Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman. Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman - Marisa Frank


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Meer sehe und die weite, menschenarme Landschaft, also, ich denke, in New York gefällt es mir doch besser. Sie brauchen nicht länger in alten Chroniken zu schnüffeln, Archie. Ich bin Amerikanerin und bleibe es auch. Mein Sohn war eigentlich von Anfang an gegen das ganze Unternehmen.«

      »Dabei fließt wirklich das Blut der Norawas in seinen Adern«, Archie grinste, »wenn er daraus auch kein Recht auf einen Titel herleiten kann.«

      »Wieso?«

      »Natürlich bin ich bei meinen Nachforschungen zu einem Ergebnis gekommen. Ich glaubt doch wohl nicht, daß ein Lord of Duncaster etwas nicht erreicht, was er sich vorgenommen hat, auch wenn Seine Hoheit der König die fraglichen Seiten aus der Chronik entfernt hat. Erlauben Sie, Hoheit, daß ich das Geheimnis trotzdem lüfte?«

      König Maximilian Peter wußte nicht so recht, ob er empört sein oder die Angelegenheit lieber von der humorvollen Seite nehmen sollte.

      Er ahnte schon, daß es sich bei dem Unternehmen der beiden jungen Männer mehr oder weniger um einen Ulk handelte, und wenn er an seine eigene Jugendzeit dachte, so hatte er dafür volles Verständnis. Und außerdem war ihm Archie von Anfang an sehr sympathisch gewesen.

      So nickte er nur, und in seinen Augen erschien schon ein kleines Lächeln.

      »Danke«, sagte Archie und wandte sich Allan zu. »Du hast das Blut der Norawas in den Adern, mein Freund«, erklärte er pathetisch, »aber der Titel gebührt dir nicht. Weil nämlich in früheren Zeiten einmal eine Prinzessin aus diesem Schloß der Stimme ihres Herzens gefolgt und bei Nacht und Nebel ausgerissen ist in die Arme des geliebten Mannes. War er ein Seeräuber, ein Kaperkapitän? Das weiß man nicht so genau, jedenfalls muß er ein Teufelskerl gewesen sein. Die beiden sind nach Amerika geflohen, sie gründeten eine Familie und lebten glücklich und zufrieden unter dem Namen Noraway – der Mann hatte wohl Grund, seinen eigenen Namen zu verschweigen. Nun ja, und sie sind die Stammeseltern eurer Familie.«

      Gwendolyn Noraway hatte glänzende Augen bekommen.

      »Ach, wie romantisch!« schwärmte sie. »Ein Seeräuber! Das ist ja noch viel interessanter als ein König. Wie werden meine Freundinnen staunen, wenn ich es ihnen erzähle.«

      »Und warum hast du die fraglichen Seiten aus der Chronik entfernt, Maximilian?« fragte nun Königin Ilara Theresia, die ebenfalls inzwischen herangekommen war.

      »Hm, ich wollte nicht, daß die Angelegenheit an die große Glocke gehängt wird«, entgegnete der König. »Und außerdem – unsere Tochter sollte sich nicht ein Beispiel an ihrer Ahnin nehmen und ebenfalls ausreißen, wenn sie sich verliebt hätte.«

      »Also, nun wäre ich beinahe doch ausgerissen,Vati!« jauchzte Edina.

      Sie hatte sich glücklich in Archies Arm geschmiegt, und es sah ganz so aus, als wollte sie sich nie mehr daraus lösen.

      »Erlaubst du, daß ich bei Archie bleibe?«

      Nun lachte der König, und man sah ihm an, daß er im Grunde sehr zufrieden war mit seinem Schwiegersohn.

      »Schade«, sagte er schmunzelnd, »wir verlieren dadurch den besten Butler, den wir je hatten.«

Die verlassene Braut

      Gräfin Auguste Sturmeck sah in den Spiegel und lächelte zufrieden.

      »Eigentlich bin ich eine hübsche alte Dame!« stellte sie fest. Sie hatte nie den ohnehin vergeblichen Versuch unternommen, jünger auszusehen, als sie tatsächlich war. Schließlich konnte jeder im Gotha nachlesen, wann sie geboren war! Und wozu auch? Wenn man gepflegt war, sich geschmackvoll und passend kleidete und auf seine Linie achtete, dann war es nicht so schwierig, sich gut zu halten.

      Freilich, das gab sie ehrlich zu: das Schicksal hatte es gut mit ihr gemeint! Sie war in einem liebevollen und wohlhabenden Elternhaus aufgewachsen, hatte ihre erste große Liebe geheiratet und war die ganze Ehe hindurch sehr glücklich gewesen.

