NOLA Knights: His to Defend. Rhenna Morgan

NOLA Knights: His to Defend - Rhenna Morgan


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      Meistens.

      Sie hatte Evie, trotz ihrer turbulenten vorpubertären Teenagerzeit und Daddys Tod, allein großgezogen und hatte es so leicht aussehen lassen. Erst nachdem Emerson ein Jahr alt geworden war, hatte Evie den Mut aufgebracht, einige der Tagebücher ihrer Mutter zu lesen, und hatte festgestellt, wie groß die Herausforderung tatsächlich für sie gewesen sein musste. Wie viel sie aufgegeben hatte und wie allein sie sich in jeder Sekunde gefühlt hatte.

      Jetzt verstand Evie es. Sie erlebte selbst, welche Opfer ihre Mutter für sie hatte bringen müssen.

      Und sie hatte alles weggeworfen, während sie sich in ihrer Trauer verkrochen hatte.

      Entschlossenheit und eine Menge Sturheit gaben ihr einen neuen Energiekick und brachten sie dazu, sich in ihrem Sitz aufzurichten. Selbstmitleid war genau das, was sie erst in diese Situation gebracht hatte. Sie würde den Teufel tun, ehe sie wieder dort hineingeraten würde. Frauen der Labadie-Familie warfen niemals alles hin. Gaben nie auf. Sie stellten sich den Dingen, denen sie sich zu stellen hatten, und sie taten es mit einem Lächeln im Gesicht. Vielleicht würde sie einen Weg finden, Emerson und ihr selbst die Welt zu Füßen legen zu können. Möglicherweise musste sie nur eine Weile länger sparen und etwas kreativer werden, um es zu schaffen.

      Die Bremsen des Busses quietschten und die alte Dame neben ihr fiel gegen sie.

      Evie spannte sich an, um sie beide im Sitz zu halten, und lächelte auf ihre Mitfahrerin hinab. „Steigen Sie hier aus, Ms. Arnold? Sie wissen doch, Dorothy’s Freitagsangebote sind die Besten in der Woche.“

      Ms. Arnold warf ihr ein strahlendes Lächeln zu und presste ihre Einkaufstasche fester gegen ihre Brust. Ihre blauen Augen mochten vielleicht in den letzten Jahren ein wenig trüber geworden sein und die Falten in ihrem Gesicht etwas tiefer, aber ihr liebevolles Herz war genauso stark wie eh und je.

      „Nein, nein, Evette. Der Weg zum Lebensmittelladen ist nicht mehr so einfach, wie er einmal war. Es ist besser, wenn ich meine müden Knochen nach Hause schaffe, bevor es dunkel wird.“

      Eine kluge Entscheidung. Besonders in diesem Teil der Stadt, wo eine Frau wie Ms. Arnold ein gefundenes Fressen für Räuber wäre.

      Nachdem Evie sicher war, dass die ältere Frau ihre Balance wiedergefunden hatte, erhob sie sich, schulterte ihre Handtasche und unternahm einen weiteren Versuch, dieselbe Diskussion mit der Nachbarin zu führen, die sie seit einem Jahr mit ihr führte. „Sieht so aus, als sollten Sie diesen schicken Lebensmittelbringdienst nutzen, den alle anderen Anwohner verwenden, um ihre Besorgungen zu erledigen. Es wäre viel weniger stressig.“

      Ms. Arnold hob ihr Kinn ein bisschen höher und wurde zum Inbegriff einer Südstaatenfrau mit eisernem Kern. „Selbstversorgung ist ein Privileg für mich. Das werde ich solange tun, wie der liebe Gott mich lässt.“ Sie nickte in Richtung der Bustüren. „Besser, Sie machen sich selbst auf den Weg zu Dorothy’s und ihrem gut aussehenden Jungen.“

      Verdammt. Schon wieder mundtot gemacht worden. „Na gut, aber glauben Sie nicht, dass wir nicht auch das nächste Mal darüber reden werden.“

      „Ich freue mich darauf, hübsches Mädchen.“

      Evie schüttelte den Kopf und ging zu den Türen.

      „Evette.“ Ms. Arnolds scharfer Tonfall brachte sie dazu, innezuhalten. Sie wartete, bis Evie ihren durchdringenden Blick erwiderte, ehe sie weitersprach. „Es wird alles gut werden. Was immer es auch sein mag … es wird Sie nicht kleinkriegen. Vergessen Sie das nicht.“

      Evettes Kehle zog sich zusammen, und Tränen drohten ihr die Sicht zu vernebeln. Vielleicht würde sie nie mehr die Gelegenheit haben, Ms. Arnold die Anfahrt mit dem Bus zum Lebensmittelladen auszureden. Jedenfalls nicht, wenn ihr nächster Job nicht auch in derselben Gegend lag, in der sie bisher gearbeitet hatte. Sie umschloss das Geländer neben den steilen Stufen mit einer Hand fester und zwang sich zu einem Lächeln, das sie nicht im Geringsten fühlte. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ms. Arnold. Es braucht mehr als einen oder zwei Tritte, um mich runterzuziehen.“

