Iss dich klug!. Manuela Macedonia

Iss dich klug! - Manuela Macedonia


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wichtiges Kriterium: Mit 1.257 schwangeren Frauen wurden die zweimalige und die fünfmalige Einnahme von einem hochdosierten Kombipräparat aus Vitamin B12 und Folsäure untersucht und die Häufigkeit wurde mit dem Vorkommen von Autismus in Verbindung gebracht, »korreliert«, sagt man in der Wissenschaft. Die zweimalige Einnahme pro Woche senkte das Risiko von Autismus, die fünfmalige Einnahme allerdings steigerte es16. So dürfen Nahrungsergänzungsmittel nur unter professioneller Beratung eingenommen werden17, denn wir können die Auswirkung der Überdosierung auf das Gehirn des Fötus noch nicht einschätzen, trotz wissenschaftlicher Fortschritte. Im Zweifel ist gesunder Menschenverstand der beste Ratgeber: Frische und natürliche Lebensmittel, die möglichst abwechslungsreich zubereitet werden, sorgen auch für die größte Variation an Vitaminen und Spurenelementen für Mutter und Kind. In ihrer »natürlichen« Verpackung, also nicht isoliert und zusammen mit komplementären Substanzen, wirken sie am besten und das schließt eine Überdosierung aus. Ja, der Aufwand ist notwendig, für die Mama, aber vor allem auch für das Kind!

      Eine Schwangere darf nicht für zwei essen

      Ich bin Gedächtnisexpertin, aber wenn ich an großen neurowissenschaftlichen Konferenzen mit 25.000 bis 35.000 Wissenschaftern teilnehme, besuche ich auch Vorträge, die mit meinem eigenen Forschungsschwerpunkt nichts zu tun haben. Das Universum Gehirn fasziniert mich in jeder Facette, und ich schaue gerne über meinen wissenschaftlichen Tellerrand hinaus. So war in den 2010er-Jahren die Ernährung und ihre Auswirkung auf das Gehirn übergewichtiger Menschen Forschungsschwerpunkt. Im Fokus stand die sogenannte »westliche Diät«. Damit bezeichnet man jene Ernährung mit viel Fett, Kohlenhydraten, Zucker, Limonaden und stark verarbeiteten industriellen Lebensmitteln. Die westliche Diät sitzt auf der Anklagebank der Wissenschaft, denn sie verändert das Gehirn, auch jenes des Kindes im Mutterleib.

      Mit 17 Yucatan-Minischweinen haben französische Forscher untersucht, wie sich die westliche Diät auf das Gehirn der ungeborenen Ferkel auswirkt18. Acht normalgewichtige Säue bekamen während der Trächtigkeit ein Standardfutter – Pflanzliches und Getreide – neun Säue die westliche Diät, bestehend aus hochkalorischen Pellets. Mit nur 17 Tieren waren die Resultate bereits eindeutig: Die westliche Diät der Sau steigerte die Reaktion der Ferkel auf Belohnung durch Futter. Mit anderen Worten war das Belohnungssystem der Neugeborenen bereits bei der Geburt aufgrund der Nahrung, die das trächtige Tier zu sich genommen hatte, verändert. Im Rückschluss auf den Menschen geht man davon aus, dass sich Kinder, deren Mütter sich während der Schwangerschaft westlich ernährt haben, mit Essen belohnen oder aber auch ihren Frust wegessen. Ist man auf Belohnung durch Essen empfindlicher, öffnet sich die Tür zum Übergewicht und zu den Problemen, die damit verbunden sind. Im Kopf der Ferkel hatte sich allerdings mehr getan. Der Hippocampus, die Weiterentwicklung des Neuralrohrs, jene Region des Gehirns, die auch außerhalb des Mutterleibs ein ganzes Leben lang Stammzellen produziert, war im Volumen kleiner, als bei Tieren, deren Mütter während der Trächtigkeit Pflanzliches und Getreide bekommen hatten. Im verkleinerten Hippocampus entstanden auch weniger Zellen als bei den anderen Ferkeln. Man darf nicht vergessen, dass die Stammzellen das Baumaterial des Gehirns sind, wie in einem Haus die Ziegeln. Haben wir weniger Baumaterial, werden wir ein kleineres Gehirn haben, das weniger kann, ein kleines Häuschen sozusagen, statt eines Schlosses. Es ist erschreckend, aber leider eine Tatsache: Zu viele Kalorien bei der Mutter verursachen schwerwiegende Veränderungen im Gehirn ihrer Nachkommen.

      Die Auswirkungen der westlichen Diät bei Menschen darf die Wissenschaft aus ethischen Gründen nicht durch Experimente untersuchen. Sie muss sich daher auf Beobachtungen beschränken, in denen das Übergewicht der Mutter während der Schwangerschaft mit Veränderungen im Gehirn des ungeborenen Kindes in Zusammenhang gebracht wird. Aber was ist nun eigentlich Übergewicht? Es definiert sich über den BMI – Body-Mass-Index. Das ist ein Richtwert, in dem Körpergröße und Gewicht in Bezug zueinander stehen.

