himmlisch heiße Schleckereien zu Weihnachten. Jennifer Schreiner

himmlisch heiße Schleckereien zu Weihnachten - Jennifer Schreiner


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      »Das sagt ja der Richtige!« zog Joanna ihn auf. Eine der wenigen Frauen, die damit bei seinem ältesten Bruder durchkamen. Hauptsächlich, weil sie sich weder durch sein Macho-Gehabe noch von seiner Dominanz beindrucken ließ und beides durchschaute. »Wann war denn dein letztes Mal? Das Jahr genügt mir.«

      Darri verdrehte stumm die Augen und schlenderte mit seiner kleinen Gruppe weiter und versuchte seine Aufmerksamkeit auf den ausgestellten Bildern zu halten. Sie waren ästhetisch – aber übertrieben. Und egal, wie Darri es drehte, er konnte den richtigen Begriff für diese Art Kunst nicht finden, nicht die Emotionen, die dahintersteckten. Vermutlich war die Künstlerin jemand, der litt oder leiden wollte oder sollte.

      »Gestern, mein Schatz, gestern«, teilte Isaac mit einiger Überheblichkeit in der Stimme mit. Dabei strich er sich demonstrativ durch die angegrauten Haare, die ihm einen erfahrenen Touch verliehen und gerade die richtige Portion Würde. Wenn Darri es nicht besser wüsste, würde er behaupten, sein Bruder investiere sehr viel Geld in einen Friseur, der ihm die Haare farblich stylte. Stattdessen meinte er: »Für dich ist das immer so einfach, nicht wahr.«

      »Nein, aber es ist sicher!«, behauptete sein Bruder und kurz trafen sich ihre Blicke, leuchtendes Blau tauchte in kühles Eisblau. Darri war der erste der Wegsah. Nur zu gut kannte er das Gefühl, das Isaac in Worte gefasst hatte, ohne es auszusprechen. Manchmal waren »sichere« Vergnügungen eben alles, was man tolerieren konnte; manche Wunden heilten eben langsamer als andere.

      Selbst Joanna nickte und behielt jeden spitzen Ratschlag, jede geistreiche Bemerkung für sich. Lediglich ihr Blick, der liebevoller wurde und zu Ruben schweifte, verriet ihren Gedankengang. Und nicht zum ersten Mal beneidete Darri seinen Bruder.

      Zumindest bis er sah, wie ein älterer Mann auf ihre Gruppe zusteuerte. Das silbergraue Haar war zu lang, aber immerhin zu einem Zopf zurückgebunden, die Sonnebrille wie immer vollkommen Fehl am Platze. Allein der Anblick ließ seinen Puls schneller gehen – und seine Emotionen in ein anderes Gefühl umschlagen. Kein gutes.

      Für einen Augenblick war Darri versucht, sich hinter Isaac oder Joanna zu verstecken, auch wenn es dafür schon längst zu spät war. Natürlich hatte der andere ihn entdeckt und würde ihn vermutlich gleich um seine Teilnahme an irgendeiner Modenshow oder Fotokampagne bitten.

      »Da ist er ja, der kleinste Engel der Welt!«, jubelte der Modeschöpfer gerade laut genug, dass ihn die Umstehenden hören konnte.

      Oh, wie Darri diesen Titel hasste. Es gab nur eine einzige Sache, die er noch mehr hasste: Dabei gute Miene machen zu müssen.

      »Junge, du hast sie gestern wieder alle bezaubert!« Der alte Mann legte seinen Arm um Darris Schultern und dirigierte ihn zur Seite, um unter vier Augen mit ihm sprechen. Darri folgte ihm zwar, war aber versucht, die Berührung wegzuwischen.

      »Du solltest dir überlegen, ob du nicht lieber vor der Kamera deinen Platz suchst. Ich habe vier Anfragen bekommen – und eine der bekanntesten Modefirmen will dich zum Gesicht des Jahres machen.«

      »Will ich nicht!«, erklärte Darri mit einer Entschiedenheit, die selbst ihn überraschte. Aber selbst das Fotografieren der Models war ihm auf die Nerven gegangen. Fotos waren ein Hobby von ihm, eine Leidenschaft. Und nichts, was er gerne als Brotjob machen wollte, Auch weil er sich seine Freiheit erhalten wollte.

      »Schwer zu akzeptieren, aber in Ordnung«, meinte der andere, obwohl sein Gesichtsausdruck deutlich sagte, dass er diese Sache auf keinen Fall würde ruhen lassen. Aber heute wollte er etwas anderes und kam deswegen auch sofort auf den Punkt: »Ich möchte, dass du diese Ausstellung heute fotografisch begleitest.«

      »Ein bisschen spontan, oder?«, meinte Darri, sah sich aber beinahe augenblicklich um und veränderte geistig den Blickwinkel auf das Geschehen, weil ihn einige Motive tatsächlich bereits vorher angesprochen hatten.

