Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


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an vielen Stellen von den langen Kotspuren der Vögel weiß verätzt, verströmten einen stechenden Geruch, der in den Nasen biß.

      Clint richtete seine grauen Augen auf die Reihe der Inder, die sich – wie ein Zug fleißiger Ameisen – von der Schebecke über den Steg, den breiten Pfad, hinüber zu den beiden Schiffen und hinauf zur Siedlung bewegten.

      Schätzungsweise fünfzig Leute. Einige schleppten kleinere Kisten und Ballen auf den Schultern, andere trugen größere Teile der Goldladung zu zweien. Die Anzahl der Portugiesen und Spanier mit Pistolen und Musketen war angewachsen. Mindestens ein Dutzend standen auch an Deck der Schebecke.

      „Schaut genau hin“, sagte er halblaut und zappelte vor Aufregung. „Sie schaffen alles weg.“

      Hasard junior legte Clint den Arm um die Schultern und versuchte ihn zu beruhigen.

      „Schlimm wird’s nur, wenn sie die Kisten aufbrechen und den Inhalt auseinanderreißen und verteilen.“

      „Die Dons und Portus“, meinte Philip, „werden die Kisten in die Kapitänskammern schaffen, Beute, verstehst du? Wird im Logbuch vermerkt. Da bleibt das Silber zusammengepackt.“

      „Und das Gold auch“, sagte Hasard.

      Zahllose Fliegen summten zwischen den Mauern. Ihre Körper glänzten wie seltenes Metall oder winzige Edelsteine, als sie zwischen dem Schatten der Blätter durch die fast senkrechten Sonnenstrahlen summten und zuckten. An den Stämmen und den Mauern hingen Geckos und schnellten, so schnell, daß die Bewegungen unsichtbar waren, ihre Zungen nach den Fliegen. Hoch über dem Tempel schrien ein paar Möwen.

      In einer Nische, deren Wand sorgfältig verputzt und frisch gekalkt war, thronte auf einem schwarzen Steinsockel die Schwarze Kali, die Göttin mit den vielen Armen. Es war eine fünf Fuß große Statue, aus Holz geschnitzt und lackiert.

      Sie blickte mit lüsternem, aber keineswegs heiterem Gesichtsausdruck in die Ferne, über Mannar hinweg und in Richtung auf Ceylon und schien ebenso alles zu sehen wie die drei Seewölfe, die schweigend versuchten, die Vorgänge richtig zu deuten.

      „Also, Freunde“, fing Jung Hasard nach einer Weile an, „ich weiß nicht, ob ich recht habe. Aber auch Dan ist der gleichen Meinung. Es gibt bestimmt ein paar von den Leuten, die an den Zahn glauben, Buddha verehren und auch diesem Schuft Malindi glauben. Also sind sie überzeugt, daß wir tatsächlich Gold aus Tempeln gestohlen haben. Was werden sie also tun?“

      „Wenn sie wirklich die Götter verehren“, Clint warf einen langen Blick auf die Göttin, an deren Armen Blütenkränze verdorrten, „bringen sie das Gold zu den Tempeln zurück. Vielleicht nicht zu allen, denn sie wissen ja nicht, wo wir das Zeug angeblich geklaut haben.“

      Hasard junior zog sein Messer und fing an, es an der Kante des Felsblockes zu schleifen.

      „Genau das meine ich“, sagte er zufrieden. „Auch in diesem Fall brauchen wir das Geld praktisch nur noch einzusammeln.“

      Sein Bruder kratzte sich an der Tätowierung auf der Schulter und stieß ein verächtliches Gelächter aus.

      „Das stellst du dir wohl so vor wie Muschelsammeln am Strand, wie?“ fragte er.

      Hasard schüttelte den Kopf. „Nein. Bestimmt nicht. Ich sage nur laut, was ich denke.“

      „Was wir alle hoffen“, schloß Clint und fuhr mit allen Fingern durch sein blondes Haar, das wieder in wilden Wirbeln vom Kopf abstand. Salzkristalle fielen in seine Brauen, und er mußte blinzeln.

      „Abwarten. Sie fangen gerade damit an“, sagte Philip.

      Wieder richteten sie ihre Blicke auf die Vorgänge am Hafen. Hin und wieder versuchten sie, mehr Einzelheiten im Osten zu erkennen, drüben, am Rand der großen Insel Ceylon. Aber sie konnten nur die breite Fläche des Ebbestreifens und die breiten Kanäle sehen, die bei Flut das Fahrwasser zwischen Mannar-Insel und den jenseitigen Ufern bildeten. Erst nach Einbruch der Dunkelheit würde die Flut wieder aufgelaufen sein und ein wenig später ihren höchsten Stand erreicht haben.

