Kinderärztin Dr. Martens Box 1 – Arztroman. Britta Frey
aufsuchte, ging Hanna hinauf in die kleine Privatwohnung, wo sie sich auch gleich hinlegte und Minuten später fest eingeschlafen war.
Während Kay in die Küche ging, in der er von Marike Schriewers wirklich noch eine warme Mahlzeit bekam, gingen seine Gedanken noch einmal zu Hanna. Wo war ihre Selbstsicherheit geblieben, seit sie diesen Knut Berkel kannte? Wie war es nur möglich, dass die Liebe einen Menschen in kurzer Zeit so veränderte? Was mochte sie wohl damit gemeint haben, als sie sagte, dass sie sich am Abend noch einmal mit Knut Berkel treffen würde? Es schien zwischen Hanna und Knut wohl doch nicht alles in Ordnung zu sein.
Als Kay nach achtzehn Uhr hinauf in die Wohnung kam und einen kurzen Blick in Hannas Schlafzimmer warf, fand er sie noch immer schlafend vor. Leise zog er die Tür wieder zu und machte alles so weit zurecht, dass er, wenn Hanna wach wurde, nur noch die Kaffeemaschine einschalten und die von ihm schon zubereiteten Pizzabaguettes in den Backofen schieben musste.
Hanna wachte jedoch nicht von allein auf, und so weckte er sie um die gewünschte Zeit, obwohl er es nicht gern tat. Vorher hatte er noch rasch die Kaffeemaschine eingestellt und die Baguettes in den vorgeheizten Backofen geschoben.
Einige Minuten später hörte er das Wasser im Bad plätschern, und dann kam Hanna frisch und munter zu ihm in die Wohnstube.
»Lieb von dir, Kay, dass du für Kaffee und eine Kleinigkeit zu Essen gesorgt hast. Ich habe richtig Appetit bekommen«, sagte sie lächelnd und setzte sich ihm gegenüber.
»Hab ich mir gedacht, dass du etwas essen möchtest, wenn du wieder munter bist«, erwiderte Kay und betrachtete sie verstohlen.
Obwohl sie sich gab wie immer, ließ er sich nicht täuschen. Sie wirkte auf ihn eigenartig angespannt, und ihre Augen lächelten nicht mit. Als sie dann gegen zwanzig Uhr die Wohnung verließ, war die leichte Röte, die vorher auf ihren Wangen gelegen hatte, schon wieder gewichen. Das blasse Gesicht verstärkte den angespannten Eindruck nur noch mehr, und Kay begann, sich erneut um sie zu sorgen.
*
Wie an den Abenden zuvor stand Knut wieder wartend neben seinem Wagen, als Hanna aus der Klinik ins Freie trat.
Für ein paar Sekunden stockte Hannas Schritt, als sie Knut da wartend stehen sah, und wieder fühlte sie ihr Herz schmerzhaft pochen.
Ihr wurde bewusst, wie sehr sie ihn doch liebte. Nur mit Mühe gelang es ihr, nicht einfach auf ihn zuzulaufen und sich in seine Arme zu stürzen. Alles hätte so wunderschön sein können, wenn er nicht Unmögliches von ihr gefordert hätte. Langsam ging sie weiter und trat zu ihm an den Wagen.
»Fahren wir ein Stück, Knut?«
»Natürlich, Liebes, komm, steig ein«, kam es mit zärtlicher Stimme von seinen Lippen, und fürsorglich hielt er ihr die Wagentür auf.
Hannas Herz begann wie rasend zu klopfen, als sie dann neben ihm im Wagen saß und sie das Klinikgelände verließen.
Eine Weile fuhren sie schweigend durch den beginnenden Abend.
Ist es das letzte Mal, ging es Hanna durch den Sinn, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht in Tränen auszubrechen.
Plötzlich fuhr er an den Straßenrand und brachte den Wagen zum Halten.
Ehe Hanna reagieren konnte, zog Knut sie in seine Arme und sagte mit verhaltener Stimme: »Warum sagst du nichts, Liebes? Fühlst du denn nicht, wie sehr ich auf deine Antwort warte? Meine geliebte Hanna, ich liebe dich, ich brauche dich. Ich kann doch ohne dich nicht mehr sein.« Seine Lippen legten sich zu einem fordernden Kuss auf ihren Mund.
Für einen kurzen Moment ließ Hanna es geschehen, doch dann befreite sie sich aus seiner Umarmung und wich ihm aus, als er sie erneut an sich ziehen wollte. Mit leiser Stimme sagte sie: »Ich liebe dich auch, Knut, und unser gemeinsames Leben hätte wunderschön werden können. Aber du hast unsere Zukunft, kaum hatte sie begonnen, schon zerstört.«
»Hanna, Liebes, was sagst du da?« Fassungslos sah er sie an.
