Die Erde. Emile Zola
Ihr?“
„Aber nein, Jean Macquart.“
„Und Ihr seid nicht aus unserer Gegend?“
„Nein, ich bin Provenzale, aus Plassans, einer Stadt da unten.“
Sie hatte aufgeschaut, um ihn zu mustern, weil sie überrascht war, daß man von so weit her sein könne.
„Nach Solferino“, fuhr er fort, „bin ich dann vor achtzehn Monaten mit meiner Entlassung aus Italien zurückgekommen, und ein Kamerad hat mich hierher mitgenommen ... Da hat mir mein alter Beruf als Tischler nicht mehr gepaßt, allerlei Geschichten haben mich veranlaßt, auf dem Gehöft zu bleiben.“ „Ach“, machte sie bloß, ohne ihn aus ihren großen schwarzen Augen zu lassen.
Aber in diesem Augenblick stieß die Coliche ein gedehntes, vor Begierde verzweifeltes Brüllen aus; und ein heiseres Schnaufen kam aus dem Kuhstall, dessen Tür geschlossen war.
„Sieh mal einer an!“ rief Jean. „César, dieser Kerl hat sie gehört! – Horch, er macht sich da drin bemerkbar ... Oh, er versteht seine Sache, nicht eine kann man auf den Hof bringen, ohne daß er sie riecht, und er weiß, was man von ihm will ...“ Dann unterbrach er sich: „Hör mal, der Schweizer hat wohl bei Herrn Hourdequin bleiben müssen ... Wenn du willst, bring ich dir den Bullen. Wir würden’s gut machen, wir beide.“
„Ja, das ist eine Idee“, sagte Françoise und stand auf.
Er machte schon die Tür des Kuhstalls auf, als er noch fragte:
„Und deine Kuh, muß man die anbinden?“
„Coliche anbinden, nein, nein! Nicht nötig! Sie ist richtig aufgelegt, sie wird sich nicht mal rühren.“
Nachdem die Tür aufgemacht war, erblickte man in zwei Reihen, zu beiden Seiten des Mittelganges, die dreißig Kühe des Gehöftes; die einen lagen auf der Streu, die anderen zermalmten die Runkelrüben aus ihrem Trog; und einer der Bullen, ein schwarzer, weißgefleckter Holländer, streckte aus der Ecke, in der er sich befand, den Kopf vor, in Erwartung der Arbeit, die er zu verrichten hatte.
Sobald César losgebunden war, ging er langsam hinaus. Aber sofort blieb er stehen, gleichsam überrascht von der frischen Luft und dem hellen Tageslicht; und er verharrte eine Minute reglos, erstarrt, nervös den Schwanz schwenkend, den Hals geschwellt, das Maul vorgestreckt und witternd. Ohne sich zu rühren, wandte ihm die Coliche, heiser brüllend, ihre großen, starren Augen zu. Da ging er vor, preßte sich an sie und legte mit einem kurzen und derben Druck den Kopf auf ihre Kruppe; seine Zunge hing heraus, er schob den Schwanz beiseite, leckte bis zu den Schenkeln; sie ließ ihn gewähren und bewegte sich immer noch nicht, nur die Haut kräuselte sich unter einem Erschauern. Untätig und ernst standen Jean und Françoise dabei.
Und als César richtig aufgelegt war, bestieg er die Coliche mit einem jähen Sprung, mit einer gewaltigen Schwere, die den Erdboden erschütterte. Die Coliche hatte nicht gewankt, er umpreßte sie an den Flanken mit seinen beiden Vorderbeinen. Aber sie, ein Tier aus dem Cotentin und von großem Wuchs, war so hoch, so breit für ihn, der von weniger kräftiger Rasse war, daß er nicht zu Rande kam. Er fühlte es, wollte sich vergeblich wieder ermannen.
„Er ist zu lütt“, sagte Françoise.
„Ja, ein bißchen zu lütt“, sagte Jean. „Das macht nichts, er wird trotzdem reinkommen.“
Sie schüttelte den Kopf; und da César noch immer danebenstieß und sich abmühte, faßte sie einen Entschluß.
„Nein, man muß ihm helfen ... Wenn er schlecht reinkommt, geht’s verloren, behält sie nichts.“
Mit ruhiger und aufmerksamer Miene war sie vorgetreten, wie zu einer ernsten Verrichtung. Die Sorgfalt, die sie darauf verwandte, vertiefte das Schwarz ihrer Augen, öffnete leicht ihre roten Lippen in dem reglosen Gesicht. Sie mußte weit ausholen mit dem Arm, sie ergriff mit der ganzen Hand das Glied des Bullen, das sie wieder hochrichtete. Und als er fühlte, daß er am Rande war, raffte er all seine Kraft zusammen und drang mit einem einzigen Lendenstoß tief ein. Dann zog er wieder heraus. Es war getan: der Stoß mit dem Pflanzholz, das ein Samenkorn tief in die Erde drückt. Standfest und mit der empfindungslosen Fruchtbarkeit der Erde, die besät wird, hatte die Kuh ohne eine Bewegung diesen befruchtenden Strahl des Mannestiers empfangen. Sie hatte nicht einmal bei dem Stoß gezittert. Er war bereits zurückgesunken, wobei er von neuem den Erdboden erschütterte.