      Die ältere Dame nickte, als hätte sie eine solche Antwort erwartet, und kehrte dann dazu zurück, aus dem gegenüberliegenden Fenster zu starren. „Gutes Mädchen. Und nun gehen Sie schon zu Ihrem Jungen und sagen Sie Dorothy ‚Hallo‘ von mir.“

      Die Temperatur draußen lag bei fast neunundzwanzig Grad. Eigentlich gar nicht so unangenehm, dafür, dass es bereits Ende September war. Doch die Luftfeuchtigkeit des Golfstroms und der ergiebige Regen von letzter Nacht im Quarter machten das Ganze nicht wirklich zu einem angenehmen Spaziergang auf den Straßen. Sie eilte an dem albernen Souvenirgeschäft, einem Gemischtwarenladen und einem Pub vorbei. Letzterer entließ einen leichten Hauch von Zigarettengeruch auf den Bürgersteig, obwohl die Tür geschlossen war, um die kühle klimatisierte Luft drin zu behalten. Am Ende der Straße stand Dorothy’s Diner wie ein Leuchtturm im Viertel. Der Eingang lag direkt an der Ecke. Zwei große Fenster von etwa dreieinhalb Metern Länge erstreckten sich zu beiden Seiten, damit vorbeischlendernde Passanten einen guten Blick auf die Menschenmenge darin bekamen.

      Und es gab stets eine Menschenmenge bei Dorothy’s. Wenn es um Diners ging, war das hier eine Institution. Ein Zufluchtsort inmitten der Hölle und ein Stückchen Himmel voller Seelenfutter in einem.

      Wie immer saß Emerson auf dem Barhocker, der der Eingangstür am nächsten war, an der Theke im Soda-Shop-Stil. Seine Schultern waren etwas nach vorn gebogen und seine Unterarme umrahmten seinen Teller, als wäre er ein Linebacker, der sein Essen verteidigen müsste. Sein dunkelblondes Haar rührte eher aus der Familienlinie ihres Vaters her, war ein wenig zu lang und wie bei allen siebenjährigen Jungs nach einem langen Schultag total zerzaust. Doch sein Gesichtsausdruck war leer. Seine haselnussbraunen Augen waren zu gleichgültig für jemanden, der so jung war wie er.

      Sie zwang sich zu einem weiteren falschen Lächeln und schob die Glastür auf. Die Glocke oberhalb der Tür gab ein fröhliches Klingeln von sich und zwei oder drei Bedienungen riefen ihr eine Begrüßung zu.

      Evie winkte ihnen freundlich zu, ging aber direkt zu ihrem Kind und verstrubbelte dessen Haar ein wenig mehr. „Hey, Champ. Wie war die Schule?“

      Nur für einen kurzen Moment erwiderte ihr Sohn ihren Blick. Nur der Hauch eines Lächelns zeigte ihr, dass irgendwo tief da drin noch dieses kleine Kind steckte, das sich vor nicht allzu langer Zeit unschuldig auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte. Die Offenheit war mit einem Augenblinzeln wieder verschwunden, und mit einem mürrischen Blick, den sie wirklich zu hassen begonnen hatte, sah er zurück auf den Teller voller Putenfleisch mit Soße. „Ein Tag wie immer.“

      „Ja, aber es ist Freitag, und jeder weiß doch, dass Freitage besser als alle anderen Tage sind.“ Sie ließ sich auf dem Barhocker neben Emerson nieder und stellte ihre Handtasche neben ihren Füßen auf der erhöhten Stufe ab. „Ist irgendetwas Besonderes passiert?“

      Emerson schüttelte den Kopf.

      „Irgendwelche überraschenden Tests?“

      Wieder ein Kopfschütteln.

      „Irgendwelche niedlichen Mädchen getroffen?“

      Daraufhin hob er seinen Kopf und starrte sie an, als ob er hin- und hergerissen wäre, ohne sie nach Hause zu gehen oder ihr vorzuschlagen, dass sie ihr Gehirn mal untersuchen lassen sollte.

      „Nun, wenigstens das hat deine Aufmerksamkeit erregt“, sagte sie. „Weißt du, als ich in deinem Alter war, konnte meine Momma mich nicht dazu bringen, die Klappe zu halten.“

      Emerson schob eine Bohne, die sich zu nah an seine Soße verirrt hatte, zurück in ihr Exil auf der anderen Seite des Tellers. „Gibt keinen Grund zu reden, wenn nichts los war.“

      „Hmm.“ Sie kreuzte ihre Arme und tat so, als würde sie die anderen Gäste im Diner beobachten, während sie sich den Kopf darüber zerbrach, wie sie mit ihrem Sohn umgehen sollte. Er mochte erst sieben Jahre alt sein, aber er drückte sich kultivierter aus als mancher Erwachsene.


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