Das Ende des Wachstums. Richard Heinberg
tief in der Schuld der Arbeiten von Dennis Meadows und Jørgen Randers – den beiden letzten noch lebenden Mitgliedern der Forschergruppe, die Die Grenzen des Wachstums verfaßt hat. Hätte die Welt damals auf sie gehört, hätten wir alle heute viel weniger Grund zur Sorge.
Schließlich möchte ich wieder einmal meiner Frau Janet Barocco für ihre unermüdliche Unterstützung und Ermutigung danken und dafür, daß dank ihr unser Heim ein Ort ist, an dem Kunst, Fröhlichkeit und natürliche Schönheit ihren Platz haben.
EINFÜHRUNG DIE NEUE NORMALITÄT
»Führende zeitgenössische Vertreter der wirtschaftswissenschaftlichen Profession … haben sich in eine Art Politbüro für korrektes ökonomische Denken verwandelt. Generell hat sie das – wie von einem Club ehrwürdiger Herrn im allgemeinen zu erwarten – bei so ziemlich jedem wichtigen politischen Thema auf die falsche Seite gebracht, und das nicht erst in letzter Zeit, sondern seit Jahrzehnten. Sie prophezeien die Katastrophe, die nicht kommt. Sie bestreiten, daß Ereignisse eintreten werden, die dann doch eintreten … Sie lehnen ganz einfache, adäquate und vernünftige Reformen ab und verabreichen stattdessen Placebos. Sie sind immer überrascht, wenn ein widriges Ereignis (wie eine Rezession) tatsächlich eintritt. Und wenn sie schließlich merken, daß eine Position nicht zu halten ist, überprüfen sie ihre Ideen nicht. Sie ziehen die Möglichkeit nicht in Erwägung, daß ihre Logik oder Theorie einen Fehler haben könnte. Stattdessen wechseln sie einfach das Thema. In diesem Club verliert niemand das Gesicht, weil er unrecht hatte. Niemand wird von Konferenzen ausgeladen und darf seine Papiere nicht präsentieren. Und schon gar nicht wird jemand von außen dazugebeten.«
James K. Galbraith (Wirtschaftswissenschaftler)
Die zentrale Aussage dieses Buches ist ebenso einfach wie bestürzend: Mit dem Wirtschaftswachstum, wie wir es kennen, ist es aus und vorbei.
Das »Wachstum«, von dem wir sprechen, besteht in der Expansion der Volkswirtschaft insgesamt (mehr Menschen bekommen, was sie wollen, und mehr Geld wechselt die Hände) und in der mengenmäßigen Zunahme von Energie und Gütern, die in der Volkswirtschaft zirkulieren.
Die Wirtschaftskrise, die in den Jahren 2007/2008 begann, war ebenso vorhersehbar wie unvermeidlich, und sie bedeutet einen permanenten, fundamentalen Bruch mit den vergangenen Jahrzehnten – einer Zeit, in der die meisten Ökonomen die unrealistische Position vertreten haben, beständiges Wirtschaftswachstum sei notwendig und erreichbar. Es gibt prinzipielle Barrieren für eine anhaltende wirtschaftliche Expansion, und das erfährt die Welt gerade.
Das soll nicht heißen, daß die Vereinigten Staaten oder die Welt insgesamt nie wieder ein Quartal oder ein Jahr erleben werden, in dem die Wirtschaft im Verhältnis zum vorherigen Quartal oder Jahr wächst. Doch wenn man die Ausschläge abzieht, verläuft die allgemeine Trendlinie der Wirtschaft (gemessen in den Zahlen für Produktion und Konsum realer Güter) fortan waagrecht oder nach unten und sicher nicht nach oben.
Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß eine Region, ein Land oder eine Branche noch eine Weile weiter wächst. Es wird einige solche Beispiele geben. Letztendlich jedoch wird dieses Wachstum auf Kosten anderer Regionen, Länder oder Branchen gehen. Von nun an ist nur noch relatives Wachstum möglich: Die Weltwirtschaft spielt ein Nullsummenspiel, und der Topf, der an die Gewinner verteilt werden kann, wird immer kleiner.
Warum endet das Wachstum?
Viele Finanzexperten führen schwerwiegende Probleme der US-Wirtschaft – einschließlich der erdrückenden, nicht zu tilgenden Schuldenlast der öffentlichen und privaten Haushalte und der geplatzten Immobilienblase – als unmittelbare Bedrohungen des Wirtschaftswachstums an. Allgemein heißt es, wenn diese Probleme gelöst seien, könne und werde das Wachstum mit »normalen« Raten weitergehen. Aber diese Experten übersehen die externen Faktoren, die auf das Finanzsystem einwirken und Wirtschaftswachstum, wie wir es kennen, nahezu unmöglich machen. Dies ist kein vorübergehender, sondern ein dauerhafter Zustand.
