Die Schäferin von Yorkshire. Amanda Owen

Die Schäferin von Yorkshire - Amanda Owen


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      Amanda Owen

      Die Schäferin von Yorkshire

      AMANDA OWEN

      Die Schäferin

      von

      Yorkshire

      Mein Leben mit sieben Kindern,

      900 Schafen

      und einem Mann

      Aus dem Englischen von

      Ilka Schlüchtermann

      Osburg Verlag

      Titel der englischen Originalausgabe:

      The Yorkshire Shepherdess

      First Published 2014 by Sidgwick & Jackson,

      an imprint of Pan Macmillan, a division of

      Macmillan Publishers International Limited

      Copyright © Amanda Owen 2014

      Erste Auflage 2016

      © der deutschsprachigen Ausgabe

      Osburg Verlag Hamburg 2016

      www.osburgverlag.de Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Bernd Henninger, Heidelberg Satz: Hans-Jürgen Paasch, Oeste ISBN 978-3-95510-114-5

      Für meine Familie

Inhalt Image

      Einer dieser herrlichen Sommerabende auf Ravenseat. Unsere Kinder lieben sie Ihre Kindheit unterscheidet sich so sehr von meiner

      Vorwort

      »Holst du für mich einen Schafbock von einem Kumpel ab? Ist ein richtig feiner Swaledale-Züchter und er leiht mir jedes Jahr einen Bock.«

      Das war eine dieser typischen Bitten des Farmers, für den ich arbeitete. Er brauchte einen Bock, ein männliches Schaf für seine Herde – klar, wozu. Er half mir, den alten Anhänger hinten am Pickup festzumachen, und los ging’s, ohne gescheite Wegbeschreibung und mit der Angst im Nacken, ob Pickup und Anhänger durchhalten würden.

      Das war im Oktober 1996, an einem kalten, dunklen Tag, ich folgte der Straße von Kirkby Stephen bis zur Grenze zwischen Cumbria und Yorkshire und dann ging’s rein ins Swaledale. Ich starrte in die Dunkelheit, um irgendeinen Hinweis auf die Farm zu entdecken. Solche Hinweisschilder kenne ich nur zu gut: ein einfaches Stück Holz, auf das jemand den Namen der Farm gekritzelt hat. Die Straße, eine endlose Achterbahn, schlängelte sich vor mir durch die dunklen Hügel. Allmählich kam mir der Gedanke, ich hätte die Abzweigung verpasst. War ich überhaupt schon an einer vorbeigekommen? Viel weiter konnte es doch gar nicht mehr gehen.

      Da plötzlich: ein deutlich sichtbares Schild im Scheinwerferlicht, RAVENSEAT ONLY, 1 ¼ MILES. Ich bog in die schmale Straße ein, der klapprige Holzanhänger rumpelte hinter mir her, hier und da blickte ein Schaf starr in meine Scheinwerfer. Hoffentlich überfahre ich kein Schaf, ehe ich dort bin, dachte ich.

      Dann, nach einer Ewigkeit, wie es mir vorkam, endete die Straße. Ohne jede Vorwarnung. Ich stand vor einer Furt. Da durch? In einem tiefliegenden Pickup mit rostigen Türen? Ich paddelte mit dem Stiefel etwas durchs Wasser, es war nur knöcheltief. Der Pickup tauchte ein, und dann ging es hoch in einen schlammigen Hof, rechts das Farmhaus und direkt vor mir ein paar uralte Steinscheunen und Ställe (barns). Im Dämmerlicht einer Stalllampe konnte ich eine Kuh erkennen, die genüsslich widerkäute. Sofort sprang ein bellender Hund aus der Dunkelheit. Aus Erfahrung weiß ich, dass man sich vor Hofhunden in Acht nehmen muss, und war erleichtert, als plötzlich alles in helles Licht getaucht wurde und der Farmer in der Eingangstür stand.

      »Weg da und Platz.«

      Der Befehl war sicher nicht an mich gerichtet und tatsächlich, der Hund schlich zurück in die Dunkelheit.

      »Immer herein Mädel, ich mach uns’n Tee.«

      Kein großes Glücksgefühl überkam mich, dass ich mein Ziel endlich erreicht hatte. Kein romantischer Zauber umwehte diese schicksalhafte Begegnung. Nur Erleichterung, es geschafft zu haben. Ich freute mich jetzt auf einen Tee, doch mir graute auch schon vor der Rückfahrt.

