Elisabeth. Artur Hermann Landsberger

Elisabeth - Artur Hermann Landsberger


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sieht am vornehmsten aus,“ fiel ihm die Mutter ins Wort, „und ähnelt der Mutter am meisten. — Findest du nicht auch?“

      „Gewiß!“

      „Wenn ich nicht irre,“ fuhr die Alte fort, „so erzähltest du mir, daß sie auch die Ernsteste und Klügste sei.“

      Paul Schäfer schwieg.

      „Und welche ist deine Favoritin?“ fragte die Mutter.

      „Die Jüngste.“

      „Wie heißt sie?“

      „Lotte.“

      Die Alte schwieg. Nach einer Weile sagte sie halblaut vor sich hin:

      „Schade!“

      „Was ist schade?“ fragte Schäfer, und die Alte erwiderte:

      „Daß sie nicht Elisabeth heißt.“

      „Die ist nicht mehr frei,“ erwiderte Schäfer, „— und dann — sie ist Pazifistin.“

      „Das ließe sich doch ändern,“ meinte die Alte, die fühlte, daß er nicht freiwillig auf sie verzichtet hatte.

      „Was?“ fragte Schäfer und sah die Mutter an.

      „Ihr Pazifismus. — Aber“, fuhr sie fort und ließ den Sohn nicht aus den Augen — „das andere am Ende auch.“

      „Bei der nicht!“ sagte er lebhaft. „Die steht fest — fester als ich.“

      „Hm — dann freilich. — Aber vielleicht ginge es anders.“

      „Wie meinst du das?“ fragte er voller Interesse.

      „Daß nicht sie — sondern du — da sie doch fester steht. — Und am Ende brauchtest du auch nicht gleich Pazifist zu werden. Vielleicht genügt es, daß du deinen Chauvinismus und Antisemitismus ein bißchen dämpfst.“

      Paul Schäfer schüttelte den Kopf und sagte:

      „Wenn es damit getan wäre!“

      „Was ist der Mann, für den sie sich interessiert?“

      „Ein junger Chemiker. Einer der wenigen in Frankreich noch zurückgehaltenen Offiziere.“

      „Freilich, dagegen wird bei ihrem Charakter schwer anzugehen sein,“ meinte die Alte.

      Paul Schäfer gab sich einen Ruck. Er zog den steifen Rücken noch strammer, warf den Kopf zurück und sagte:

      „Man darf heutzutage nicht nur nach dem Gefühl gehen. Selbst nicht bei der Wahl seiner Frau. Es gibt Höheres! Und da ich bei Lotte die gleiche Gesinnung finde und zugleich die Mittel ...“

      „Paul!“ fiel ihm die Mutter ins Wort. „Seit wann denkst du materiell?“

      „Nicht für mich,“ erwiderte der. „Aber ich muß finanziell unabhängig sein, um ganz meinen politischen Idealen leben zu können.“

      „Erst mach mal dein Examen!“ sagte die Mutter und beschleunigte den Schritt.

      Im japanischen Salon der Villa Grothe saß inzwischen der Herr des Hauses, Generaldirektor Leopold Grothe, mit seinem Schwiegersohn, Iwan Schiff, vor einer Flasche altem Tokayer.

      „Na ja,“ sagte der Alte, „im Grunde hast du recht — du und ich, wir haben weder den Krieg noch den Frieden gemacht — warum also sollen wir leiden? — Aber wenn man bedenkt, um wieviel besser es uns heute geht als vor dem Kriege, dann muß man denen dankbar sein, die ihn gemacht haben.“

      „Was ich nicht begreife,“ erwiderte Iwan Schiff, „ist, daß man heute, nach fünf Jahren, noch immer vom Kriege redet. Es gibt doch bei Gott angenehmere Dinge, über die man sich unterhalten kann.“

      „Köstlich!“ rief der Alte. „Natürlich gibt es angenehmere Dinge. Zum Beispiel alten Tokayer und was dazugehört — Weiber!“

      „Pscht, Schwiegerpapachen!“ wehrte Iwan Schiff. „Das sind keine Klostergespräche.“

