Untergärig und Dunkel. Horst Dornbusch
Fachliteratur mit dem vorliegenden Werk zu stopfen.
Alle hier wiedergegebenen Rezepte wurden von den Autoren speziell für dieses Buch konzipiert und getestet. Die im Kapitel 7 aufgeführten Rezepte sind für dunkle Lagerbiere, die allgemein als Klassiker der Kategorie angesehen werden (siehe dazu auch Kapitel 4), gedacht. Zu diesen Archetypen der Bierstile gehören u.a. das bayerische Dunkel, das thüringische Schwarzbier, das böhmische Dunkel (Tmavý Ležák) sowie die bayerischen Starkbiere Dunkelbock und Dunkeldoppelbock. Diese Traditionsbiere haben den Test der Zeit überstanden. Die hier aufgeführten Rezepte sind Rekonstruktionen dieser historischen Modelle, aber mit leichten Abwandlungen, die es Brauern erlauben, diese Biere auch in zeitgenössischen Sudhäusern mit modernen Rohstoffen herzustellen.
Die Rezepte in Kapitel 8 sind dagegen eher „innovativ“. Sie wurden zwar auf der Basis klassischer Sude konzipiert, weichen aber dennoch wesentlich von diesen ab. Ein typisches Beispiel ist ein bayerisch-inspiriertes Dunkel mit einem Zusatz von ungemälzter Gerstenrohfrucht, also von Röstgerste, welche in Deutschland gegen das Reinheitsgebot verstößt, jedoch anderswo auf der Welt durchaus erlaubt ist. Schließlich sind die Rezepte in Kapitel 9 „experimentell“, da sie im Sinne des modernen Craft-Brau-Experimentierens das Konzept dunkler Lagerbiere in sehr kreative, vielleicht sogar abenteuerliche Richtungen weiterführt. Ein Beispiel ist ein dunkles Lagerbier, welches sowohl im Maischebottich als auch in der Sudpfanne mit einem Zusatz von entfettetem Bio-Kakaopulver, sowie in der Sudpfanne und im Gärtank mit etwas natürlichem Vanilleextrakt abgerundet wurde. Diese Zutaten lenken ein Dunkel in ganz neue geschmackliche Bahnen.
Natürlich sind die Trennlinien zwischen diesen drei Rezeptgruppen überwiegend subjektiv, weshalb jeder Leser diese Biere ganz legitim auch anders klassifizieren kann. Nur ein Ziel sollte dabei nicht aus den Augen verloren werden: Bei allen diesen Rezepten geht es weniger um deren Kategorisierung in der Bierstil-„Taxonomie“ als darum, interessante und leckere Biere zu brauen.
Ein Wort zum Reinheitsgebot
Während alle klassischen Rezepte in Kapitel 7 den Grundsätzen des Reinheitsgebots entsprechen, verstoßen selbstverständlich viele der „innovativen“ Rezepte in Kapitel 8 und besonders der „experimentellen“ Rezepte in Kapitel 9 gegen diese deutsche Zutatenverordnung für Bier. Nach deutschem Recht dürfen alle im Inland gebraute, untergärige Biere – also Lagerbiere – nur aus Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe bestehen. Das Bundesgesetz ist für obergärige Biere, also für „Ales“, etwas weniger restriktiv (mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg, wo nach den jeweiligen Landesgesetzen das deutsche Reinheitsgebot gleichermaßen für unter- und obergärige Biere gilt). Wenn es sich um ein Weizenbier handelt, gilt jedoch in allen Ländern, dass mindestens die Hälfte der Maische aus Weizenmalz bestehen muss. Der Rest muss Gerstenmalz sein. Andere in Deutschland (außerhalb Bayerns und Baden-Württembergs) hergestellte obergärige Nicht-Weißbiere – wie zum Beispiel Altbier und Kölsch – dürfen ebenfalls eine nicht spezifizierte Menge an Weizenmalz sowie eine begrenzte Anzahl von klar definierten Zusatzstoffen wie zum Beispiel Invertzuckersirup enthalten. Darüber hinaus dürfen Biere mit Dinkel-, Hafer- oder Roggenmalz nur obergärig gebraut werden. Allerdings sind Zutaten wie Kaffee, Kakao, Vanille, Früchte, ungemälzte Getreiderohfrüchte für alle deutschen Biere, ob ober- oder untergärig, grundsätzlich verboten, obwohl viele dieser Zutaten bis zur Spätrenaissance auch in Deutschland in Bieren verwendet wurden. Selbst Gruit (ein Bouquet aus Kräutern und Gewürzen), welches von der Frühzeit bis ins Mittelalter eine Standardgeschmacksbeigabe zu Bier war, ist heute nicht mehr gestattet.
