatz, der


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