Reboot. Robert Jacobi

Reboot - Robert Jacobi


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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_8a64a688-231e-5a3c-b2a6-cf3797b7f6e9">16 Meadows, D. H.; Meadows, D. L.; Randers, J.; Behrens lll, W. W. (1972). The Limits to Growth. Amsterdam: Adfo Books.

      17 von Weizsäcker, E. U.; Wijkman, A. (2019). Wir sind dran: Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen – Club of Rome: Der große Bericht. München: Pantheon Verlag.

      18 Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (2013, Januar 03). Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012. Abgerufen 19.10.2020, von https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Krisenmanagement/BT-Bericht_Risikoanalyse_im_BevSch_2012.pdf;jsessionid=488B640BEACBD7B1F36CCF469EDA4884.2_cid509?__blob=publicationFile

      2/ Der Shortcut fehlt

      »Es war ein Fehler«, sagte Microsoft-Gründer Bill Gates, als er im September 2013 eine Fundraising-Kampagne für die Harvard University im Sanders Theatre eröffnete.

      Erst klang es so, als ob er seine Entscheidung in den 1970er-Jahren meinte, die Universität ohne Abschluss zu verlassen. Das Publikum lachte. Es ging ihm aber um ein anderes Eingeständnis: nämlich die Entscheidung für eine nicht ganz unkomplizierte Tastenkombination, die wohl jeder Windows-Nutzer schon benutzt hat, wenn der Rechner eingefroren ist. Für den sogenannten Klammergriff müssen die Steuerungs-, die Alt- und die Löschtaste gleichzeitig gedrückt werden. Gebraucht wird die Kombination auch heute noch, um Programme zu beenden und sich an einem Rechner in einem Netzwerksystem neu einzuloggen.

      Das Problem bei der Tastenkombination: Abhängig vom Tastaturdesign und besonders bei Laptops kann der Griff zu Fingerverrenkungen führen. »Wir hätten einen einzelnen Knopf haben können«, rechtfertigte sich Gates, »aber der Typ, der das IBM-Keyboard-Design gemacht hat, wollte uns den nicht geben.« Diesen Typ gibt es tatsächlich: David Bradley, einer von zwölf Ingenieuren, die bei IBM das erste Computersystem zusammenbauten. »Ich habe ihn vielleicht erfunden, aber Bill hat ihn berühmt gemacht«, rechtfertigte sich Bradley später. Ursprünglich sei der Klammergriff nur für Profinutzer gedacht gewesen und habe eher unbeabsichtigt den Weg zum PC gefunden.

      Sogar auf Apple-Rechnern gibt es eine ähnlich komplizierte Tastenkombination: Sie öffnet ein Fenster, das alle laufenden Programme anzeigt, auch jene, die nicht reagieren. Diese können dann hart beendet werden, mit der Gefahr, dass Daten verloren gehen. So unpraktisch der Klammergriff auch sein mag, immerhin verhindert er, dass ein Rechner komplett heruntergefahren und neu gestartet werden muss, wenn ein Problem aufgetreten ist.

      Als das neuartige Corona-Virus sich ausbreitete, fehlte ein solcher Shortcut. Nach einigen Wochen des Zögerns, in denen die Ansteckungszahlen bereits nach oben gingen, entschied sich die Politik – nach dem Vorbild Italiens – bei uns und in anderen Ländern dazu, das öffentliche Leben komplett herunterzufahren. Die Kurven der Ansteckungszahlen zeigten zu steil nach oben.

      Konzepte, ein Virus einzudämmen, ohne Schulen, Kindertagesstätten, Geschäfte und Restaurants zu schließen, gab es entweder nicht oder das Risiko erschien zu groß. Nur eine Unterscheidung wurde noch gemacht: Wer ist systemrelevant und wer nicht? Eine feste Definition und damit Liste dazu gab es lange nicht.

      Was jetzt noch funktionierte, waren die Unternehmen und Organisationen, die zuvor schon vieles ins Digitale verlagert und sich von einem stationären Arbeitsort unabhängig gemacht hatten. Alle anderen – und das war mit Abstand die Mehrzahl – standen jetzt vor einem Dilemma: Wie weiter dem Geschäft nachgehen, wenn der Betrieb oder das Büro geschlossen ist? Und wird es überhaupt noch eine Nachfrage geben oder bricht alles zusammen, sodass es auch im Homeoffice irgendwann nichts mehr zu tun gibt?

