Die Schäferin von Yorkshire. Amanda Owen

Die Schäferin von Yorkshire - Amanda Owen


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zusammengekuschelt.

      Ich nannte sie Deefa, ein dummer Name eigentlich, aber mir fiel kein besserer ein. D für dog aber auch für different, denn sie war anders. Wenn ich ihr einen typischen Namen für Hütehunde gegeben hätte, so wie Fly, Nip oder Floss, hätte sie auch die daran geknüpften Erwartungen erfüllen müssen, und ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich ja gar keine Ahnung hatte, wie man einen Hütehund ausbildete. Ich hatte mit Schäfern und Farmern zusammengearbeitet, die ihre eigenen Hunde dabei hatten, ich hatte sie auch häufig bei ihrer Arbeit beobachtet, doch wie man einen Hütehund dazu bringt, die von ihm erwarteten Aufgaben zu erledigen oder ihn für sich arbeiten zu lassen, das war für mich ein großes Mysterium. Ich bekam eine Menge Jobangebote, von denen manche auch ohne eigenen Hund machbar waren. Im Grunde meines Herzens wusste ich aber, dass man als Schäfer oder Schäferin nur mit einem eigenen Hund ernst genommen wird. Meine Kleine und ich, wir waren im Grunde genommen beide noch so grün wie die Hügel um uns herum, aber vielleicht könnten wir es ja zusammen schaffen. Wir lernten gemeinsam und jeder lernte vom anderen. Ich wusste nicht, wie ich sie richtig ausbilden musste, aber ich wusste, was ich von ihr verlangen wollte. Ich dachte mir meine eigenen Zeichen für sie aus und wir hielten zusammen durch.

      Ich flehte sie praktisch an, für mich zu arbeiten. Wenn ich aus ihr einen guten Hütehund machte, würde mir das ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Ein Schäfer-Sprichwort sagt: »Nichts ist schlimmer wie’n rennender Schäfer«, wenn also ein Schäfer die Beine in die Hand nehmen muss, läuft irgendetwas schief.

      Wenn jemand sagt, er brauche einen Schäfer, dann meint er normalerweise einen Schäfer und einen Hund. Die beiden sind eins. Man kann zwar mit Cleverness und List die Schafe auch ohne Hund zusammentreiben und oft ist auch ein Quad sehr nützlich, doch mit Hund geht es einfach immer leichter und besser. Ich erinnere mich gut an eine Situation, als ich einmal den Little Mell Fell in der Nähe von Penruddock zu Fuß hinunterkam: offenes Moor zwischen Penrith und Keswick, ein grauer, nebliger Tag, nur Deefa bei mir. Die Schafe, die ich vor mir her trieb, brachen immer wieder aus, ich hatte zu allem Überfluss auch noch ein Lamm auf dem Arm und nichts lief wie es sollte. Deefa, mittlerweile eine schlaksige junge Hundedame, folgte mir wie immer bei Fuß. Sie war mir so treu ergeben, wie man es sich nur wünschen konnte, aber sie hatte sich nie selbst weiterentwickelt, um mir eine professionelle Hilfe zu sein – abgesehen von ein bisschen Gebell hier und da.

      »Bitte, bitte Deefa. Ich kann nicht mehr, kannst du schnell zurück zu den Schafen rennen? Bitte!«

      Heute schäme ich mich dafür, was ich dann tat, aber ich setzte mich tatsächlich hin, mit dem ruhenden Lamm als Kissen und weinte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in diesem kritischen Augenblick ein stillschweigendes Verständnis zwischen Mensch und Tier gab, denn Deefa preschte los, schnell wie ein Blitz, zielstrebig den herumirrenden Schafen hinterher.

      Ich konnte es kaum glauben. Mir hatte das keiner beigebracht, ihr hatte das keiner beigebracht. Ich glaube, dass damals ihr angeborener Instinkt, Schafe zu treiben, ans Licht kam. Ich benutzte einfach die Kommandos, die ich bei den anderen Schäfern gesehen hatte, mischte sie mit meinen eigenen Interpretationen, dazu viel Gefuchtel mit den Armen und Gestikulieren – das war’s. Deefa wurde ein Hütehund, sie musste einer werden, denn ich brauchte einen. Wir waren zwar nicht für Serien wie One Man and His Dog geeignet, denn meine Kommandos waren nicht die Üblichen und Deefas Laufstil und Laufwege waren eher ungewöhnlich, aber sie war meine gute Kameradin: Sie stand zu mir und ich zu ihr. Sie hatte – irgendwie – ihren Job gelernt.

      Durch meine unregelmäßigen Beschäftigungen musste ich das Leben nehmen, wie es war, wenn ich also knapp bei Kasse war, lebte ich von einer Packung Nudeln für 29 Pence und Deefas Mahlzeit bestand aus Tütenfutter (Mischung aus Getreide, Mais und Erbsen), dem ich durch einen Oxo-Brühwürfel in heißem Wasser einen Fleischgeschmack gab. Sie fraß es. Wir hatten beide keine andere Wahl und waren trotzdem fit wie ein Turnschuh. Ein paar Monate später kaufte ich Deefa einen Freund, einen stattlichen, rot-weißen Bearded Collie von einem Farmer namens Geordie. Geordie und Connie hatten eine Farm in einem kleinen, malerischen Dorf im Lake District, ein Touristenmagnet.

