Dan Henry - Blas zum Angriff. Stig Ericson

Dan Henry - Blas zum Angriff - Stig Ericson


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bist ein guter Klarinettist, Dan Henry“, sagte Louis Schick nach einer Vormittagsprobe. „Und du würdest vermutlich auch einen guten Trompeter abgeben. Du hast den Mund dazu ...“

      Das war ungefähr eine Woche nach dem Ball in Bismarck. Die Sonne schien durch ein staubiges Fenster, und die Bodenplanken knarrten unter seinen schweren Stiefelschritten. Er musterte mich von vorne und von der Seite.

      „Genau die richtigen Lippen ...“

      Dann nahm er die Signaltrompete von einem Haken an der Wand. Sie war ziemlich klein, und als er sie gegen seine offene Hand schlug, hörte man, wie dünn das Metall war.

      „Das hier ist das Herz der Kavallerie“, erklärte er. „Die Trompeter sind diejenigen, welche das Ganze in Schwung bringen. Die Trompeter sind es, die etwas Leben in die ganze verdammte Schau da draußen hineinpusten!“

      Ich stand mit meiner Klarinette in der Hand da und begriff gar nichts, bis er mir die Trompete reichte und mich aufforderte, sie auszuprobieren.

      Blas nur drauflos! Sie wird schon nicht kaputtgehen!“

      Es gelang mir, ein paar Töne herauszupressen. Meine Lippen kitzelten.

      „So ja. Fürs erste Mal könnte es schlechter klingen. Und jetzt wieder ran ...“

      Ich spannte die Lippen und preßte neue Töne hervor. Der ganze Kopf vibrierte, und für meine Ohren klang es, als ob man einem Hund auf den Schwanz treten würde, aber Louis Schick war zufrieden und sagte, daß Trompeter gebraucht würden und daß er mit dem Regimentstrompeter Hardy sprechen werde.

      „Für den Anfang mußt du mindestens eine Stunde täglich blasen!“

      Ich ging in einem Korridor auf und ab und blies lange Töne, bis meine Lippen gefühllos wurden und die Luft neben dem Mundstück herauszischte.

      „Laß sie einfach anschwellen. Und dann halt den Ton hoch. Spann die Mundwinkel an!“

      Ich blies Dreiklänge, übte einfache und schwierige Mundstellungen. Der Regimentstrompeter Bill Hardy war an den Tagen, an denen er nüchtern war, ein guter Lehrer. Sonst redete er meistens nur von Frauen, und wenn ich spielte, sagte er nur „gut so, gut so“.

      Obwohl meine Lippen schmerzten, machte es mir Spaß, Trompete zu blasen. Ich hatte etwas Neues bekommen, für das ich mich begeistern konnte, ein Ziel, das ich anstreben konnte. Ich machte gute Fortschritte, und bald konnte ich alle Signale; die standen ganz hinten in einem dicken, abgegriffenen kleinen Buch, das Cavalry Drills And Tactics hieß.

      Damals ahnte ich noch nicht, daß ich wegen der Trompete gezwungen sein würde, an einer Tragödie teilzunehmen, die mich beinahe mein Leben kosten und deren Ungeheuerlichkeit meine Einstellung zu den meisten Dingen ändern sollte.

      Auf das Trompetespielen ging auch mein erster und einziger Besuch in Whisky Point zurück, ein Erlebnis, das mich gleichfalls stark beeindrucken sollte.

      Es begann mit einem Scherz.

      Eines Abends, als wir Unterricht hatten und Bill Hardy dasaß und von Frauen und von seiner Kindheit in Boston sprach, kam Otto Arndt herein, trommelte gegen die Wand und sagte, daß die süßen Püppchen in Whisky Point jetzt wohl ein sehr anstrengendes Leben führen müßten. Er sah Bill und mich auf seine herausfordernde Art an, und keiner von uns verstand so recht, was er meinte.

      „Du störst den Unterricht“, sagte Bill Hardy.

      „Quatsch ...“

      Otto Arndt strich langsam an der Wand entlang und schlug bei jedem Schritt die Absätze in einer Art Dreivierteltakt zusammen, während er mit den Handflächen gegen die Schenkel trommelte.

      Bill Hardy stöhnte.