      Heute, wenn ich meine Familie, meinen Mann und unsere sieben Kinder anschaue, wird mir klar, dass diese erste Begegnung mit Ravenseat der entscheidende Wendepunkt in meinem Leben war. Diese Begegnung hat mir die beiden Dinge beschert, die ich am meisten liebe: Clive Owen, meinen Mann, und Ravenseat Farm, den wunderschönsten Ort auf der Welt.

      Ich meine es wirklich so, wenn ich sage, Ravenseat ist wunderschön. Klar, es ist rau und öde hier, es ist abgeschieden, der Wind heult um die Ecken und treibt den Regen durch die Mauern ins Haus hinein. Im Winter begräbt uns der Schnee, und wenn Strom und Wasser streiken, bleibt uns nichts anderes übrig, als so zu leben wie die Farmer, die sich an diesem Ort vor vielen hundert Jahren niedergelassen haben: Dann holen wir Wasser vom Fluss und kochen über offenem Feuer. Doch es ist der beste Platz auf Erden, um Kinder zu haben und Tiere, und ich würde ihn für nichts in der Welt eintauschen. Selbst heute noch, nach so vielen Jahren, gibt es Momente, in denen ich beim Anblick dieses grandiosen Fleckens Erde tief durchatmen muss.

      Nicht, dass das Leben hier in irgendeiner Weise idyllisch wäre, das kann man wirklich nicht sagen. Wir arbeiten hart, damit unsere Kinder und unsere Tiere unter schwierigen Bedingungen sicher und gesund aufwachsen können.

      Für die meisten Bergfarmer hier ist dies ihre traditionelle Lebensform, in die wurden sie hineingeboren. Aber für mich? Ich bin ein Stadtkind. Eine Zugezogene, eine offcumden1. Im Gespräch mit dem Berufsberater in meiner Schule in Huddersfield standen Berufe wie »Schäferin« oder »Farmerin« gar nicht zur Debatte.

      Was hat mich hierher geführt? Zu dieser höchstgelegenen, abgeschiedensten Farm im Swaledale, der nördlichsten Farm der Yorkshire Dales?

      Dies ist meine Geschichte, die Geschichte meiner Familie und – in der Hauptrolle – Ravenseat selbst.

      1

      Eine typische Kindheit

      Wenn ich meine Kindheit mit einem einzigen Wort beschreiben sollte, dann wäre dies ›typisch‹. Ich wurde in Huddersfield geboren, im September 1974, als erstes Kind von Joyce und Maurice Livingstone. Die nordenglische Stadt Huddersfield war durch die industrielle Revolution zu beträchtlicher Größe angewachsen, überall schossen neue Webereien aus dem Boden. Eine kleine Wollindustrie hat bis heute überlebt, aber wie in so vielen Städten Nordenglands ist die Blütezeit dieses Wirtschaftszweiges längst Geschichte. Gleichwohl ist Huddersfield noch immer noch ein florierender und quirliger Ort.

      Es war eine schöne Zeit. Wir wohnten in einem Doppelhaus aus der Jahrhundertwende, mit einem kleinen Vorgarten, einem größeren Garten hinter dem Haus und einer geräumigen Garage, deren steile Ausfahrt direkt auf eine belebte Straße führte. Eine meiner frühesten Erinnerungen ist, dass ich mit meinem Dreirad nonstop diese Ausfahrt hoch- und runterfuhr. Mein Gefährt war bei hohem Tempo in Kurven aber ziemlich wackelig und instabil, sodass ich eines Tages in eine der Steinsäulen an der Toreinfahrt reinkrachte und mir vier Vorderzähne ausschlug. Zum Glück waren es nur Milchzähne und es blieb kein dauerhafter Schaden zurück. Unzählige Male raste ich in den Kirschlorbeer und einmal wurde ich von einem bösartigen Rosenbusch durchlöchert. Im Laufe der Zeit nahm ich die Abfahrt auch mit Rollerskates, Gokarts und Rollern. Oben auf einem relativ steilen Hügel zu wohnen, hatte einen großen Nachteil: Die Ausflüge auf Rädern endeten sehr oft in Stürzen und Tränen. Für ein kleines Kind schien es unendlich viele Freiräume und Spielmöglichkeiten zu geben, doch wenn ich heute nach Hause zurückkehre, scheint mir alles viel beengter


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