      Je häufiger ich auf die Seite der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore mit ihren roten Zahlen und Kugeln klickte, desto unwahrscheinlicher erschien mir, dass das normale Leben bald wieder beginnen würde. Warum eigentlich, fragte ich mich, wusste eine Universität aus Baltimore so genau, wie viele Menschen sich im letzten Winkel der Welt ansteckten? Tatsächlich sammelte das Team des Centers for Systems Science and Engineering dort letztlich nur allgemein verfügbare Statistiken aus den einzelnen Ländern und bereitete sie übersichtlich auf.

      Daher der Titel des Planspiels, dessen Aktualität sich wenige Monate später zeigen sollte: »Event 201« – also genau jenes Ereignis, das den Rahmen der anderen 200 sprengt. Die Aufgabenstellung für die Teilnehmer: Sie sollten eine Pandemie bewältigen, die von einem neuartigen Corona-Virus ausgelöst wird und bis zu 65 Millionen Tote weltweit fordern könnte. Die fiktive Geschichte dahinter: Die Krankheit bricht auf einer Schweinefarm in Brasilien aus und geht von den Tieren auf Menschen über. Erst geschieht die Verbreitung still und langsam, dann immer schneller, vor allem über Arztpraxen und Krankenhäuser. Als das Virus es in die Slums der südamerikanischen Großstädte schafft und dort einen Menschen nach dem anderen befällt, explodiert die Epidemie, und die Infektionsraten steigen exponentiell.

      Durch Flugreisen gelangt das neuartige Corona-Virus anschließend nach Europa, in die USA und nach China. Kein Land bekommt es unter Kontrolle. Im Planspiel endet die Pandemie erst, wenn ein Impfstoff entwickelt ist – was nach eineinhalb Jahren noch nicht der Fall ist – oder mindestens acht von zehn Menschen infiziert sind. Die Geschichte wirkt bekannt, bis zum Konzept der Herdenimmunität.

      Als dann das echte Virus um sich griff, sah die Johns-Hopkins-Universität sich genötigt, auf ihrer Website klarzustellen, dass »Event 201« eine rein fiktionale Übung war. »In letzter Zeit haben wir viele Anfragen bekommen, ob unser Planspiel den Ausbruch des neuartigen Corona-Virus in China vorausgesagt habe.« Das sei nicht der Fall. Die Inputs, die für die Modellierung der erfundenen Pandemie benutzt wurden, seien nicht vergleichbar mit dem tatsächlichen Ereignis. Das war vermutlich der Versuch, aufkommende Panik angesichts der im Planspiel genannten möglichen Opferzahl zu vermeiden – und auch den zur Ursache der Pandemie und insbesondere zu Bill Gates aufblühenden Verschwörungserzählungen Einhalt zu gebieten.

      Auch wenn ein Planspiel Ideen und Anregungen dazu liefern kann, wie mit einer vergleichbaren Situation umzugehen ist: Den Shortcut, nach dem wir spätestens im März 2020 suchten, lieferte »Event 201« nicht. Keine der handelnden Personen in Deutschland, Europa und der Welt hatte zuvor die Erfahrung gemacht, Wirtschaft und Gesellschaft herunterzufahren – und dann nach einem verlässlichen Code neu zu starten.

      Aber war die Pandemie wirklich ein schwarzer Schwan, also eines jener Ereignisse, die statistisch sehr unwahrscheinlich sind, aber eine starke Wirkung haben und unsere Annahmen von der Welt auf den Kopf stellen? Diese Metapher prägte Nassim Taleb, Autor und Aktienhändler, in seinen Bestsellern. Er bezog sich dabei auf ein aus der Antike stammendes und bis ins 17. Jahrhundert hinein gültiges Bild für extrem seltene Geschehnisse. Bis dahin hatte tatsächlich niemand in der westlichen Welt einen schwarzen Schwan gesehen, dann aber tauchten in Australien welche auf und wurden in die Niederlande und Deutschland eingeschleppt.


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