Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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Fahrwasser. Der Hafen selbst wirkte alt und ungemütlich. Aber das war es nicht, was die Arwenacks störte. Unbehagen bereiteten vielmehr die beiden im innersten Teil des Hafens liegenden Schiffe, eine Galeone und eine Karavelle. Durchs Spektiv war zu erkennen, daß eine die spanische und die andere die portugiesische Flagge im Topp führten.

      „Wenn das keinen Ärger bedeutet“, murmelte der Seewolf, bevor er Alokeranjan den „heiligen Zahn Buddhas“ wieder aushändigte.

      Das Anlegemanöver nahm geraume Zeit in Anspruch. Inzwischen hatten viele der verfolgenden Schiffe schon vertäut. Am Kai strömten die ersten Singhalesen zusammen …

      ENDE

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       1.

      Kapitän Killigrew sah die Menschenmenge, hörte ihr aufgeregtes Lärmen und brauchte nicht lange darüber nachzudenken, was der Volksauflauf bedeutete. Sie waren wieder mal in einen Hafen gesegelt – und mitten hinein in die größten Schwierigkeiten.

      „O großer, sanftmütiger Buddha“, sagte Hasard und stieß einen langen Seufzer aus. „Warum bist du nicht zahnlos geblieben?“

      Er fügte einen langen, grimmigen Fluch hinzu, wie ihn die Fischer an Cornwalls Klippen gebrauchten, dann gab er sich einen Ruck. Die Arwenacks würden sich auch dieser Herausforderung stellen müssen.

      Die Nachricht, daß an Bord der Schebecke die heilige Reliquie, Buddhas Weisheitszahn vom Bo-Baum, nach Mannar zurückgebracht worden war, raste in Blitzeseile durch die Stadt. Von allen Seiten strömten Menschen herbei. Die Schebecke befand sich längst im Mittelpunkt einer wütenden und schreienden Menge.

      Die Seewölfe hatten den Ärger in Tuticorin oder Tuttukuddi, wie die Eingeborenen den Ort nannten, gut überstanden. Jetzt hatten sie glücklich Mannar erreicht, und der Hafen verwandelte sich in einen Hexenkessel.

      „Die schwarze Kali soll diesen dreimal verdammten Malindi holen!“ rief Don Juan de Alcazar. „Und ausgerechnet jetzt, während die Kerle schon ihre Prügel schwingen, fängt die Ebbe an, aus diesem verlausten Hafen abzulaufen.“

      Im innersten Teil des Hafens lagen zwei Schiffe, eine Galeone und eine Karavelle. Der erste Blick durch die Spektive hatte gezeigt, daß eine die spanische, die andere die portugiesische Flagge führte. Beide Schiffe boten der Schebecke die Breitseite. Noch waren die Stückpforten an Backbord geschlossen.

      Aber auch das, fürchtete Hasard, würde sich rasch ändern, wenn die Portugiesen und die Dons erfuhren, mit wem sie es hier zu tun hatten.

      „Was bedeutet“, sagte der Seewolf, „daß wir selbst hier, an dieser vergammelten Mole, trockenfallen werden.“

      „Ein Unglück kommt selten allein“, erklärte Don Juan düster.

      Die Insel Mannar, niedrig und von offenbar dichtem Waid bedeckt, breitete sich in Westostrichtung aus. Der Ort und der kleine Hafen befanden sich fast am östlichsten Ende. Von der Pamban-Insel bis zum westlichsten Punkt Mannars erstreckte sich, länger als fünfzehn Seemeilen, eine Barriere aus Sand und Felsen. Und zwischen der Küste der riesigen Insel Ceylon und dem Ort Mannar würde man in ein paar Stunden über Schlick und Sand zu Fuß hinüberwaten können.

      „Was geschieht jetzt? Wenn wir ablegen, gibt es ein Gemetzel“, sagte Ben Brighton.

      „Ich sehe noch nicht klar“, erwiderte Hasard.

      Die Seewölfe, die nach dem Anlegen das Schiff aufklarten, beobachteten die wütende Menge, die ihrerseits noch unentschlossen war, ebenso unentschlossen wie die Arwenacks. Trotz der schwülen Mittagshitze, hasteten die Inder, Singhalesen und Ceylonesen hin und her, gestikulierten und deuteten immer wieder zu der Schebecke. Aus den vielen Booten, von denen die Schebecke nach ihrem Auslaufen aus Tuticorin verfolgt worden war, enterten die Besatzungen an Land.

