Reboot. Robert Jacobi

Reboot - Robert Jacobi


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das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt eintreten werde. Schon im Jahr 2010 war er Berater für die Regierung von Singapur in Fragen des Umgangs mit einer möglicherweise eintretenden Pandemie.20

      Mitarbeiter von Barack Obama veranstalteten mit dem Stab von Donald Trump kurz vor dessen Amtsübernahme ein Planspiel zu einer Pandemie. Noch im Jahr 2019 ließ die Trump-Regierung eine eigene Version unter dem Titel »Crimson Contagion« durchführen, unter Beteiligung aller relevanten staatlichen Behörden. Ein Dokument mit den wichtigsten Ergebnissen gelangte an die Öffentlichkeit, in dem der Satz zu lesen ist: »Gegenwärtig stehen unzureichende Mittel bereit, die im Fall einer Grippepandemie von der Bundesregierung eingesetzt werden könnten.«

      Ein umfangreiches Regierungsdokument ist zwar kein Shortcut, aber doch immerhin eine Art Gebrauchsanweisung für einen Reboot in einer absehbaren Gefahrenlage. Wie sah es in Deutschland aus? Hätten wir frühzeitiger reagieren können auf der Basis von Notfallplänen?

      Tatsächlich ist das im vorherigen Kapitel erwähnte Dokument des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nicht das einzige seiner Art; es gibt einen seit 2005 mehrfach überarbeiteten Nationalen Pandemieplan. Das Problem: Auch auf Landesebene gibt es Pandemiepläne. Als Corona sich ausbreitete, war also zunächst unklar, welche Behörde auf welcher Ebene welche Aufgabe übernehmen muss. Auf der Website des Robert Koch-Instituts sind Links zu 16 Pandemieplänen aufgeführt, für jedes Bundesland einer – ganz so, als hätten Grippeviren sich in der Vergangenheit bei ihrer Ausbreitung an solchen Ländergrenzen orientiert. Das Land Hessen hat unter diesem Link sogar einen eigenen Pandemieplan für seine Justizvollzugsanstalten hinterlegt; als könne man ein Virus einsperren. Bei Mecklenburg-Vorpommern führt der Link ins Leere, das Saarland dankt für den »Besuch unserer Saarlandseiten« und empfiehlt die Nutzung der neuen Navigationsmöglichkeiten, um den gesuchten Inhalt zu finden.

      Allein schon die Wortkombination »Nationaler Pandemieplan« ist ein Widerspruch in sich, steht »pan« doch für »umfassend«, »total«, ganz zu schweigen von Pandemieplänen auf Landesebene.

      Ein Ergebnis der fehlenden Aufgabenzuordnung zwischen Bund und Land und einer Vielzahl von Behörden auf allen Ebenen bis hinunter zu Städten und Gemeinden: Gesichtsmasken waren schon Anfang März 2020 ausverkauft – wie auch verlässliche Informationen Mangelware waren. Als ich mir damals in einer Apotheke in München eine Schutzmaske für eine Flugreise besorgen wollte, wurde mir dort erklärt, dass keine Masken mehr verfügbar seien, sie aber die Ausbreitung des Virus ohnehin nicht aufhalten würden. Als ich dann einige Wochen später zum ersten Mal eine Maske trug, war ich als Erstes besorgt, mein kleiner Sohn könnte durch diese »Vermummung« verängstigt werden. Er fand die neue Optik aber eher interessant.

      Natürlich war auch bei der Weltgesundheitsorganisation ein Pandemieszenario längst Thema – die Schweinegrippe, Ebola und SARS waren gut sichtbare Warnsignale. Das Wissen, dass eine Pandemie jederzeit auftreten könnte, war also, wenn auch nicht in der breiten Öffentlichkeit, so doch bei entsprechenden Experten, vorhanden. Und obwohl das Risiko einer Pandemie lange vor Corona als hoch einzuschätzen war, blieben andere Themen auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda wichtiger. Der Klammergriff war irgendwo in bürokratischen Dokumenten versteckt und in dem Moment, als er gebraucht wurde, nicht einsetzbar – und selbst wenn, hätte sich erst noch die Frage gestellt: Wer ist befugt, ihn zu nutzen?

      Der einzige Ausweg war, das System abzuschalten


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