Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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      Seine Leute hoben die Feuerrohre und spannten die Schlösser.

      „Diesem Umstand verdanken Sie Ihr Leben, Señor“, antwortete Hasard. Noch bevor der andere etwas erwidern konnte, ertönte ein vielstimmiges Heulen und Geschrei.

      Die Ceylonesen griffen wieder an.

      Das Deck, der Steg, die offenen Boote entlang der Backbordseite und alle anderen Teile der Fläche verwandelten sich wieder in einen kochenden Hexenkessel. Niemand war mehr in der Lage, zwischen Angreifern und Verteidigern zu unterscheiden. Die Entschlossenheit der Eingeborenen, sich des Goldschatzes zu bemächtigen, war größer als Angst oder Todesfurcht.

      Ob es hundert oder hundertfünfzig Männer waren, die auf die Schebecke sprangen und auf die Seewölfe eindrangen, wußte niemand zu sagen. Aber es war wie eine braune Brandungswoge, die alles zu überschwemmen drohte.

      Kreischend flohen die wenigen Frauen aus dem Getümmel und bildeten auf der staubigen Straße kleine Gruppen.

      Noch beteiligten sich Spanier und Portugiesen nicht an der Auseinandersetzung.

      Hasard sah ein, daß die Arwenacks so gut wie verloren hatten. Sie konnten nur noch versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

      Die Fläche des trockengefallenen Grundes vergrößerte sich mit jedem Atemzug. An Flucht war nicht im entferntesten zu denken.

      Als erster verschwand Big Old Shane unter einem Haufen brauner Körper.

      „Helft ihm!“ schrie Old Donegal, hob seine Prothese und zerrte an dem Bändsel seines Schießgerätes.

      An Backbord kletterten, geschickt wie die Affen, die Leute aus den Booten plötzlich über die Rüsten an Deck, und jetzt mußten die Seewölfe versuchen, sich nach Steuerbord und Backbord gleichzeitig zu wehren und zu verteidigen.

      Das Chaos war vollkommen. Das Durcheinander konnte nicht mehr überboten werden. Es war kein Kampf mehr, sondern ein einziges Gedränge und Geschiebe, und selbst die Teilnehmer schlimmster Kämpfe von Deck zu Deck konnten sich nicht erinnern, jemals in einer solch qualvollen Enge, in einem derart unüberschaubaren Gedränge gekämpft zu haben.

      Aber jeder begriff, daß es den Ceylonesen und ihren fanatischen Helfern von der anderen Küste nicht darum ging, die Fremden totzuschlagen oder zu erdolchen, sondern darum, endlich zu den vermuteten Schätzen im Rumpf des Schiffes zu gelangen.

      Die Dons und Portugiesen beschränkten sich darauf, die Mündungen ihrer Feuerwaffen auf die Schebecke zu richten und zu warten, bis sie selbst angegriffen wurden. Sie hofften es, denn dann würden sie die Hähne durchziehen.

      Der Alptraum ging weiter.

      Matt Davies, der sich mit der linken Hand an einem Fall festhielt, rammte den Haken seiner Kunsthand in den Magen eines Inders, der ihn ansprang. Mit einem würgenden Schrei sackte der Mann zusammen. Matt fing ihn ab, drehte sich halb herum und kippte den zappelnden Burschen über das Backbordschanzkleid. Der Körper klatschte zwischen zwei Booten ins Wasser. Matt wirbelte herum und suchte den nächsten Gegner.

      Ein halbnackter Inder, das Messer zwischen den Zähnen, stürzte sich aus den Wanten auf Bob Grey. Matt Davies sprang zwischen zwei kämpfenden Gruppen hindurch und packte den Kerl noch in der Luft am Bein. Der Inder verfehlte sein Ziel, glitt von der Schulter Bobs ab und krachte mit dem Kopf gegen das Dollbord des Beibootes.

      „Der wird mich nicht mehr ärgern“, bemerkte Matt, drehte den Haken der Prothese in den Stoffgürtel des Inders und zerrte ihn von den Decksplanken hoch.

      „Viel Fett hast du auch nicht auf den Rippen“, brummte Matt und schleppte den Besinnungslosen zum Schanzkleid. Hasard junior tauchte neben ihm aus dem Gedränge auf, packte mit an und beförderte den Körper außenbords.

      Als sie sich wieder herumdrehten, sahen sie, daß es einigen Singhalesen gelungen war, die Niedergänge zu erreichen und durchs Luk abzuentern. Ihre Köpfe verschwanden gerade hinter dem Süll.

