Der Lebensretter. Anny von Panhuys

Der Lebensretter - Anny von Panhuys


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die Art von Schönheit wie die des gnädigen Fräuleins sind Perlen das einzig Richtige. Zu goldblondem Haar, braunen Augen und so klarem rosigem Teint gehören ganz einfach Perlen.“

      Franz Wolfram nickte nur. Daheim lag sein schönes blondes Töchterchen im Bett wie eine Kranke, um den armen zarten Körper zu erwärmen, der im schmutzigen Flusswasser beinahe den Tod gefunden hatte. Schnell musste er ihr bringen, wonach sie verlangte.

      Er zog sein Scheckbuch, füllte einen Scheck mit der verlangten Summe aus, äusserte noch ein paar belanglose höfliche Worte und fuhr dann heim. Seine Hand fühlte mehrmals in der Tasche nach, ob sich das längliche Etui noch an seinem Platz befand. Er konnte es kaum abwarten, Liselotte mit den Perlen zu beschenken. Endlich hielt sein Wagen vor der Villa, endlich konnte er die Treppe hinaufeilen. Er nahm immer mehrere Stufen auf einmal.

      Wolfram klopfte an Liselottes Schlafzimmertür.

      Seine Schwester öffnete und flüsterte:

      „Sie schläft. Ganz plötzlich ist sie eingeschlafen.“

      Er trat auf den Zehenspitzen näher und blickte gerührt auf das feine Gesicht seines Kindes, dessen Augen fest geschlossen waren.

      Liselotte atmete ganz ruhig, aber dem Vater war es, als läge ein bitterer Zug um den jungen Mund und dunkle Schatten unter den Wimpern, als wäre das geliebte Antlitz deutlich vom Leid gezeichnet. Die Qual der bösesten Stunde dieses jungen Lebens hatte ihre Spuren zurückgelassen.

      Wolfram blickte seine Schwester an und zog das Etui aus der Tasche, legte es vorsichtig auf die Bettdecke, so dass es Liselotte, sobald sie aufwachen würde, gleich in die Hände fallen musste.

      Ria Mönkeberg zog den Bruder ins Nebenzimmer, machte die Türe zu.

      „Die Perlen hättest du nicht kaufen dürfen, Franz“, sagte sie vorwurfsvoll. „Es ist ein Zeichen von Schwäche, dass du ihr doch nachgibst.“

      In seinen Augen, die den ihren so ähnlich waren, blitzte es zornig auf.

      „Was du meinst, Ria, ist mir ziemlich unwichtig, jetzt, wo es darum geht, meinem Kinde eine Freude zu bereiten nach dem Furchtbaren, was es durchgemacht hat. Du hast mir ja öfter den guten Rat gegeben, Liselotte weniger zu verwöhnen, und genau besehen war das, was heute geschehen, die Antwort darauf, dass ich deinen Rat befolgte. Ich gebe dir sogar recht bis zu einem gewissen Grade, Liselotte ist ja vielleicht zu verwöhnt; aber was schadet es denn schliesslich? Ich habe ja nur das eine Kind und reich genug bin ich auch, also verwöhne ich sie weiter. Glaube mir, das ist schon am besten so.“

      Ria zuckte die Achseln.

      „Wenn ich dir riet, Liselotte nicht so grenzenlos zu verwöhnen, geschah es doch nur aus dem Gefühl heraus, ihr Gutes zu erweisen. Das Leben wird vielleicht gegen Liselotte einmal etwas härter sein, und dann tut alles doppelt weh. Ein bisschen Abhärtung in dieser Beziehung hätte ihr nichts geschadet. Sie ist zu selbstbewusst, und was sie will, ist nach ihrer Ansicht richtig und muss sein.“

      Wolfram machte eine abwehrende Handbewegung.

      „Ich liebe mein Kind und tue, was ich kann. Der Weg, den du mir gezeigt, war falsch.“

      Ein Freudenschrei von nebenan liess beide aufhorchen. Im nächsten Augenblick eilte Franz Wolfram in das Schlafzimmer seiner Tochter. Er fand sie mit rosigen Wangen und strahlenden Augen aufrecht im Bett sitzen. Um ihren Hals aber lagen die schimmernden Perlen.

      „Bist du jetzt zufrieden, mein Kind?“ fragte Franz Wolfram zärtlich.

      Liselotte schien gar nicht mehr zu wissen, was sie heute durchgemacht hatte. Vielleicht empfand sie es auch nicht mehr so schwer, weil es ja nun eigentlich der Preis für die ersehnte Kette gewesen war.

      Sie strahlte den Vater an und versicherte: „Ich bin unbeschreiblich glücklich, Vati, eine übergrosse Freude hast du mir bereitet!“

      Dann nahm sie seine Hand und zog sie an ihre Lippen.

      Wolfram neigte sich herab und bedeckte das feine Gesicht mit Küssen. Dabei dachte er an ein anderes Antlitz, das auch so zart und rosig, das ihm das liebste auf der Welt gewesen war und das Liselottes Mutter gehört hatte, seiner schönen jungen Frau, die allzufrüh von ihm hinüber ins unendliche Reich der Ewigkeit gegangen war.

