Die Politik Jesu. John Howard Yoder

Die Politik Jesu - John Howard Yoder


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Fronten wieder aufgerichtet. Was dient dem Frieden: „Ohne Rüstung leben“ und also Abrüsten oder „den Frieden sichern“ und also Nachrüsten zwecks Abschreckung potenzieller Feinde? Unter den Bedingungen atomarer Weltvernichtung können die alten Traditionen des „gerechten Krieges“ oder der optimistische Pazifismus nichts mehr sagen. Keiner kann sicher sein, dass seine Entscheidung dem Frieden und nicht dem Krieg dient. Die Risiken sind auf beiden Seiten unübersehbar geworden. Darum wird von Theologen und Kirchen auch nicht eine bessere Kalkulation der Gefahren erwartet, als die Regierenden leisten können, sondern moralische Vollmacht und eine Hoffnung, die gewiss macht. Doch wo ist der Ansatzpunkt dafür?

      John Yoder fordert uns mit diesem Buch auf, in der Nachfolge Jesu zu handeln und im Horizont des anbrechenden Reiches Gottes zu urteilen. Auf diesem Weg erschließt sich die „Politik Jesu“. Die Nachfolge Jesu kann nur mit ganzer Seele, ganzem Herzen und allen Kräften angetreten werden. Sie ist ungeteilt und unteilbar. Die Nachfolge Jesu ist teure Gnade (Bonhoeffer): Sie schließt Verachtung, Verfolgung, Folter und Hinrichtung nicht aus, sondern ein. Wehrlosigkeit und Leidensbereitschaft gehören zusammen. Das haben die Täufer immer gewusst. Sie sind aber nur die Kehrseite des schöpferischen Lebens für den Frieden im Anbruch des Reiches Gottes. Das Nein zu Rüstung, Abschreckung und Kriegführung ist immer nur die Kehrseite eines größeren und umfassenderen Ja zum Leben. Christen aus allen kirchlichen, theologischen und politischen Lagern können von den Mennoniten lernen, was aktiver Friedensdienst in unserer Weltsituation heißt.

       Tübingen, 7. März 1981 Jürgen Moltmann

      Vorwort des Autors zur ersten Auflage

      Das Anliegen dieses Buches lässt sich nicht schnell und in wenigen Worten umschreiben. Auf der am wenigsten abgehobenen Ebene ist es die Antwort eines engagierten christlichen Pazifisten auf die Tatsache, dass die etablierte christliche Theologie nie um Auswege verlegen war, die sie an den pazifistischen Inhalten der Botschaft des Neuen Testaments vorbeiführten.

      Auf der abstrakteren Ebene stellt es eine Übung in fundamentaler philosophischer Hermeneutik dar. Es versucht die Einsichten über das biblische Weltbild, die unter der Bezeichnung „biblischer Realismus“ bekannt geworden sind, auf das Leben der christlichen Gemeinschaft anzuwenden. Seit den Pionierleistungen von Hendrik Kraemer, Otto Piper, Paul Minear, Markus Barth und Claude Tresmontant ist es nicht mehr unvorstellbar, dass in der biblischen Sicht der Realität Dimensionen enthalten sind, die sich nicht einfach in zeitgenössische Weltbilder einfügen lassen, sondern in kreativer Spannung zu der Kultur unserer und vielleicht jeder Zeit stehen. Das Hauptinteresse der Bewegung des „biblischen Realismus“ vor einer Generation richtete sich auf die Metaphysik und die Persönlichkeit Gottes. Daraus erwuchs die erneute Beschäftigung mit Ekklesiologie und Eschatologie, ohne die weder bestimmte ökumenische Entwicklungen noch das Entstehen der „Theologie der Hoffnung“ möglich gewesen wäre. Dieses Buch erarbeitet auf dem Gebiet der Ethik – als späte Frucht der biblisch realistischen Revolution – eine Sicht, in der gerade Ekklesiologie und Eschatologie neue Bedeutung für das Wesen der Ethik erhalten.

      Auf beiden Ebenen – der ethischen und der hermeneutischen – möchte dieses Werk Zeugnis davon ablegen, dass – über die Fragen theoretischer und formaler Natur hinaus – in Jesu Vision der göttlichen Ordnung genug konkretes und spezifisches Material enthalten ist, um die heutige Zeit anzusprechen. Und selten war eine Zeit so aufnahmebereit wie die unsere – vorausgesetzt, man befreit das Material von verfälschenden Vorurteilen.

      In den zehn Jahren seit der Verfassung dieses Textes in der amerikanischen Urform hat manche Kritik, manches Forschungsergebnis das Bild im Kleinen geändert; doch bleibt die Hauptthese nach wie vor vertretbar. Nur an wenigen Stellen wurde versucht, Neueres hinzuzufügen. Etliche rein amerikanische Anspielungen wurden fallen gelassen, einige neuere Literaturhinweise ergänzt.