Alles in allem gibt es, wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, drei Hauptfaktoren, die weiterem Wirtschaftswachstum grundsätzlich im Wege stehen:
•Die Erschöpfung wichtiger Ressourcen, darunter fossile Brennstoffe und Minerale.
•Die Zunahme negativer ökologischer Auswirkungen der Ausbeutung und Nutzung von Ressourcen (darunter die Verbrennung fossiler Brennstoffe) – mit der Folge, daß die Kosten sowohl der Auswirkungen wie der Bemühungen, sie abzuwenden, lawinenartig steigen.
•Finanzielle Verwerfungen, die damit zusammenhängen, daß unser bestehendes Währungssystem, unser Bank- und Investitionswesen nicht in der Lage sind, auf Ressourcenknappheit und steigende Umweltkosten zu reagieren – und daß sie nicht in der Lage sind (vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Volkswirtschaft), die gewaltigen Schuldenberge zu bedienen, die private und öffentliche Haushalte in den letzten beiden Jahrzehnten angehäuft haben.
Obwohl Finanzkommentatoren gewöhnlich die ökologischen Grenzen des Wachstums ausblenden, können wir buchstäblich Tausende von Vorfällen aus den letzten Jahren anführen, die zeigen, wie alle drei genannten Faktoren zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken.
Nehmen wir nur ein Beispiel: die Explosion der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010.
Die Tatsache, daß BP in tiefen Gewässern im Golf von Mexiko nach Öl bohrte, illustriert einen weltweiten Trend: Auf der einen Seite besteht die Gefahr, daß der Welt demnächst das Öl ausgeht, auf der anderen Seite werden an Land, wo das Bohren billig ist, kaum noch neue Ölvorkommen entdeckt. Solche Vorkommen hat man bereits gefunden und ausgebeutet. Der Internationalen Energieagentur zufolge werden im Jahr 2020 fast 40 Prozent der Weltölproduktion aus Offshore-Förderung stammen. Zwar ist es hart, gefährlich und teuer, in 1200 bis 1500 Metern Wassertiefe nach Öl zu bohren, aber der Ölindustrie bleibt nichts anderes übrig, wenn sie weiter den Rohstoff liefern will. Das bedeutet auch, daß das Öl teurer wird.
Natürlich waren die ökologischen Kosten, die die Explosion der Deepwater Horizon und das Leck verursachten, verheerend. Weder die Vereinigten Staaten noch die Ölindustrie können sich einen weiteren Unfall dieser Größenordnung leisten. Deshalb verhängte die Regierung Obama 2010 ein Moratorium für Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko (das allerdings nur 6 Monate galt; Anm. d. Übers.) und arbeitete gleichzeitig neue Regeln für Bohrungen aus. Andere Staaten begannen, ihre eigenen Richtlinien für Tiefseebohrungen zu überprüfen. Die Wiederholung einer derartigen Katastrophe wird dadurch weniger wahrscheinlich, aber die Kosten für Ölbohrungen und damit die schon heute hohen Ölpreise werden noch weiter steigen.
Die Katastrophe auf der Deepwater Horizon illustriert bis zu einem gewissen Grad auch den Dominoeffekt von Ressourcenerschöpfung und Umweltschäden auf die Finanzinstitutionen. Die Versicherungsgesellschaften mußten die Prämien bei Tiefseebohrungen erhöhen, und die Auswirkungen auf die regionale Fischereiindustrie haben die Wirtschaft am Golf hart getroffen. Ein Teil der Kosten für die Golfregion wurde durch Zahlungen von BP ausgeglichen, aber BP mußte infolge der Aufwendungen umstrukturieren, der Aktienkurs und die Renditen der Investoren sanken. Die Finanznöte von BP hatten wiederum Folgen für die britischen Pensionsfonds, die Geld in das Unternehmen investiert hatten.
Dies ist nur ein Beispiel – zugegeben ein besonders spektakuläres. Wäre es ein Einzelfall, könnte sich die Wirtschaft erholen und weitermachen. Aber wir erleben heute und in Zukunft eine Abfolge ökologischer und ökonomischer Katastrophen, die nicht unbedingt zusammenhängen, aber das Wirtschaftswachstum immer stärker behindern werden. Dazu zählen unter anderem:
•Klimaveränderungen, die zu regionalen Dürren, Überflutungen und sogar Hungersnöten führen;
•Knappheit von Energie, Wasser und Rohstoffen;
•Wellen von Banken- und Firmenzusammenbrüchen sowie Zwangsversteigerungen von Immobilien.
Jede