Seewölfe Paket 35. Fred McMason

Seewölfe Paket 35 - Fred McMason


Скачать книгу
Ich wünschte, sie würden diese Betrüger damit verjagen.“

      „Buddhas Gnade ist groß. Vielleicht ändern sich bald die Umstände“, meinte Arun unterwürfig.

      Vielleicht hat er sogar recht, sagte sich der Handelsherr. Er merkte, daß er einzelne Haare aus seinem Bart rupfte, und hörte auf, mit den Fingern unter dem Kinn herumzuzerren.

      Natürlich hatten die Diener, kaum daß das fremde Schiff und die vielen kleinen Boote im Hafen erschienen waren, alle Gerüchte gehört und im Haus verbreitet. Chand hatte ihnen verboten, sich um die Fremden zu kümmern. Wahrscheinlich verfluchten sie ihn deshalb, aber das alles ging weder sie noch die Frauen etwas an. Wenn jemand, vielleicht, damit etwas zu tun hatte, dann war er es, der wichtigste Handelsherr dieser unbedeutenden Siedlung.

      „Abwarten“, sagte er. „Was wir sehen, ist erst der Anfang.“

      „Ja, Herr“, erwiderte der Schreiber. „Die Götter werden entscheiden, was im Hafen wirklich geschieht.“

      „Nichts anderes. In den sieben Stunden bis zur Nacht, in der Nacht selbst und am nächsten Tag kann vieles geschehen. Buddha weiß es.“

      „Nur wer seinen Lehren gehorcht, wird glücklich sterben“, sagte der Schreiber. Er wirkte wie das Echo seines Herrn.

      „Noch ist dort unten niemand gestorben“, murmelte Chand und stützte sich schwer auf die gemauerte Brüstung des Daches.

      Der heilige Zahn Buddhas, dachte er. In seinem Leben hatte er – inzwischen wußte er es genau – etwa zwei Dutzend Betrüger und Betrügerinnen kennengelernt, die das Volk mit Reliquien beglückt hatten: es gab da so erstaunliche Dinge wie Kalis elften Arm, Buddhas Locke, seine Zehennägel oder den Rubin aus seinem heiligen Nabel. Es gab die Schalen des gewaltigen Eies vom Vogel Rock und falsches Gold, unechtes Silber, angeblich heilige Schriften und ähnlich bizarre Gegenstände.

      Jeder davon diente nur einem Zweck: Die Betrüger waren scharf auf die Spenden der gläubigen, einfachen Menschen. Sie ließen sich von ihnen einkleiden, aßen an deren Feuern, zählten die Münzen und verbreiteten fabelhafte, phantasiereiche Geschichten. Meist verschwanden sie, wenn sie die Gläubigen ausgeplündert hatten, auf Nimmerwiedersehen. Hin und wieder konnte man ihnen Betrug nachweisen, und die Menge steinigte, erdrosselte oder zerstückelte sie.

      Jetzt ging es um Buddhas Zahn.

      Und, so bemerkte der Handelsherr voller Grimm zu sich selbst, um das angeblich geraubte Silber und Gold aus vielen Tempeln.

      „Die Wahrheit ist böse“, sagte er schließlich.

      Arun griff diesen Spruch prompt auf und vollendete: „Und sie hat es schwer, sich durchzusetzen. Deswegen gelangt Wahrheit auch lange nicht an das Licht der Sonne.“

      „Wahr gesprochen“, sagte Chand und beobachtete weiterhin das seltsame aufgeregte Treiben. Die Menschen waren, von der begrünten Terrasse aus gesehen, so klein wie Käfer, und die Schiffe nicht größer als Bananenschalen oder Kokosnußhälften.

      Aber das Geschrei hörte er bis hier herauf.

      Zwischen dem äußersten Ende des indischen Halbkontinents, von der Pamban-Insel ausgehend und in einem sanften Bogen nach Osten weisend, erstreckte sich jene Barriere aus Sand, Schlick und Fels, rund fünfzehn Meilen lang, an einigen Stellen bis zu zwei Seemeilen tief. Sie berührte am östlichen Ende die Mannar-Insel, und die Passagen waren selbst von Fischern gefürchtet.

      Entlang der Mannar-Jnsel, im Bilden, hatten die Arwenacks herrliche Strände gesehen, weißer und gelber Sand, fein und sauber wie in der Karibik, und auch die Palmen dahinter und die Lagunen sahen nicht anders aus. Fast jeder dieser Strände war einsam gewesen, leer und verlockend. Jetzt, nachdem sie die Brandung hinter sich gelassen und das schwierige Fahrwasser überwunden hatten, lagen sie in diesem unbedeutenden Hafen fest, der sich als tödliche gefährliche Falle entpuppte.