      Ein tückisches, gefährliches Seegebiet. Noch gefährlicher als das kaum überwindliche Stück zwischen der Pamban-Insel und Mannar. Aber diese Schwierigkeiten hatte nicht nur die Crew der Schebecke, sondern jedes einzelne Schiff bis hinunter zu größeren Ruderbooten. Soviel immerhin hatte Dan von den Fischern und den religiösen Fanatikern erfahren können.

      Etwa eine Stunde später hatte sich aus dem Zug der Goldräuber eine Gruppe abgesondert.

      Es waren etwa zwei Dutzend. So genau konnten die drei Beobachter im Tempel die Gestalten unterscheiden und zählen. Etwa ein halbes Dutzend kleinere Ballen und Kisten hatten sie im Sand des Pfades abgestellt. Sie schienen miteinander zu beraten.

      Philip junior versuchte, seine Ungeduld zu unterdrücken. Er hatte die eine oder andere verrückte Vermutung, aber er beherrschte sich und beobachtete weiter.

      Als er es vor Spannung nicht mehr aushielt, stand er auf und erklärte: „Ich sehe mich hier mal um. Es kann sein, daß wir uns lange verstecken müssen. Ihr bleibt hier, ja?“

      „Wir rühren uns nicht vom Fleck“, entgegnete Hasard.

      Die lastende, feuchtheiße Hitze des späten Mittags lag über der Landschaft und schien alle Bewegungen zu lähmen. Der Seewind raschelte mit den Blättern und brachte den salzig-modrigen Geruch mit. Alle Geräusche, die aus der Siedlung und dem Hafen bis hierher drangen, waren gedämpft und unwirklich.

      Das Zirpen und Sirren der Zikaden wurde in kurzen Abständen ohrenbetäubend laut. Ein Affe warf eine angebissene Frucht nach den Eindringlingen und schnatterte, bevor er sich wieder in einen anderen Baum flüchtete. Die Zeit schien viel langsamer als sonst zu vergehen, aber auch der Umstand, daß es nichts zu tun gab, daß sich Hunger und Durst meldeten, ließ die Jungen unruhig werden.

      Aber sie zwangen sich dazu, ruhig zu warten. Zuviel stand auf dem Spiel. Sie hatten den besten Platz, und hoffentlich vermißte sie niemand. Dad wußte, daß sie geflüchtet waren, aber nicht, wie sie sich versteckten.

      Philips Schritte vermischten sich mit den wenigen Geräuschen rund um den Tempel der blutigen Kali.

      Die Seitenlänge des Gemäuers betrug ungefähr fünfzehn Yards. Der Tempel samt den Baumriesen war ohne jeden Zweifel uralt. Vor vielen Jahren war er prächtig und farbenfroh herausgeputzt worden. Philip setzte vorsichtig Schritt vor Schritt und blieb immer wieder stehen, um zu sichern und mehr Einzelheiten zu erkennen.

      Einst gab es einen drei Fuß hohen Fries aus schwarzem Gestein, der sich vermutlich um alle Außenmauern herumgezogen hatte. Jetzt fehlten große Stücke daraus, aber auf dem moosüberwucherten, von Nebenwurzeln auseinandergesprengten Rest tummelten sich menschliche Gestalten und Fabelwesen.

      Ein elefantenköpfiger Götze streckte seine Gliedmaßen nach langbeinigen und vollbrüstigen Frauen aus, die zu tanzen schienen oder Musikinstrumente in den Händen hielten. Es war so vieles vom salzigen Wind abgenagt und überwuchert, daß man eine gehörige Portion Phantasie brauchte, um sich die Szenen richtig vorzustellen.

      „Die Schwarze Kali“, murmelte Philip, als er über ausgebleichte Knochen stolperte, die unter seinen Sohlen zersplitterten, „sie scheint Hunger gehabt zu haben.“

      Er duckte sich unter einem Vorhang aus Lianen, deren Schlingen den Baumstamm zu erwürgen drohten. Die Knochen, die zwischen den Wurzeln lagen, schienen nicht von Menschen zu stammen. Philip tastete sich an der Mauer entlang und betrat durch einen halb zusammengebrochenen Bogen einen Seitenraum des Tempels.

      Die Steinplatten des Bodens, uralt und tief ausgetreten, wirkten überraschend sauber. Vor kurzer Zeit war der Tempel besucht worden, auch die Blumenkränze der Kali-Statue bewiesen, daß die blutige Göttin ständig verehrt wurde. Dieser Raum war kürzlich ausgefegt und gereinigt worden.

      Das scheinen Leute zu sein, die nicht nur an Buddha glauben, dachte Philip und musterte die leeren Nischen und die abblätternde Farbe an den Wänden. Der Raum strahlte eine düstere, gefährliche Stimmung aus, als ob die vielarmige Göttin in ihrem Zorn den Besuchern


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