      Die Vorbereitung des amerikanischen Textes wurde durch Unterstützung des Institute of Mennonite Studies und der Schowalter Foundation ermöglicht; viele Kollegen und Freunde haben durch ihren Rat und ihre Kritik mitgeholfen. Für die deutsche Fassung bin ich dem Übersetzer zu Dank verpflichtet. Für ihre Anregungen und ihre Kritik danke ich besonders Ruthild Foth, Julia Hildebrandt und Andrea Lange. Die Drucklegung wurde durch Unterstützung des Mennonite Central Committee (Peace Section), des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees, der Vereinigung der Deutschen Mennonitengemeinden und durch die Hilfe vieler Freunde ermöglicht.

      Vorwort des Autors zur zweiten Auflage

      Jedes Kapitel der ersten Auflage von 1972 war damals eine Zusammenfassung der allseits bekannten Forschung jener Zeit. Es war keine eigene neutestamentliche Forschung, sondern die Popularisierung vorhandener Erkenntnisse. In der Vorbereitung des Buches beobachtete ich einige Jahre die damals aktuellen Veröffentlichungen, doch nie habe ich behauptet, selbst professioneller Neutestamentler zu sein.

      Es liegt auf der Hand, dass ich das heute noch weniger bin als damals. Inzwischen gab es in jedem der angeschnittenen Themengebiete erhebliche neue Forschungen. Diese Themen erfuhren in den letzten Jahrzehnten weitere Aufmerksamkeit, nicht weil ich 1972 darüber geschrieben hatte, sondern weil mein Buch die damals lebendigen Fragestellungen der Forschung wiedergab.

      Es wäre daher unangemessen, im Rahmen eines doch kurzen Buches, den Text als solches umzuschreiben, um ein Vierteljahrhundert Forschung aufzuholen. Das Buch sollte nie ein Kompendium neutestamentlicher Forschung sein, sondern nur an einigen Beispielen eine Hauptthese unterstützen.

      Diese „Hauptthese“ gehört jedoch nicht ins Gebiet der Exegese, sondern der ethischen Methodenlehre. Sie hat noch nicht einmal mit dem Inhalt des ethischen Zeugnisses der neutestamentlichen Texte an sich zu tun, sondern mit der Frage, ob ihr Zeugnis „politisch“ ist.

      Dennoch fragen Leserinnen und Leser zu Recht, inwieweit die damals in der Synthese von 1972 zusammengefassten Einsichten von der weiteren Forschung unterstützt oder hinter sich gelassen wurden. Im Großen und Ganzen wurden sie „bestätigt“, doch nur eine Detailuntersuchung kann diese generelle Feststellung belegen. Für die vorliegende Revision der Politik Jesu bedeutet das, dass der Text selbst nur minimale Veränderungen erfährt, auf die meisten Kapitel jedoch ein kurzer aktualisierender Kommentar folgt. Darin versuche ich die Linien der weiteren Forschung herauszuarbeiten. In der Vorbereitung dieser Kommentare und anderen aktualisierenden Detailarbeiten wurde ich unterstützt von Kim Pfaffenroth.

      Zweierlei konnte und sollte ich in einer solchen Aktualisierung nicht tun: a) umfassend Rechenschaft geben, „wie sich mein Denken in einem Vierteljahrhundert verändert hat“, oder b) detailliert auf die Kritik an bestimmten Passagen eingehen. Es gibt natürlich zahlreiche Punkte, wo meine Position von 1972 korrigiert oder zurück genommen werden müsste. An anderen Stellen wäre es angebracht, sie gegen Fehlinterpretationen zu verteidigen oder sich mit Dialogpartnern auseinanderzusetzen, die sie zwar richtig verstehen, aber anderer Meinung sind. Eine solche Vorgehensweise würde jedoch viel mehr Raum erfordern und auch eine wesentlich diffizilere Argumentation, als der ursprüngliche Text beabsichtigte. Eine Überarbeitung des ganzen Buches hätte die Revision also unangemessen überlastet.

      Etwas anderes sind stilistische Änderungen des Originaltextes, etwa um auf den heute sensibleren Umgang mit geschlechtsspezifischen Ausdrücken einzugehen. Die wichtigsten Beiträge zur Überarbeitung in dieser Hinsicht kamen von Augustus und Laurel Jordan.

      In meinem ersten Vorwort bezeichnete ich meine Art der Exegese mit dem Begriff „biblischer Realismus“. Unter Fachwissenschaftlern war das ein in den 1960ern gängiger Ausdruck. Wie die wesentlichen Inhalte meiner Darstellung war es kein eigenes von mir geschaffenes Konzept. Der Begriff wurde jedoch nie sehr bekannt, noch versuchten die Forscher, die er damals bezeichnete, jemals konzertiert als Team oder „Schule“ zusammen zu arbeiten. Es bezeichnete einen Ansatz, der sich aller Werkzeuge der literarischen und historischen Kritik bediente, ohne sich von der traditionellen Schulwissenschaft fesseln zu lassen oder zuzulassen, dass der Kirche die Schrift weggenommen wird.


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