      »Der Fotograf ist eben geflohen«, erklärte der Modeschöpfer, der schon so lange in der Branche beschäftigt war, dass einige munkelten, er hätte sie erst erschaffen.

      Darri nickte. Das glaubte er sofort. Nicht nur wegen der Launen des Modegurus, sondern auch wegen der ausgestellten Kunst. Beides war nichts für sensible Künstler.

      »Er hat mir seine Ausrüstung dagelassen, du kannst sie dir leihen«, erklärte der Designer und sah Darri so hoffnungsvoll an, als habe der sich bereiterklärt, als neue Muse zu fungieren.

      »Kann er nicht!« Die Frau, die ihm einen Gin Tonic spendiert hatte, war unbemerkt hinter ihn getreten und hatte wohl einen Teil des Gesprächs belauscht.

      »Kann ich nicht?« Darris Blick irrte zu ihr, aber schließlich zuckte er mit den Schultern. So scharf war er auch nicht auf einen ungeplanten Job. Zumindest nicht, bis sie hinzufügte: »Er hat kein Auge für Schmerz, Zerrissenheit … vielleicht noch für Schönheit, das mag sein … aber der Rest. ..«

      Darri konnte spüren, wie der Geduldsfaden, den er die letzte halbe Stunde mühsam zusammengehalten hatte, riss. »Und das ist so, weil alle Leute, die gut aussehen, gut sind? Oder nett?«, fauchte er. »Ein kleine Engel?«

      Der Designer räusperte sich und trat einen Schritt vor, um Darri von der Künstlerin fortzudrängen, aber dieser dachte gar nicht mehr daran, sich stoppen zu lassen.

      »Nein!« Die Frau warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Weil du zu perfekt bist, dir die Lebenserfahrung dafür fehlt und die Chance, dass du sie aus anderen Gründen hast, denkbar gering sind.«

      Darri schnaubte und hielt ihrem Blick nicht nur stand, sondern gab sich die Genugtuung, sie von oben bis unten zu mustern. Sie war schön, eigentlich sogar zu schön. Etwas, was zu ihren Bildern passte. Aber genau wie bei diesen stimmte irgendetwas nicht, passte nicht zusammen.

      »Das passiert, wenn einem nahezu jeder Knochen im Gesicht gebrochen wird. Es bleiben Makel«, erklärte sie und klang so finster, wie es ihre Bilder teilweise waren.

      »Darri, ich finde wirklich. ..«, begann der Modeschöpfer, verstummte aber unter dem Blick des jüngeren Mannes. Trotzdem meinte der: »Sei so gut, und lass uns einen Moment allein.«

      Darri griff nach der Frau und gab sich keine Mühe den Griff sanft zu gestalten. Und genauso zog er sie mit sich, weiter nach hinten, aus der Sichtweite aller anderen. Hart, fest und unnachgibig. Er wusste, es würden Spuren von seinen Fingern auf ihrer Haut zurückbleiben. Es war ihm egal. Nein, nicht egal. Es befriedigte ihn. Genauso, wie es ihn befriedigte, dass sie keinen einzigen Mucks von sich gab und ihm ohne Widerstand folgte. Ein Blick nach hinten versicherte ihm, dass sie es nicht aus Angst tat. Er konnte etwas anderes in ihrem Gesicht sehen. Etwas, was weit über Interesse oder Wut hinausging. Selbst als er sie zu sich herumwirbelte und gleichzeitig losließ.

      »Wer hat dir nahezu jeden Knochen gebrochen?«, erkundigte er sich lauernd und hauptsächlich, weil er seine Wut auf jemand anderen fokussieren wollte; jemanden, der sie verdient hatte.

      »Was…«, korrigierte sie und ihr Blick und ihre Stimme wurden sanfter. Nur ihre Körpersprache widersprach diesem Signal: Sie war immer noch kampfbereit. Auch wenn er sie – im wahrsten Sinne der Beschreibung – in die Ecke gedrängt hatte.

      »Du hast es in deiner Kunst verarbeitet?«, riet er und seine Aufmerksamkeit wandte sich vollständig ihr zu.

      »Ja, mein schöner, kleiner Engel.« Ein schmales Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel, weil sie sich der Provokation ihrer Worte durchaus bewusst war. Sie genau deswegen gewählt hatte.

      »Nenn mich noch einmal so, und du wirst den Preis dafür bezahlen!«, behauptete er und sein Blick verfinsterte sich noch mehr. »Ob du willst oder nicht.«

      »Aha«, meinte sie. Noch immer hielt sie seinem Blick stand. Etwas, was die meisten Menschen nicht schafften, wenn er in dieser Stimmung war. Seine ungeteilte Aufmerksamkeit schien etwas zu sein, was Leute schlichtweg nicht ertrugen. Vielleicht kam sein Spitzname doch nicht allein von seiner Optik?

      »Und glaub mir, er ist schmerzhaft«, warnte er und trat einen drohenden Schritt vor, um ihr klar zu machen, dass er in der besseren Position war. Nicht in der Ecke.

      »Schmerzhaft


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