Seewölfe Paket 34. Fred McMason
niedrigen Wellen der Bucht. Obwohl Hitze und Gelassenheit in diesen Stunden das Leben an Bord der Schiffe bestimmten, blieb eine gewisse Unruhe.
Die Seewölfe dachten an die „Ghost“ und daran, daß Ruthland ihnen entwischt sein könnte. Sie fieberten alle danach, die Hetzjagd wiederaufzunehmen, trotz der Ungewißheit, wo sich Ruthland versteckte. Immer wieder hob Ben Brighton den Kopf und sah nach, wie weit Ferris mit seinen Helfern war.
„Wir werden Ihren Rat annehmen, Mister Brighton“, sagte Willem van Stolk nachdenklich. „Wenn wir uns aus dem Golf herausgekämpft haben, was beim Monsunwind nicht ganz so schnell geht, versuchen wir unser Heil im Süden, auf Bombay zu.“
„Oder darüber hinaus“, brummelte Edwin Carberry. Er inspizierte, die Hände auf dem Rücken, das Deck der Schebecke.
Der Stückmeister war nach dem Glasen ebenfalls unter Deck verschwunden. Die Culverinen standen in Reih und Glied, die Mündungen verschlossen und in Segeltuch vertäut. Die Köche hatten Geräte, Kessel und Geschirr gereinigt und verstauten jetzt die trockenen Mucks und Schalen.
Batuti und Roger Brighton fierten ein Bündel Werkzeuge über das Schanzkleid der „Zuiderzee“ ab.
„Seid ihr etwa schon fertig?“ rief Big Old Shane von der Back. „Wurde ja auch Zeit, Mister Tucker!“
„Nur nicht motzen!“ rief der Schiffszimmermann zurück. „Nichts tun, nur dumm zuschauen und dann noch antreiben. So haben wir Holzkünstler es gern, nicht wahr?“
„Schon gut“, antwortete Old Shane. „Ruthland ist inzwischen halbwegs in Goa.“
„Noch lange nicht.“
„Wir sind schneller“, sagte Dan O’Flynn mit Bestimmtheit. „Vielleicht erleben wir auch mal eine Nacht ohne Dauerregen.“
Der Schimpanse Arwenack keckerte aufgeregt, als Batuti über die Jakobsleiter der „Zuiderzee“ abenterte. Jack Finnegan und Smoky räumten die Werkzeuge unter Deck und verstauten sie an den gewohnten Plätzen.
Ben Brighton winkte dem holländischen Kapitän zu. „Wir werfen die Leinen los, einverstanden?“
„Natürlich. Gute Fahrt – und viel Glück bei der Jagd!“
Nacheinander sprangen die letzten Seewölfe an Deck der Schebecke. Die Holländer zogen die Jakobsleiter über die Planken der Bordwand hoch. Hasard junior ging zur Back und löste das Ende der Landleine. Ben, der Erste, gab halblaut seine Kommandos.
Das Ruder wurde bemannt, der Rudergänger stellte das Ruderblatt gerade. Wieder stakten die Männer mit den Riemen, die Leinen wurden losgeworfen und aufgeschossen.
„Will sich Dad nicht von seinem neuen Freund verabschieden?“ fragte Jung Philip seinen Bruder.
„Laß ihn schlafen. Er wird sowieso viel zu früh wieder wach und schikaniert uns“, erwiderte Jung Hasard und winkte grinsend ab.
Die Schebecke glitt fast lautlos zuerst zurück, schwang dann das Heck nach Steuerbord und drehte, während die Rahruten knarrend herumschwangen und die Geitaue knirschten, zögernd den Bug zum offenen Meer. Die Seewölfe stemmten sich viermal, fünfmal gegen die Riemen, dann hatte die Schebecke Schwung genug, um langsam aus der Bucht driften zu können. Eine Windbö fuhr in die Segel und ließ sie killen.
Don Juan hielt die Ruderpinne und winkte kurz in die Richtung der „Zuiderzee“.
„Hast du dich mit Hasard abgesprochen, Ben?“ fragte er. Auch die Mannen des Kauffahrers holten die Landleinen ein und drehten das Ankerspill. „Ich meine, wegen des neuen Kurses.“
„Klar. Aus dem Inselgewirr hinaus und nach Süden“, erklärte Ben und gab ruhig weitere Kommandos. Die Segel füllten sich und wurden getrimmt.