      „Richtig,“ erwiderte der und wischte sich den Mund ab. „Dies Haus ist ein Kloster.“

      „Deine Schuld! Bei mir geht’s lustiger zu. Obschon meine Frau, deine Tochter, aus deinem Kloster stammt.“

      „Edith hat nie in dem Maße unter dem Einfluß meiner Frau — oder besser: unter Elisabeths Einfluß gestanden. Denn in Wahrheit ist sie es, die in meinem Hause den Ton angibt.“

      „Elisabeth ist eine Heilige!“

      „Wenn auch nicht das. — Ich glaube sogar, daß sie, erst einmal geweckt, viel Temperament entwickeln wird.“

      „Ich habe mir alle Mühe gegeben,“ erwiderte Schiff — „und ehrlich um sie gerungen.“

      „Mit falschen Mitteln, mein Lieber! Tüchtigkeit, die sich in Zahlen ausdrückt, imponiert ihr nicht.“

      „Worin soll sich Tüchtigkeit anders ausdrücken als im Geldverdienen?“

      „In der Gesinnung — meint sie.“

      „Damit verdient man heutzutage nichts. — Im Gegenteil! Gesinnung hemmt.“

      „Richtig! Ich bin ganz deiner Meinung! Wenn ich mir unter dem Einfluß Elisabeths und meiner Frau auch eine gewisse Beschränkung aurerlege und mir manches Geschäft aus den Fingern gehen lasse.“

      Iwan Schiff lächelte verschmitzt und sagte:

      „Du meinst, es durch mich machen läßt, statt es selbst zu machen.“

      „Sei nicht so gründlich,“ erwiderte der Alte.

      „Ich verstehe! Hauptsache, es wird gemacht. Also, wie steht das Geschäft mit dem Franzosen?“

      „Schlecht. — Auf reellem Wege ist, fürchte ich, nichts zu machen.“

      „Damit habe ich auch keinen Augenblick gerechnet. Es muß völlig geheim bleiben. Sonst hetzt die Presse, wie immer, wenn ein wirtschaftlich bedeutendes Unternehmen an ein ausländisches Konsortium übergeht.“

      „Seit wann stört dich, was die Presse schreibt, wenn es etwas zu verdienen gibt?“ fragte der Alte. Und Schiff erwiderte:

      „Meiner Stellung an der Börse wegen.“

      Der Alte faßte seinen Schwiegersohn beim Arm und lachte laut.

      „Die Börse!“ rief er. „Dieser Klub der Selbstlosen, die vor lauter Patriotismus keinen Dollar auch nur anrühren, um die Mark zu stützen.“

      „Das stimmt. Aber irgendwie muß man den Schein wahren. Dollars kaufen, die Mark drücken und eine der wichtigsten Industrien an Frankreich ausliefern — um mir das leisten zu dürfen, dazu bin ich noch nicht einflußreich genug.“

      „Schön! Ich nehme es auf mich,“ erwiderte der Alte. „Aber die Schwierigkeit liegt woanders. Die Franzosen, die erst förmlich enthusiasmiert für das Geschäft waren, stellen sich plötzlich uninteressiert.“

      „Das habe ich erwartet,“ erwiderte Schiff.

      „Wieso?“ fragte der Alte erstaunt.

      „Nun, sie werden das natürliche Verfahren anwenden und direkt verhandeln.“

      „Mit wem?“

      „Mit den Angestellten, die Bescheid wissen und ihnen für ein paar Millionen das Herstellungsverfahren verraten.“

      „Prachtvoll!“ sagte der Alte wiehernd. „Und das nennst du ‚direkt verhandeln‘ und ‚natürliches Verfahren’?“

      „Ich glaube, daß du und ich im gegebenen Falle ebenso ...“

      „Pscht! Man erlaubt sich genug! Wozu also, wenn man sich mal nichts erlaubt, noch explizieren, daß man im gegebenen Fall auch so handeln würde. — Im übrigen aber fürchte ich, du hast recht.“

      „Was


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