Françoise, die ihre Hand zurückgezogen hatte, verharrte mit dem Arm in der Luft. Schließlich nahm sie ihn herunter und sagte:
„Das ist geschafft.“
„Und ob!“ antwortete Jean mit einem Ausdruck der Überzeugung, in die sich Zufriedenheit mischte, die Zufriedenheit des guten Arbeiters mit der rasch und gut getanen Arbeit. Er dachte nicht daran, einen jener Späße loszulassen, mit denen die Knechte des Gehöfts mit den Mädchen ihren Ulk trieben, die solcherweise ihre Kühe herbrachten.
Dieses junge Ding schien so was dermaßen einfach und notwendig zu finden, daß es wirklich nichts darüber zu lachen gab, wenn man anständig war. Das war eben ganz natürlich.
Aber seit einem Augenblick hielt sich Jacqueline wiederum an der Tür auf; und mit einem kehligen Gurren, das ihr eigen war, warf sie lustig hin:
„He! Du hast die Hand überall! Dein Liebster findet sich wohl nicht allein zurecht mit dem Ende da!“
Jean brach in schallendes Lachen aus, und Françoise wurde plötzlich über und über rot. Um ihre Verlegenheit zu verbergen, durchwühlte sie – während César von allein in den Stall zurückging und die Coliche einen Fußbreit Hafer abgraste, der in der Mistgrube gewachsen war – verwirrt ihre Taschen, zog schließlich ihr Taschentuch heraus und knotete den Zipfel auf, in den sie die vierzig Sous Deckgeld eingebunden hatte.
„Da! Hier ist das Geld!“ sagte sie. „Schönen guten Abend!“ Sie brach auf mit ihrer Kuh, und Jean, der wieder sein Sätuch nahm, folgte ihr und sagte zu Jacqueline, daß er gemäß den Anordnungen, die Herr Hourdequin ihm für den Tag gegeben hatte, zum Feld Le Poteau gehe.
„Gut!“ antwortete sie. „Die Egge muß dort sein.“ Als der Bursche die kleine Bäuerin dann einholte und sie sich im Gänsemarsch auf dem schmalen Pfad entfernten, rief sie ihnen mit ihrer geilen Possenreißerstimme noch nach: „Keine Gefahr, wenn ihr euch zusammen verirrt, denn die Kleine findet sich schon zurecht.“
Hinter ihnen wurde das Gehöft wieder menschenleer. Keiner von beiden hatte dieses Mal gelacht. Sie schritten langsam dahin, allein das Geräusch ihrer gegen die Steine stoßenden Schuhe war um sie. Er sah von ihr nur den kindlichen Nacken, auf dem sich unterhalb der runden Haube schwarze Härchen kräuselten.
Nach einigen fünfzig Schritten endlich sagte Françoise bedächtig:
„Es ist nicht recht von ihr, die andern mit den Männern aufzuziehen. Ich hätte ihr antworten können ...“ Und sie drehte sich zu dem jungen Mann um und fragte ihn mit schelmischer Miene: „Nicht wahr, es stimmt doch, sie betrügt Herrn Hourdequin, ganz so, als ob sie schon seine Frau wäre ... Ihr wißt vielleicht was darüber, stimmt’s?“
Die Frage verwirrte ihn, er stellte sich dumm.
„Freilich! Sie macht, was ihr gefällt, das ist ihre Sache.“
Françoise hatte ihm den Rücken zugekehrt und sich wieder in Marsch gesetzt.
„Ja, das stimmt ... Ich mache Spaß, weil Ihr beinahe mein Vater sein könntet und das mit Euch keine Folgen nach sich zieht ... Aber seht mal, seit Geierkopf meiner Schwester diese Schweinerei angetan hat, habe ich mir fest geschworen, mir eher alle vier Glieder abzuhacken, als mir einen Liebsten zuzulegen.“
Jean schüttelte den Kopf, und sie redeten nicht mehr. Das kleine Feld Le Poteau lag am Ende des Pfades, auf halbem Wege nach Rognes. Als der Bursche dort war, blieb er stehen. Die Egge wartete auf ihn. Ein Sack Saatgetreide war in einer Furche abgeladen worden. Er füllte sein Sätuch und sagte dabei:
„Also, leb wohl!“
„Lebt