Lache Bajazzo. Artur Hermann Landsberger
schon zu spät ist.“
„Noch eins!“ sagte die Frau Geheimrat, „und zwar was sehr Wichtiges. Wenn Sie mit Carl heut abend bei uns sind, darf kein Mensch merken, dass ihr zusammengehört.“
Agnes stutzte und sah sie an, als wenn sie überlegte, wer von ihnen beiden nicht ganz bei Sinnen war.
„Wie? Was?“ fragte sie und suchte sich das Gespräch der letzten Minuten ins Gedächtnis zu rufen: Meine Position beruht auf meinem Verhältnis zu Carl; endet das, so ist sie erschüttert. Also – was sagte die Frau Geheimrat doch eben? Kein Mensch darf merken, dass ihr zusammengehört! „Brrrr!“ sagte sie und schlug sich mit der Faust vor die Stirn.
„Natürlich! natürlich!“ rief die Alte. „Im übrigen: es weiss ja so ein jeder.“
„Na, dann schadt’s doch gewiss nichts!“
„Kind! Kind! Sie lernen es nie!“
„Das scheint mir auch,“ sagte Agnes.
„Und ich prophezeie Ihnen: wenn Sie noch so hoch steigen und das nicht lernen, dann kommt eines Tages die grosse Katastrophe.“
Der Geheimrat trat ins Zimmer.
Agnes lehnte sich, obschon sie mit ihren Gedanken wo anders schien und sich ihr alles im Kopfe drehte, in den Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.
Der Geheimrat begrüsste sie und setzte sich ihr gegenüber.
„Dann bleibt mir am Ende nichts anderes übrig, als ihn zu heiraten,“ sagte Agnes und verzog den Mund.
„Wenn Sie das fertig brächten!“ sagte die Frau Geheimrat strahlend. „Hören Sie, das wäre das grosse Los!“
„Und eine grosse Last,“ erwiderte Agnes. „Wenn ich denke, immer um ihn – und immer dasselbe – und dann, ich weiss kaum mehr: wie sieht er denn aus?“ Sie senkte den Kopf und dachte nach. „Grau! grau! grau! Das weiss ich bestimmt. Und dann so bombastisch! Wisst ihr, so feierlich! Aber das gewöhn’ ich ihm ab! Das ertrag ich nicht.“
Die Frau Geheimrat stand auf und trat vor sie hin.
„Vor allem, Agnes, versprechen Sie mir eins: reden Sie mit niemandem darüber, bevor die Verlobung perfekt ist. Glauben Sie mir, die Menschen sind zu schlecht. Man darf heutzutage niemand trauen. Das muss einschlagen wie eine Bombe! Und wissen Sie wo? Hier bei mir! Ich lade Sie ein wie immer. Ganz ahnungslos müssen alle sein, und dann – ich denke mir so zwischen dem eingeschobenen Gang und dem Geflügel – muss mein Mann aufstehen, ans Glas klopfen und die Verlobung verkünden. Das gibt eine Sensation; das war noch nicht da! – Nicht wahr, Leo?“ wandte sie sich an ihren Mann, der dasass und kein Auge von Agnes liess.
„Gewiss!“ erwiderte der Geheimrat und hob langsam den Kopf. „Nur gibt’s da noch ein kleines Hindernis zu überwinden.“
„Wieso?“ fragten beide.
„Nun, Carl Holten ist, so viel ich weiss, seit zwanzig Jahren verheiratet – und führt, wie man sagt, eine sehr glückliche Ehe.“
Da der Gesichtsausdruck beider Frauen unverändert blieb, so wusste man nicht, ob sie diesen, nach des Geheimrats Ansicht erschwerenden Umstand bereits kannten, oder eben zum ersten Male davon erfuhren.
„Dann, liebe Agnes,“ sagte die Alte, „erfordert die Durchführung Takt und Delikatesse, um die Moral auf unserer Seite zu haben.“
„Ich verlasse mich dabei ganz auf Sie,“ erwiderte Agnes.
Der Diener trat ein und meldete:
„Herr Doktor Carl Holten.“
„Allmächtiger!“ fuhr Agnes entsetzt auf, „daran habe ich ja ganz vergessen!“
„Sehr peinlich!“ sagte Frau Geheimrat.
„Ich sollte ihn ja um sechs Uhr von der Bahn abholen.“
„Das erscheint mir allerdings auch nicht als der Weg zur Ehe,“ sagte der Geheimrat und erhob sich.
„Und dabei wollte ich so zärtlich zu ihm sein!“
„Was macht man da?“ fragte die Alte ganz nervös und hielt sich die Stirn.
„Ich weiss schon!“ sagte Agnes und warf sich Carl, der ernst ins Zimmer trat, an den Hals:
„Mein Carli! Liebster! Ist das eine Ueberraschung!“
Carl sah fragend und erstaunt die Frau Geheimrat an.
„Gott sei Dank! Gut dass Sie da sind, lieber Holten!“ rief die. „Die Agnes hat uns mit ihrer Sehnsucht schon alle mit krank gemacht. – Komm Leo!“ Und sie nahm ihren Mann bei der Hand und ging mit ihm aus dem Zimmer.
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