      Die Bohlen, Bretter und Bambusrohre des alten Stegs knarrten unter dem Gewicht der vielen Körper.

      „Das ist eine regelrechte Belagerung“, sagte der Profos.

      „Wenn jemand das falsche Wort sagt oder das Falsche tut“, warnte der Seewolf halblaut, „dann ist es wie ein Funke am Pulverfaß.“

      Noch befanden sich die „Hüter des heiligen Zahnes“ an Bord. Daß sie Dina über Bord geworfen und ihren schrecklichen Tod verschuldet hatten, rührte sie nicht, so schien es.

      Die Segel waren ins Gei gehängt worden, Festmacher hielten die Schebecke an den modrigen Baumstämmen. Der Bug des Schiffes zeigte hinaus in den Golf von Mannar, aber dieser Umstand würde auch keine schnelle Flucht ermöglichen.

      „Was schreien diese Rübenschweine?“ polterte der Profos und war ebenso ratlos wie der Rest der Crew.

      Hasard junior übersetzte: „Lauter schmeichelnde Bezeichnungen, Ed. Wir sind Mörder und Räuber.“

      „Und wir haben aus den Tempeln der Inder Gold und Schmucksteine gestohlen.“ Das hatte Philip junior aus den Rufen der Menge heraushören können.

      „Und wir haben uns gegen Buddha und die Religion versündigt“, sagte der andere Zwilling nach einer Weile.

      „Blödsinn“, knurrte Carberry und reckte angriffslustig das Kinn vor. „Die wissen genau, daß das nicht stimmt, diese Hohlköpfe.“

      Er erwartete keine Antwort und erhielt auch keine.

      Ohne daß es von den aufgeregten Eingeborenen oder den Seewölfen wahrgenommen wurde, öffnete sich auf der portugiesischen Karavelle eine Stückpforte. Dahinter bewegten sich Gestalten. Sie hantierten mit Ladewerkzeug und Pulverfäßchen.

      Bis auf zwei Abschnitte, an deren steilen Ufern sich altersschwache und ungepflegte Stege und nachlässig gemauerte, bemooste und algenüberwucherte Molen befanden, zeigten sämtliche Ufer, daß der Hafen Mannars weder groß noch, bedeutend war. Wohin die Arwenacks auch blickten, überall sahen sie angeschwemmtes Treibgut, trocknende Haufen aus Tang, Schlamm, Sand und Schlick.

      Eine Straße zog sich von den ersten Hütten und Häusern der Stadt in die Richtung auf die kleine Bucht und gabelte sich dort. Ein breiter Pfad führte dorthin, wo die Karavelle und die Galeone angelegt hatten, der andere endete vor dem Steg und den Pollern, an denen die Schebecke lag. Aus der Siedlung erschienen noch immer Inder oder Ceylonesen. Sie liefen dorthin, wo sich die größere Menge Menschen befand.

      „Unsere Gäste gehen von Bord, Sir“, sagte Ben Brighton säuerlich.

      „Hoffentlich für alle Zeiten“, gab Hasard ebenso wütend zurück.

      Die Inder, an ihrer Spitze der schmächtige Alokeranjan, kletterten flink über das Schanzkleid auf den Steg. Bisher hatten sie mit den Leuten an Land gesprochen, in einem Dialekt, den niemand verstand. Aber es gehörte nicht viel Sprachkenntnis dazu, herauszufinden, über was sie schnatterten und schrien. Augenblicklich scharten sich um die Passagiere ganze Trauben von Singhalesen.

      Hasard wandte sich an Ben.

      „Wir müssen darauf gefaßt sein, daß sie über uns herfallen“, sagte er zwischen halb geschlossenen Lippen. „Schicke unsere Leute unter Deck. Sie sollen sich bewaffnen. Aber ohne Aufregung.“

      Ben nickte. Er war erleichtert und hatte längst seine Pistole hinter den Gürtel gesteckt. Er enterte auf die Kuhl ab und sprach leise mit Higgy, Sven Nyberg und Batuti.

      Die drei nickten ebenfalls und versuchten, möglichst unauffällig den Befehl weiterzugeben.

      Don Juan de Alcazar und Hasard standen auf dem Grätingsdeck. Von dieser Stelle gab es den besten Überblick und den größten Abstand zu der Menschenmenge. Etwa zweihundert Frauen und Männer hatten sich mittlerweile versammelt, und es wurden immer mehr. Unter ihren nackten Füßen wirbelten Staubwolken auf und trieben träge auf die Schebecke zu.

      „Ich würde nicht eine Sekunde lang


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