      Um so bitterer war natürlich der relativ frühe Tod ihres Gatten. Doch dagegen aufzubegehren war sinnlos – und sie hatte ja ihren Sohn und die reizenden Enkelkinder!

      Aus dem für sie zu großen und zu anspruchsvollen Schloß war sie nach dem Tod ihres Mannes ausgezogen: zu viele Erinnerungen lebten darin. Und ihr Sohn Gotthard und seine Frau Eliane – nun, ihr Typ war sie nicht, und wenn sie sich in diese Dinge eingemischt hätte – aber das war schließlich die Privatangelegenheit eines jeden, und zweifellos sah sie gut aus, war tüchtig, zu tüchtig, ehrgeizig, zu ehrgeizig, aber sie hatte ihre Kinder hervorragend erzogen, und die drei waren wirklich eine reine Freude.

      Gräfin Auguste hatte das Kavaliershaus, das ebenso alt war wie das Schloß, immer schon geliebt. Früher war es ausschließlich für Gäste verwendet worden, nun lebte sie hier. Wenn sie Besuch bekam, wohnte er bei ihr, sonst waren für die Gäste Zimmer im Schloß bereit. Platz war ja genug!

      Gräfin Auguste war eher klein, zierlich, sehr schlank, hatte wunderschönes weißes Haar, das ihr feines Gesicht schmeichelnd umgab, leuchtend dunkelblaue Augen, deren Wimpern sie sorgfältig tuschte, und auch die leider inzwischen weißen Augenbrauen zog sie dezent nach.

      Make-up benutzte sie nur bei besonderen Anlässen und auch da sehr sparsam, und ihre Lippen schminkte sie in einem natürlichen Rosa.

      Gott sei Dank: Ihre Zähne waren gut! Sie hatte immer sehr darauf geachtet!

      Sie war energisch, wenn es sein mußte – aber nicht so energisch, daß es sich in harten Linien in ihrem Gesicht ausgedrückt hätte. Ihre Freunde und Verwandten schätzten sie, ihre Angestellten achteten sie und hingen ihr treu an, ihre Enkel – das war das Wichtigste! – liebten sie! Und Sohn und Schwiegertochter – nun, sie kam blendend mit ihnen aus, denn sie lebte sehr zurückgezogen und kam nur auf Einladung hinüber ins Schloß.

      Gräfin Auguste lebte in dem Kavaliershaus mit ihrer alten Haushälterin, die auch für sie kochte. Sehr gut, übrigens. Für die sonst anfallenden Arbeiten, oder wenn sie einen ihrer seltenen Besuche bekam, half das zahlreiche Schloßpersonal aus.

      Jetzt erhob sich Gräfin Auguste, betrachtete nochmals das für ihre siebenundsechzig Jahre befriedigende Ergebnis ihrer Bemühungen in dem großen, eleganten Empire-Spiegel und ging dann hinunter in den Rokoko-Salon, in dem sie zu frühstücken pflegte: mit den hellen, zarten Farben, den zierlichen Möbeln, den hübschen goldgerahmten Schäferszenen war er genau richtig, um heiter den neuen Tag zu beginnen.

      Die silberne Kaffeekanne stand bereits auf dem gleichfalls silbernen Stövchen und Auguste war eben dabei, sich eine Tasse einzuschenken, als sie draußen die leider etwas schrille Stimme ihrer Schwiegertochter hörte.

      Schade, jetzt würde sie nicht in Ruhe die letzten Nachrichten in der Tageszeitung lesen können!

      Die Tür flog auf, und Eliane strömte herein.

      »Verzeih’, daß ich so hereinplatze, Mama! Aber ich habe eine so wunderbare Nachricht! Ich wollte, daß du es gleich erfährst!«

      »Wie lieb von dir!« erwiderte Auguste lächelnd und ließ sich beide Wangen küssen. »Möchtest du einen Kaffee mit mir trinken?«

      In der Tür wartete noch Emma, um etwaige Anordnungen entgegenzunehmen.

      »Nein! O nein! Ich bin ohnehin so überdreht!« Eliane lachte, auch etwas zu laut.

      Auguste wollte Emma ein Zeichen geben, daß sie sich zurückziehen könnte, doch Eliane, ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit, sie hielt sehr auf Abstand zum Personal, protestierte:

      »Aber nein! Bleiben Sie, Frau Emma! Sie müssen es mithören!«

      Daraufhin kam Emma ganz in den Salon, schloß die Tür hinter sich und faltete die Hände über ihrer weißen Schürze, die diskret ihre stämmige Gestalt in dem blauweiß gestreiften Kleid umhüllte.

      »Mama! So ein Glück!« Eliane schlug theatralisch ihre Hände zusammen. Sie trug wieder einmal schon am frühen


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