      Der Hund hatte ein sehr ausgeprägtes Territorialverhalten: Wenn irgendjemand auch nur einen Fuß in sein Revier setzte, ging er auf ihn los. Er konnte seine Zähne in ein Schienbein bohren und so schnell wieder verschwinden, dass das Opfer gar nicht sah, wer ihm die Wunde zugefügt hatte. Er war aber ein prima Hund und ich hatte auch gar keine Probleme mit seinem Revierverhalten, wahrscheinlich deswegen, weil wir ständig von einer Farm zur nächsten zogen. Es gab nur einen kleinen Nachteil: Der Hund hieß Roger, und das war einfach ein lächerlicher Name für einen Hütehund. Es war so peinlich, auf der Weide zu stehen und »Roger« zu rufen, dass ich den Hund wegen seiner Farbe zuerst in ›Red Roger‹ und später einfach in ›Red‹ umbenannte.

      Er war ein lustiger Geselle fortgeschrittenen Alters, der in seinen besten Zeiten ein brillanter Hütehund für Kühe gewesen war. Viele Jahre lang hatte er Geordies kleine Herde Milchkühe in die Ställe getrieben und er wusste noch immer gut mit Schafen umzugehen. Allerdings hatte das Alter ihn streitsüchtig gemacht, er war immer mal wieder launisch und bockig. Doch Tatsache war: Ich hatte zwei Hütehunde, konnte professionell arbeiten und wirkte glaubwürdig als Schäferin.

      Ich begann, mir eine eigene kleine Menagerie zusammenzustellen. Auf meinen Reisen durchs Land erwarb ich ein paar Lämmer, von denen die Farmer meinten, sie wären zu schwach, um zu überleben. Es gelang mir nicht, alle durchzubringen, aber die meisten Flaschenlämmer schafften es. Mein eigener Garten war groß genug für sie und Alpaka-Pat erlaubte mir auch, die Lämmer auf ihre Weiden zu führen. Es fiel mir nicht leicht, sie später auf dem Viehmarkt zu verkaufen, und die Farmer waren ziemlich verärgert: »Wir haben dir die Lämmer gegeben, damit du schnell ein bisschen Geld verdienst, und nicht, damit du sie ewig großziehst und dein ganzes Geld reinsteckst.«

      Ich bekam auch eine Toggenburger Ziege namens Flymo (wie der Luftkissenrasenmäher). Sie war ein sehr hübsches, braun-weißes Geschöpf mit starkem Charakter. Ihr Name sprach Bände. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite meines Häuschens war ein breiter Grünstreifen, wo ich sie festband. Dort verspeiste sie alles Unkraut rundherum, Brennnesseln eingeschlossen. Fremde Leute kamen an meine Tür und baten mich, Flymo auch auf ihren Grünflächen fressen zu lassen. So befreite meine Ziege nach und nach das ganze Dorf von Unkraut. Ich nahm Flymo natürlich mit nach Ravenseat, zu Clives Verdruss, denn er ist nicht gerade ein Ziegenfreund. Ich muss zugeben, er hatte Recht mit seinen Befürchtungen, aber dazu später mehr …

      Ich vergrößerte meinen Zoo um ein Pferd namens Bruno, denn ich hatte mittlerweile einen weiteren Stall zu Verfügung. Ich war dem alten Farmer Collin bei seiner Handvoll Schafe, die er noch versorgte, behilflich gewesen, und als Bezahlung durfte ich den Stall nutzen. Also kaufte ich beim Cowper Day Sale, einem großen Pferdemarkt, der jeden Herbst in Kirkby Stephen stattfindet, ein Fohlen. Ich bezahlte die stattliche Summe von 20 Guinees3 dafür, ein Freund brachte mir das Pferd mit seinem Anhänger vorbei. Das Tier war nicht gerade ein Hingucker – nur ein kleines, einsames, struppiges, geschecktes Pony – aber es gehörte mir. Mein allererstes Pferd!

      Mein VW Polo hatte mir gute Dienste geleistet, aber die holprigen Feldwege mit ihren tausend Schlaglöchern waren gnadenlos und gaben ihm irgendwann den Rest. Auch innen hatte der Wagen durch den Transport von Lämmern, Hunden und Farmzubehör ziemlich gelitten. Er war in einem katastrophalen Zustand, aber irgendwie konnte ich ihn für ein paar Pfund doch noch verkaufen. Der Käufer meinte, er habe noch nie solch ein vergammeltes, ruiniertes Auto gesehen. Keine Ahnung, warum er mir überhaupt etwas dafür gab.

      Mein nächstes Auto war ein Pickup mit Vierradantrieb, ein Hilux, der den Bedürfnissen einer herumreisenden Schäferin bestens entsprach. Dachte ich jedenfalls. Der Wagen wurde in der Lokalzeitung für 1000 Pfund angeboten. Das war, wenn auch viel Geld für mich persönlich, ein Schnäppchen. Es war genau das Auto, das ich gesucht hatte und zu der Zeit auch bezahlen konnte. Erst nach dem Kauf merkte ich, warum der Wagen so billig war: er brauchte Benzin, keinen Diesel. Da ich es mir gar nicht leisten konnte, den Tank vollzufüllen, versuchte ich herauszufinden, an welcher Tankstelle ich die kleinste Menge tanken konnte. Ich tankte jedes Mal für zwei bis drei Pfund, denn nur die hatte ich meistens flüssig. Ich merkte mir die wenig befahrenen und steileren Straßen, wo ich im Leerlauf


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