      In diesen Sekunden dachte fast jeder Arwenack nur eines: verdammtes Indien! Verdammtes Ceylon! Verdammter Buddha-Backenzahn!

      Und jeder Seewolf verfluchte Malindi.

      Bevor sich die Lage drastisch änderte, versetzte Edwin Carberry dem Eingeborenen, der einen Dolch schwang, noch eine milde Abart des Profoshammers. Die Sonderausführung hätte dem schmächtigen Rübenschwein den Kopf abgerissen. Der Störenfried wurde schräg in die Höhe gehoben, berührte mit dem Hintern die Oberkante des Schanzkleides und landete auf einem schreienden Kerl, der wie ein fanatischer Asket aussah und Streifen aus weißer Farbe quer über der Brust trug.

      Beide gingen auf den Planken des Steges zu Boden, rutschten ein paar Fuß weit und jagten sich lange Holzsplitter unter die Haut, Brüllend stürzte der hagere Asket auf der anderen Seite ins flache Wasser.

      Dann wandte auch der Profos seine düsteren Blicke in die Richtung der Bewaffneten.

      Kapitän Killigrew sah, daß wenigstens vorübergehend der Platz um ihn herum auf dem Grätingsdeck frei von Angreifern war, jedenfalls von solchen, die sich noch bewegten und gefährlich werden konnten.

      Er faßte einen Mann, der wie ein Offizier oder Bootsmann aussah, ins Auge und schrie: „Was mischen Sie sich ein? Wollen Sie uns helfen? Und zielen Sie mit ihren verrosteten Schießprügeln gefälligst nicht auf mich!“

      Die Portugiesen und Spanier – wer Angehöriger welcher Nation war, ließ sich von hier aus nicht unterscheiden – grinsten und bewegten die Feuerrohre nicht um eine Fingerbreite.

      „Und was suchen Sie in unserem Hafen?“ brüllte der Anführer zurück. Er sprach ein verständliches Spanisch, das sich im Verkehr mit den Singhalesen, Indern und Ceylonesen reichlich abgenutzt hatte.

      „Nichts, gar nichts. Wir wollen nur wieder ablegen. So schnell wie möglich. Und mit Ihnen wollen wir keinen Ärger“, entgegnete der Seewolf.

      Kaltschnäuzig erklärte der Mann: „Die spanische Krone hat die Aufgabe übernommen, die Eingeborenen an den Küsten und im Landesinneren derjenigen Länder, die wir beherrschen, vor fremder Willkür zu schützen.“

      „Fremde Willkür?“ rief Don Juan und bückte sich, um seinen Degen aus dem Holz der Planken zu ziehen. „Sie reden gestochen schönen Unsinn, Señor!“

      „Und wer wirft mir eigentlich Willkür vor? Wir werden überfallen, nicht die Mannar-Leute von uns. Oder hat sich in der tropischen Sonne Ihr Augenlicht getrübt, Señor?“ rief Hasard.

      „Keineswegs. Mein überaus scharfer Blick sagt mir, daß Ihre Verfolger recht haben. Sie sind derjenige, der die Schwarze Pest über das Land gebracht und im Schutz dieses grausamen Debakels die Tempel geplündert hat. Sie und Ihre gottlosen Männer.“

      Der Verdacht, daß die Dons und Portugiesen mit den verschlagenen Anführern der aufgebrachten Menge gemeinsam hinter der Ladung der Schebecke her waren, war also gerechtfertigt gewesen. Woher wußten sie von der Ladung des Ischwar Singh?

      „Lassen Sie uns mit den Eingeborenen selbst fertig werden“, sagte Hasard. Er begann einzusehen, daß er in der schlechteren Position war.

      „Sie sind es, der die armen, unbewaffneten Eingeborenen totschlagen läßt“, lautete die Antwort.

      Rede und Gegenrede waren sinnlos. Das erkannte jeder, der zuhörte und verstand. Auf den tiefer liegenden Decks sagten sich die klügeren Arwenacks, daß die Musketen- und Pistolenträger sicher nicht auf die Hindus feuern würden. In diesem Fall würde ihre Lage in Mannar auch nicht länger beneidenswert sein.

      Hasard blieb einen Moment unschlüssig. Ein Yard neben ihm stand eine feuerbereite Drehbasse mit gehackter Ladung am Schanzkleid, und ihre Mündung zeigte genau auf die Spanier. An Deck befand sich eine Pütz, in der die Lunte am Stab glomm.

      Die hochfahrende Frechheit der Antwort verschlug den Seewölfen die Sprache. Aber nur kurz. Hasard trat zwei Schritte nach rechts und legte seine Hand auf die Drehbasse.

      „Vielleicht bringe ich ein paar meiner Crew um“, sagte er in einem Tonfall, der jeden gewarnt hätte, der ihn kannte. „Aber wenn diese Drehbasse losgeht,


Скачать книгу