»Du wolltest meine Antwort haben, und du sollst sie bekommen, Knut. Du hast von mir verlangt, mich zu entscheiden, entweder du und Sven oder mein Beruf. Da für dich beides nicht möglich zu sein scheint, ich aber meinen Beruf, kranken Kindern zu helfen, nicht aufgeben will und kann, muss es also sein. Es gibt für uns keine gemeinsame Zukunft, denn ich stelle meine Pflicht gegenüber all den armen kleinen Wesen, die meine Hilfe brauchen, über meine Liebe. Du hast diese Entscheidung gewollt.«
»So einfach ist das also für dich, Hanna? Dann war alles, was ich und Sven von dir erwartet haben, nichts? Ich kann es einfach nicht glauben. Ich dachte, dass du mich genauso liebst wie ich dich, dass du mit Freude zu mir und Sven kommst, dass wir ein schönes und glückliches Leben führen können. Was war ich doch für ein Narr.«
»So einfach war es nicht, Knut. Nur ich allein weiß, wie schwer es mir gefallen ist, mich so zu entscheiden. Du kanntest von Beginn an meinen Beruf. Es hätte sich beides miteinander verbinden lassen. Du hast es nicht gewollt.«
»Und wenn ich meine Forderung zurückziehe, Hanna? Ich liebe dich doch. Und Sven, du weißt doch, wie sehr er dich mag und an dir hängt. Können wir nicht noch einmal von vorn beginnen? Bitte, Hanna, mein Liebes.«
»Es ist dafür zu spät, Knut, du würdest immer wieder darauf zurückkommen, und es würde unser gemeinsames Leben vergiften. Bitte, bring mich jetzt wieder zur Klinik zurück.«
»Kann ich dich wirklich nicht mehr umstimmen, Hanna?« Unbeherrscht riss er sie erneut in seine Arme und suchte ihre Lippen.
»Bitte, Knut, nein, ich will nicht. Zerstöre jetzt nicht noch das Letzte zwischen uns. Lass uns wenigstens Freunde bleiben.«
Knuts Arme sanken herab, und ohne etwas auf ihre letzten Worte zu erwidern, startete er den Wagen und fuhr mit Hanna zur Klinik zurück.
Hanna fühlte, wie es in ihm aussehen musste, sie sah es ja auch an seinem Gesicht, und auch ihr Herz weinte. Aber es gab für sie kein Zurück.
Als sie vor der Klinik aus dem Wagen stieg und Knut ihr seine Hand zum Abschied entgegenstreckte, hob sie sich auf Zehenspitzen und sagte leise: »Verzeih mir, Knut, aber ich kann nicht anders. Du wirst mich vergessen und eine andere finden, die dir all das gibt, was du dir von deiner zukünftigen Frau erhoffst.«
Sie hauchte einen sanften Kuss auf seine Lippen. Bevor er nach ihr greifen, sie festhalten konnte, wandte sie sich rasch ab, eilte auf den Eingang der Klinik zu und ging hinein, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.
Ihre mühsam aufrechterhaltene Fassung fiel von ihr ab, als sie leise die Tür ihres Schlafzimmers hinter sich zuzog und aufweinend auf ihr Bett sank.
Doch so leise sie auch die Wohnung und ihr Schlafzimmer betreten hatte, Kay hatte es gehört. Er war verwundert darüber, dass seine Schwester nicht noch zu ihm ins Wohnzimmer kam, und trat an die Schlafzimmertür, klopfte leise an und fragte: »Darf ich eintreten, Hanna?«
Kay bekam keine Antwort, aber er hörte Hanna weinen und trat betroffen in ihr Zimmer.
»Hanna, was ist los? Ich will jetzt endlich wissen, was dich so verändert hat. Habe ich als dein Bruder nicht das Recht, dir zu helfen, wenn dir jemand wehgetan hast? Wenn du mir nichts sagen willst, so werde ich zu Knut Berkel gehen und Aufklärung verlangen. Denn deine Veränderung hängt doch mit diesem Mann zusammen. Besinn dich endlich wieder, wer du bist.«
Hanna richtete sich plötzlich auf. Noch immer Tränen in den Augen, lächelte sie, doch es war ein schmerzliches Lächeln. Mit wehmütiger Stimme sagte sie: »So energisch bist du doch sonst nicht mir gegenüber, großer Bruder. Aber du hast ja so recht. Ich muss mich endlich wieder auf mich selbst besinnen. Man soll einem verlorenen Glück nicht nachtrauern. Komm, gehen wir ins Wohnzimmer hinüber. Du lässt mir ja ohnehin nicht eher Ruhe, bis du Bescheid weißt.«
Als sie sich einen Augenblick später im kleinen gemütlichen Wohnzimmer gegenübersaßen, sagte Hanna leise: »Es ist alles aus zwischen mir und Knut, Kay.«
»Alles aus? Warum?«
»Knut