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      Die Waage macht keinen Unterschied zwischen Muskel und Fett. Daher sind ein Zehnkämpfer und ein Stubenhocker mit demselben BMI nicht gleichzusetzen. Der Sportler kann einen BMI im Grenzbereich haben. Sein hohes Gewicht ist durch die Muskelmasse bedingt. Die meisten von uns sind allerdings keine Muskelprotze: Jene Kilos, die wir mehr auf die Waage bringen, bestehen meistens aus Fett, leider! So bleibt der BMI für die meisten auch eine aussagekräftige Zahl, wenn es um Übergewicht geht. In wissenschaftlichen Publikationen startet die Beobachtung nach den Auswirkungen vom mütterlichen Übergewicht auf die kognitiven Fähigkeiten und die Psyche des ungeborenen Kindes bei einem BMI-Wert von >25. Mütter, die nicht in die Kategorie der Sportlerinnen fallen und diese Zahl aufweisen, beeinflussen laut Forschungsresultaten die Entwicklung des Gehirns ihres Kindes. Zum einen sind die intellektuellen (kognitiven) Fähigkeiten inklusive der messbaren Intelligenz des Kindes betroffen, zum anderen beobachtet man auch Störungen im Verhalten, bis hin zu psychischen Krankheiten.

      Als Störung im Verhalten wird bereits übermäßige Aufnahme von Nahrung eingestuft, wenn das Kind über den Hunger hinaus isst. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat herausgefunden, dass Kinder übergewichtiger Mütter zu diesem Verhalten tendieren19. Es wird darauf zurückgeführt, dass die Kleinen weniger Andockstellen (Rezeptoren) für Dopamin haben, den Botenstoff, der unser Belohnungssystem steuert. Solche Andockstellen kann man sich wie passende Schlüssellöcher für den einen besonderen Neurotransmitter vorstellen. Sind sie in ausreichender Zahl vorhanden, verspürt das Kind Befriedigung durch die Nahrungsaufnahme. Sind sie aber in zu geringer Zahl da, muss es mehr essen, um zur Belohnung zu gelangen. So isst das Kind mehr und baut möglicherweise Übergewicht auf20. Auch die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität (ADHS) wird in Zusammenhang mit Übergewicht bei der schwangeren Mutter gebracht21. Die ADHS-Symptomatik ist sehr weit verbreitet und betrifft Kinder verschiedener Altersstufen unterschiedlich schwer im Verlauf, wobei Jungen weit mehr betroffen sind als Mädchen. Hyperaktivität und Impulsivität gehören zu den auffälligen Symptomen. Ich habe mich oft gefragt, warum ADHS ausgerechnet in den USA so gehäuft vorkommt und in Europa immer mehr zur Sorge von Eltern und Schulen wird. Zuweilen dachte ich, dass es diese Verhaltensstörung möglicherweise auch früher schon gab, allerdings nicht diagnostiziert und vielleicht regelmäßig mit Ohrfeigen »therapiert«. Schwierige Kinder gab es ja schon immer. Im Lauf der Zeit musste ich durch die Menge an wissenschaftlichen Arbeiten, die zu diesem Thema entstanden sind, leider zur Kenntnis nehmen, dass wir tatsächlich heute mehr Kinder mit ADHS haben als vor fünfzig Jahren und dass der Grund unter anderem im Übergewicht der Mutter liegen kann.

      Ich war auch ein »schwieriges« Kind: Ist mir das Mathe-Problem nicht beim ersten Anlauf gelungen, habe ich Heft und Buch gegen die Wand geworfen, nein, davor habe ich noch ein paar Seiten vom Heft zerrissen und durch die Luft gewirbelt wie ein Rumpelstilzchen, bevor meine Mutter mit Engelsgeduld sämtliche Teile aufgelesen und wieder zusammen gesetzt hat. Jene innere Wut – ich hätte aus der Haut fahren können und das des Öfteren, nicht nur beim Aufgabemachen – habe ich jetzt noch in Erinnerung. Vielleicht hätte man bei mir auch ADHS diagnostiziert. Aber damals existierten keine Kinderpsychiater, und ein schwieriges Kind wurde entweder geschlagen oder, wie in meinem Fall, stoisch ertragen. Meine Eltern sitzen nicht ohne Grund im Paradies. Laut Fotos war meine Mutter in der Schwangerschaft nicht übergewichtig, aber sie war eine emanzipierte Frau. Wie mehr oder weniger alle rauchte sie. Und wie alle Italiener trank sie ein Glas Wein zu jeder Mahlzeit, ja, auch in der Schwangerschaft (!). Das sind Risikofaktoren für ADHS22, 23, die sie ausschalten hätte können. Hätte sie es nur gewusst!

      Die Liste der Verhaltensstörungen und psychischen Erkrankungen, die mit Übergewicht der schwangeren Mutter in Zusammenhang stehen, lässt sich leider fortsetzen: Bulimie und Anorexie, Depression, innere Unruhe, Autismus24 und Schizophrenie werden in Verbindung gebracht21. So kann uns berechtigterweise Angst und Bang um die zukünftigen Kinder sein, denn die Durchschnittsbevölkerung ist auf dem Weg des Übergewichts, und zwar weltweit. Geschätzte 30 Prozent der werdenden Mütter sind laut einer Studie aus dem Jahr 2017 als übergewichtig einzustufen (BMI >25). Tendenz steigend25. In den USA ist diese Zahl noch dramatischer:


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