      „Merkst du denn nicht, wenn du überflüssig bist?“

      „Wann haben wir zuletzt Geld bekommen?“

      Otto Arndt stand jetzt ganz still und starrte Bill Hardy mit gespieltem Ernst an. Plötzlich blitzten Bill Hardys Augen ebenfalls auf.

      „Meinst du ...?“

      „Genau das meine ich. Wir werden die einzigen dort sein! Die rollen glatt den roten Empfangsteppich für uns aus. Die streuen uns Blumen vor die Füße. Verflixt noch mal – die machen’s doch für den halben Preis, nur um überhaupt ein bißchen angewärmt zu werden!“

      „Übermorgen – ist da nicht Zahltag?“ fragte ich.

      „Und keine Patrouille zu befürchten“, sagte Otto Arndt zu Bill Hardy.

      „Nein, kaum. Aber – Geld?“

      „Wir leihen uns welches von Frank. Ich höre nämlich immer brav und geduldig zu, wenn er von diesem Fleckchen Erde in Wisconsin spricht, das noch kein Mensch außer ihm bis jetzt entdeckt hat.“

      „Du bist doch nicht ganz so dumm“, sagte Bill Hardy zu Otto Arndt.

      „Wie was?“

      „Wie du aussiehst. Dafür kannst du selbstredend deinem Schöpfer auf Knien danken ...“

      Bill und Otto waren ungefähr gleichaltrig, vielleicht zehn Jahre älter als ich, und hatten schon einige Dienstjahre hinter sich. Ich fühlte mich jung und ausgeschlossen, und als Bill Hardy mich streng anstarrte und kommandierte: „Nimm die Trompete auf, Musiker Henry!“ wurde mir ganz heiß vor Verdruß.

      Ich nahm die Trompete.

      „Blas einen Dreiklang vom tiefen F zum hohen C. Aber Legato, wenn ich bitten darf. Ich will keine Stöße hören!“

      Ich füllte die Lungen und arbeitete mich wütend die Oktaven hoch, bis ich ein klares, klingendes C erreichte.

      „Du hast die Probe bestanden“, erklärte Bill Hardy.

      „Jetzt kommt es nur darauf an, daß man anständig aussieht.“

      Er rieb seine Mütze am Ärmel ab, rückte den Leibriemen zurecht und streckte sich. Die Uniform stand ihm gut. Er war lang und schlank und hatte eine gute, aufrechte Haltung, und sein etwas narbiges, regelmäßiges Gesicht paßte gut zur Schildmütze. Er war das, was man einen stattlichen Soldaten nennen könnte.

      „Welche Probe?“ fragte ich.

      „Glaubst du etwa, daß wir jeden x-beliebigen zu the Point mitnehmen würden, was?“ Er boxte mich leicht an die Brust. „Dieses hohe C war einen Whisky wert, Danny. Aber für das Mädchen mußt du selbst aufkommen.“

      „Ich leihe dir auch ein paar Dollar“, sagte Otto Arndt. Bill Hardy schlug die Absätze zusammen und nahm stramme Haltung an. „In zehn Minuten bei der Bäckerei! Ausrüstung: Mäntel und geliehenes Geld!“

      Als ich meinen Mantel aus der Mannschaftsstube holte, wollte Conrad Beck wissen, was ich vorhätte, und ich berichtete es ihm mit einer gewissen Genugtuung.

      Er sah mich etwas fragend an.

      „Bill Hardy und Otto Arndt wollen mich mitnehmen“, sagte ich.

      „Sind sie nüchtern?“

      „Es wirkt so. Einigermaßen, wenigsten.“

      „So, so ...“

      Sein Verhalten beunruhigte mich. Irgendwie hatte ich wieder das Gefühl, ihn zu enttäuschen, daher fragte ich, ob er nicht mitkommen wolle.

      „Zu the Point? Nein ...“

      Er schüttelte den Kopf, lächelte sein nach innen gekehrtes Lächeln und spielte weiter mit seinen Würfeln. Fort Lincoln war ganz offen, so daß es einfach war, unbemerkt zum Fluß hinunterzukommen.

      „Heute abend, Danny, mein Lieber!“ sagte Otto Arndt. „Du bist doch noch nie dagewesen, oder?“

      „Nein.“

      Mir war nicht ganz klar, was er meinte, aber ich hatte so meine Vermutungen, und als wir über die verschneite Eisdecke des Missouri gingen und die gelblichen Lichter von Whisky Point


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