      „Verdammt!“ rief Hasard junior.

      Matt Davies hob ratlos die Schultern und sagte: „Die wollen uns ausrauben, das ist es.“

      „Und wir werden es nicht verhindern können“, erwiderte Hasard junior und bahnte sich, sein Rundholz schwingend, einen Weg durch die ineinander verkeilten Gruppen der Kämpfenden.

      Higgy und Sven Nyberg kämpften gegen eine Übermacht von braunen Körpern auf der Back. Auf den Planken lagen zerbrochene Messer, zersplitterte Knüppel und Keulen.

      Die Frauen, die sich in der aufgeregten Menge befunden hatten, waren kreischend auf die kümmerliche Wiese gerannt, standen jetzt da, rührten sich nicht und sahen zu, wie sich die Männer mit den Leuten vom Schiff prügelten.

      Ein paar magere Ziegen weideten zwischen ihnen und ließen sich nicht im geringsten stören.

      „Die Affenärsche sind im Schiff!“ brüllte Carberry von der Kuhl in die Richtung Hasards.

      „Dann treibt sie wieder an Deck zurück!“ schrie der Seewolf zurück und schlug mit der flachen Klinge einem Angreifer den Knüppel aus den Fingern.

      „Sie haben wahrscheinlich das geraubte Gold gefunden, Señor!“ rief ein Spanier vom Ende des Steges zum Achterdeck hinauf.

      „Der erste Schuß aus der Drehbasse trifft Sie und Ihre Leute, Señor“, entgegnete Hasard bissig. „Daran sollten Sie denken.“

      „Wir denken an den Schutz der Insulaner, die uns vertrauen“, sagte der Spanier mit kalter Überheblichkeit.

      Eine weitere Gruppe halbnackter Gestalten verschwand unter Deck. Wilde Schreie ertönten. Das Geschrei konnte nur bedeuten, daß sie tatsächlich etwas gefunden hatten, womöglich sogar eine Kiste mit Teilen des kostbaren Metalls.

      Der Schrei setzte sich an Land fort. Auch die Portugiesen und Spanier wurden von der Erregung gepackt und verteilten sich entlang des Steges.

      Hasard ließ die Schultern sinken und blickte Don Juan schweigend in die Augen.

      Einige der Inder, die eben noch auf die wild um sich schlagenden Seewölfe eingedrungen waren, warfen sich herum und folgten ihren Anführern. Sie behinderten sich gegenseitig, stolperten und fielen über die Stufen der Niedergänge. Aus dem Schiffsinneren drangen immer lautere Geräusche. Die Ceylonesen rissen in den Laderäumen die Kisten und Truhen aus den Verzurrungen.

      „Sie haben das Gold gefunden!“ rief ein Portugiese und zielte auf Hasard. „Und gleich werden wir es auch sehen.“

      „Selbst wenn Sie es haben“, sagte Hasard leise, „werden Sie damit wenig Glück kaufen können. Der Eigentümer ist mächtiger als ich und Sie zusammen.“

      Die Antwort war nur ein lautes Gelächter der Bewaffneten.

      Jung Hasard packte seinen Bruder am Arm und zog ihn zum Schanzkleid.

      „Weißt du, was jetzt passiert?“ fragte er leise.

      Die Seewölfe hatten zu kämpfen aufgehört und schauten fluchend zum Achterdeck. Dort hatte sich Hasard entschlossen, nichts zu unternehmen. Noch nicht, sagte er sich.

      „Ja, ich weiß, was du meinst“, erwiderte Philip junior ebenso leise und winkte den Moses Clint zu sich heran. „Sie werden die gesamte Goldladung an Land schleppen.“

      „Elf Tonnen“, stöhnte sein Bruder. „Wir verschwinden jetzt, Brüderlein. Und wenn wir nur nachschauen, wo sie das Gold hinschleppen.“

      „Das muß schnell gehen. Los, Clint – hierher!“

      Der Moses verstand nicht, was sie vorhatten, aber er drückte sich zwischen ihnen ans Schanzkleid.

      „Was habt ihr vor?“ flüsterte er.

      „Abhauen. Niemand darf uns sehen. Hier, ins Wasser. Zwischen den Booten. Und dort warten wir, bis wir uns verdrücken können.“

      Philip junior fing einen Blick seines Vaters auf. Er verständigte sich mit ihm durch ein


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