Daher dürfen vergorene Getränke auf Getreidebasis, die außerhalb der strengen Bestimmungen des Reinheitsgebots hergestellt werden, in Deutschland nicht als „Bier“ bezeichnet werden, es sei denn, sie werden dank eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs von 1987 für den Export gebraut oder sie werden aus dem EU-Ausland nach Deutschland eingeführt. Da dieses Buch sich international orientiert und da viele Craft-Brauer auch in Deutschland alkoholische Getränke auf Getreidebasis herstellen, die technisch in Deutschland nicht als „Biere“ gelten, wurden diese internationalen „Bier“-Sorten hier in die Kapitel 8 und 9 aufgenommen.
Definitionen
Da die erste Version dieses Buches auf Englisch primär für nordamerikanische Brauer verfasst wurde, wurden ursprünglich auch alle Mengen in den Rezepten in amerikanischen Maßeinheiten berechnet und ausgedrückt. Diese wurden für die deutsche Version ins Dezimalsystem übertragen. Auch beziehen sich einige Begriffe und Definitionen – wie zum Beispiel die Ermittlung der Extrakteffizienz eines Sudhauses oder die Berechnung der Bierfarbe – zum Teil auf die in Nordamerika geläufige Braupraxis. Auch diese Elemente wurden an das Vorverständnis der deutschen Brauer angepasst. Dazu folgende Erklärungen:
Definition: Extrakteffizienz
Alle Mengenangaben in den Rezepten in diesem Buch sind nominelle Proforma-Werte. Sie basieren auf einer hypothetischen Extraktausbeute von 75 Prozent. Die Gleichung zur Berechnung der Sudhauseffizienz ist:
%E = (°P × OG × Vol)/M
Wobei:
%E = Sudhaus Extraktausbeute
°P = Stammwürze in Plato = Prozent Stammwürze
(z. B. 12 °P = 12 % Stammwürze)
OG = „Original Gravity“ = Stammwürze als Dichte (z. B. 1,048)
Vol = Netto-Ausschlagvolumen (der Sudpfanne nach dem Kochen) in Litern
M = Gesamtgewicht des Schrotes in Kilogramm
Diese Formel bezieht sich nur auf die Ausbeute eines konkreten Sudhauses, nicht auf den potenziellen, im Labor erzielbaren Extraktwert einer Schüttung. Die mit dieser Formel definierte Ausbeute ist ein Nominalwert, dessen echte Größe auch von verschiedenen örtlichen Faktoren abhängt. Zu denen gehören u. a. die Sudhauskonfiguration, das Verhältnis von Durchmesser zu Höhe des Läuterbottiches, die Feinheit des Schrotes, die Tiefe der Maische und die Perforierung des Senkbodens. Deshalb sind manche Sudhäuser bei identischem Schüttungsgewicht wesentlich effizienter als andere. Anders ausgedrückt, um ein bestimmtes Würzevolumen mit einer bestimmten Stammwürze zu erzielen, brauchen manche Sudhäuser wesentlich größere Schüttungsmengen als andere. Dieser Tatbestand hat natürlich Auswirkungen auf die Bierfarbe, den Endvergärungsgrad und den Alkoholgehalt. Auch sollte berücksichtigt werden, dass die Malz- und Hopfenspezifikationen von einer Lieferung zur nächsten selbst vom gleichen Lieferanten variieren können.
Definitionen: Würzefarbe und Bierfarbe
Es gibt eine Vielzahl von Methoden und Formeln zur Berechnung der Würze- und Bierfarben. Die hier verwendete Formel für die Würzefarbe wurde von Daniel Morey in der Einheit SRM (Standard Reference Method) entwickelt und ausführlich in How To Brew: Everything You Need to Know to Brew Great Beer Every Time (John Palmer, 4. ergänzte Ausgabe, 2017) beschrieben.
SRM ist ein mit einem Spektralphotometer gemessener Nominalwert, der von der American Society of Brewing Chemists (ASBC) im Jahre 1950 entwickelt wurde. Er erfasst die Verringerung (Absorption) der Intensität eines tiefblauen Lichtstrahls