Reboot. Robert Jacobi

Reboot - Robert Jacobi


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Ten Reasons We’re Wrong About the World – and Why Things Are Better Than You Think (Reprint). New York: Flatiron Books.

      1/ Das System steht still

      Wir alle kennen solche Situationen: Gerade eine lange Mail zu Ende getippt, noch eine Grafik in eine Präsentation eingefügt, eine Überweisung ausgefüllt – und auf einmal geht nichts mehr. Der Bildschirm ist eingefroren, die Tastatur reagiert nicht mehr, der Ventilator des Notebooks fängt an zu surren. Das System ist abgestürzt. Stillstand. Hoffentlich nur eine momentane Überlastung, der Speicher hat noch alles rechtzeitig gesichert. Harter Reset.

      Schon zwei Tage zuvor kursierten erste Gerüchte, dass Bayern als erstes Bundesland die freie Bewegung der Bürger einschränken werde. Zu hoch sind die Ansteckungsraten, einerseits bei älteren Menschen, andererseits bei Rückkehrern aus dem Skiurlaub. Zum Zeitpunkt ihrer Rede weiß Merkel noch nicht, dass sie selbst in Quarantäne muss, weil ihr behandelnder Arzt sich infiziert hat. BMW stoppt die Produktion komplett, Bundesbankpräsident Jens Weidmann nennt eine Rezession unvermeidbar. Schulen und Kitas sind geschlossen. In Italien sterben 800 Menschen an einem einzigen Tag an den Folgen der Viruserkrankung. Finanzminister Olaf Scholz meldet, dass der Regierungsetat um 150 Milliarden Euro aufgestockt wird, um Soforthilfen zu ermöglichen. Das sind knapp 2000 Euro pro Bundesbürger.

      Früher als die meisten anderen Unternehmen haben wir bei Nunatak unsere Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Eine kurze abendliche Diskussion im Management, ein Telefonat mit meinem Schwiegervater, einem Arzt, und es war so weit. Wenige Wochen zuvor hatten wir noch neue Büroräume angeschaut, da unsere Altbauetage für unser mehr als 30-köpfiges Team zu eng geworden war. Nun bleiben die Räume erst einmal leer. Zum Glück sind wir im Homeoffice sofort wieder arbeitsfähig, weil alle Daten in der Cloud liegen – anders als bei manchen unserer Kunden, die jetzt Tipps brauchen, wie sie möglichst schnell eine digitale Infrastruktur aufsetzen. Also das, was technisch längst möglich ist, aber selten auf Platz eins der Prioritätenliste stand.

      Zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr war ich mit zwei Kollegen nach New York geflogen, um für unseren ersten Kunden dort einen Workshop zu moderieren und Gespräche mit dem Management zu führen. Parallel begleitete ich ein Team eines deutschen Medienunternehmens durch Newsrooms in Manhattan, um dort Anregungen für digitale Abläufe zu finden und Kontakte zu knüpfen. Meine letzte Dienstreise zu einer Verlagsgruppe in Düsseldorf ist im März 2020 schon einige Wochen her. Wann ich wieder eine unternehmen werde, ist unklar, ebenso die Frage, wann es Geschäfte über den Atlantik hinweg wieder geben wird. Ist nicht räumliche Nähe – auch oder erst recht im digitalen Zeitalter – ein wichtiger Faktor? Werden Aufträge vergeben an persönlich unbekannte Dienstleister, die Tausende Kilometer entfernt leben?

      Mein erstes Wochenende im Lockdown verbringe ich damit, das System der Kurzarbeit im Detail zu verstehen und die Bestimmungen für Förderkredite zu lesen. Noch laufen unsere Verträge für die größeren Projekte, doch es zeichnet sich ab, dass Anfragen weniger und Gespräche aufgeschoben werden. In zwei Jahren hatten wir bei Nunatak unseren Umsatz verdoppelt und gerade im Januar einen Wachstumsplan für die nächsten Jahre besprochen. In weiteren Städten wollten wir Büros aufmachen. Jetzt geht es darum, die Firma stabil zu halten und Szenarien zu entwickeln, wie wir reagieren, wenn das Geschäft komplett wegbricht. »Ihr macht doch Digitalisierung«, höre ich aus meinem Umfeld, »das ist doch jetzt erst recht gefragt.« Das stimmt, nur wenn ein Konzern einen Ausgabestopp verhängt, trifft das auch Dienstleister, die bei der Digitalisierung helfen.

      Wie groß könnten die Verluste sein, die durch die Krise entstehen? Welches Szenario ist für unsere Firma realistisch, für das ganze Land, für die Welt? Expertenrunden in Talkshows überschlagen sich mit Prognosen, suchen nach Erklärungen, widersprechen sich in ihren Empfehlungen. Die Börsenkurse brechen schneller ein, als der Ticker es melden kann. »Wir haben nichts zu verlieren«, schreibt Chödrön, »als die bis in unsere Zellkerne reichende Programmierung, dass wir viel zu verlieren haben.« Sich anzufreunden »mit dem gegenwärtigen Moment, mit der Hoffnungslosigkeit, mit dem Tod, mit der Tatsache, dass Dinge enden, dass sie vorbeigehen, dass sie keine dauerhafte Substanz besitzen, dass sich alles ständig wandelt – das ist die grundlegende Botschaft.« Auch und erst recht in Zeiten von Corona.

      Leichter gesagt als


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