      5.

      Am nächsten Vormittag konnte Liselotte schon wieder wie immer am Frühstückstisch sitzen, und ausser einer belanglosen polizeilichen Nachfrage im Hause hatten Franz Wolfram und seine Tochter keinerlei Scherereien. Die Zeitungen, die Herr Wolfram schon vor dem Frühstück durchgesehen hatte, brachten wohl Notizen über den Vorfall, aber der Name Wolfram war nirgends genannt worden, und so war es allen am angenehmsten. Liselotte meinte nachdenklich:

      „Wer mag wohl mein Lebensretter sein? Ich erinnere mich an nichts weiter, als an ein paar dunkle Augen und dunkles Haar. Doch du wirst ihn ausfindig machen, Vati, nicht wahr? Ich muss ihm doch danken.“

      „Ja, das musst du selbstverständlich“, gab Wolfram zu. „Ich werde ihn durch eine Detektei suchen lassen. Ehe ich heute in die Fabrik fahre, setze ich mich mit einem mir bekannten Institut dieser Art in Verbindung.“ –

      Liselotte wagte nicht, in den nächsten Tagen auszugehen. Obwohl man in den Zeitungen ihren Namen nicht genannt hatte, fürchtete sie doch, es könnte etwas davon durchgesickert sein, dass sie es gewesen sei, die den Kopf verloren und vor dem Geistesgestörten über das Geländer der Spreebrücke geklettert war.

      Ria Mönkeberg ärgerte sich darüber, wenn sie sah, wie ihr Bruder die verwöhnte Tochter jetzt mit Gaben förmlich überschüttete und ihr für das Kostümfest, für das sie sich Perlen gewünscht hatte, auch noch wertvolle Ohrgehänge aus Perlen der gleichen Art schenkte.

      Liselotte aber atmete auf. Keine ihrer Freundinnen hatte eine Ahnung davon, wie teuer sie diese Perlen hatte erkaufen müssen, und alle bewunderten auf dem Kostümfest die rosigschimmernden Meereswunder. Sie bewunderten auch die köstlichen Ohrgehänge und wünschten sich heimlich, ihre Väter hätten auch ein wenig von den Eigenschaften, die Liselottes Vater besass ... Gretel von Grunows Eltern, die das Kostümfest gaben, waren zwar auch sehr reiche Leute, aber sie verwöhnten ihr Kind nicht so. Sie hatten allerdings drei Töchter.

      Liselotte wurde allgemein gefeiert, weil sie wirklich wunderschön aussah in dem Kostüm einer Dame aus der Biedermeierzeit. So zart und fein steckte sie in dem weitfaltigen Kleid aus heller geblümter Seide, und die Schute umrahmte das rosige Gesicht verführerisch. Über dunkle Samtschleifen am viereckigen Halsausschnitt des Kleides legte sich die vielbewunderte, schwer errungene Perlenkette, und der Herzog Douglas Burnham, der mit Frau von Grunow verwandt war und auf einer Reise bei ihr Besuchsaufenthalt genommen hatte, war von der blonden Biedermeierdame ganz begeistert. Er tanzte mit ihr, soviel er nur irgend konnte, und fragte Liselotte, ob er sich morgen vormittag nach ihrem Befinden erkundigen dürfe. Liselotte nickte zustimmend. Natürlich dürfe er das, ihre Tante würde sich freuen, der Vater aber sei vormittags leider nie zu Hause. Seine Fabrik liesse er keinen Tag im Stich, wenn es nicht ganz dringend nötig war.

      Der Herzog Burnham lächelte. Die Wolfram-Werke kannte man auch in England, viel gediegener Reichtum stand hinter dem Namen, grösserer Reichtum, als die Burnhams je besessen, trotz ihrer vornehmen Abstammung, des Riesenschlosses im Norden Englands und des Stadtpalastes in London am St.-James-Park. Die Burnhams hatten immer von ihrem Gelds gelebt, vom alten ererbten Reichtum, und der war allmählich sehr zusammengeschmolzen. Franz Wolfram aber war ein moderner Geschäftsmann und arbeitete ebenso unverdrossen, wie sein Vater, der Gründer der Wolfram-Werke, gearbeitet hatte. Das hatte ihm seine Verwandte, Frau von Grunow, erzählt, und er fand, Liselotte Wolfram sei jung und schön und reich genug für einen etwas blasierten und geldknappen englischen Herzog. Er konnte vollständig Deutsch, sie lispelte ein niedliches Englisch, es gab also keinerlei Verständigungsschwierigkeiten.

      Liselotte wurde von Gretel von Grunow gelegentlich beiseite gezogen. Gretel war grossknochig und eckig, hatte vorstehende Zähne und allzu blassblaue Augen. Sie raunte der Freundin zu:

      „Hast du’s bemerkt, Liselotte, mein Vetter


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