Die Schebecke lag auf Kurs. Don Juan schaute sich um und sagte: „Gut so. Vielleicht schnappen wir die ‚Ghost‘ noch vor Sonnenuntergang.“
Der Wind war keineswegs stark, aber er wehte aus dem nördlichen Sektor. Darüber hinaus war er kühler als sonst um diese Zeit. Die Schebecke nahm schnell Fahrt auf und verließ den Bereich der Bucht, segelte in drei Kabellängen Entfernung am Landvorsprung vorbei und geriet für die Holländer außer Sicht.
Francis Ruthland und Hugh Lefray standen nebeneinander auf dem Quarterdeck, wölbten die Handflächen hinter den Ohren und lauschten. Der harte, krachende Donner des fernen Geschützfeuers hatte aufgehört.
Mit einem unbehaglichen, wütenden Unterton in der Stimme sagte der Kapitän: „Wenn hier auf See, zwischen den Inseln, jemand seine Geschütze leerfeuert, dann …“
Lefray nickte. Der Wind wirbelte sein dunkelblondes Haar durcheinander. Er stierte aus einem gesunden und einem blinden Auge in die Richtung, aus der dieser überraschende Lärm aufgeklungen war.
„… dann kann es nur dieser dreimal verdammte Seewolf sein!“ vollendete er den Satz des Kapitäns. „Er hat uns verfolgt, das wissen wir. Daß er so nahe ist, das höre ich gern. Los, das ist genau das, was ich brauche.“
„Endlich“, knurrte Ruthland. „David kriegt heute noch etwas zu tun.“
Der Wind wehte aus Norden und änderte immer wieder seine Richtung. Nach dem Passieren einer Landenge blies er aus Nordnordosten. Die Karavelle lag auf Südkurs. Nachdem Lefray und der Kapitän einen langen Blick des Einverständnisses gewechselt hatten, deutete Ruthland mit einer schwungvollen Gebärde zum Kielwasser der „Ghost“.
„Alles klar zum Anluven!“ schrie er. „Nach Backbord, um die Insel herum.“
„Aye, aye, Sir!“ brüllten die Kerle zurück. Sie hatten auf die Kommandos schon seit dem Donner des ersten Schusses gewartet.
Die Karavelle segelte unter Vollzeug und mit achterlichem Wind auf die nächste Passage zu. An Steuerbord schien eine Halbinsel weit vorzuspringen, denn die lehmigen Dünen und der struppige Buschwald ließen nicht erkennen, ob zwischen Festland und dieser schmalen Landzunge eine Durchfahrtsmöglichkeit existierte.
An Backbord lag eine kleine, runde Insel, in deren Mittelpunkt eine Gruppe besonders großer Bäume wuchs. Auf einigen kahlen Ästen hockten riesige Reiher und schienen ausschließlich zu der Karavelle zu starren. Der Wind, dessen einzelne Böen nicht nur kalt und trocken waren, sondern auch Schaumdreiecke auf die Wellen türmten, fing sich zwischen Landzunge und Insel wie in einem Trichter und heulte in der Takelage. Mit schäumender Bugwelle schnitt die „Ghost“ durchs blaugrüne Wasser.
Die Segelcrew holte die Schoten dichter. Die Karavelle legte sich nach Steuerbord über und drehte in Lee der Insel hoch. Langsam schob sie sich an Sandbänken vorbei, auf denen Krabben und Krebse umherkrochen. Es brauchte nicht gelotet zu werden, aber der Ausguck auf der Back hielt nach Untiefen Ausschau.
„Gut freihalten von der Insel!“ schrie der Erste.
„Verstanden“, gab der Rudergänger zurück.
Der Wind fiel eine Weile lang von querab ein, dann waren die Segel getrimmt und standen klar.
Die „Ghost“ stampfte, große Mengen Gischt aufwerfend und mit weiß schäumendem Kielwasser, nach Osten und ging hinter der letzten Schlickzone hoch an den Wind. Der Kapitän suchte die Kimm ab. Weder Segel noch der Rauch eines brennenden Schiffes waren zu sehen.
Die Insel, die an Backbord achtern kleiner zu werden schien, war offensichtlich unbewohnt. Vor der Karavelle öffnete sich eine große Bucht. Als Ruthland durch den Kieker mehr Einzelheiten erkennen konnte, entdeckte er Steuerbord voraus, winzig klein, eine Anzahl von Segeln.
„Fischer“, murrte er enttäuscht. „Immer diese Affen mit ihren stinkenden Nußschalen.“
David Lean enterte den Niedergang hoch und wartete, bis Ruthland das Spektiv absetzte.
„Geschütze und Drehbassen feuerbereit“, meldete er mit einem schwer zu deutenden Grinsen. „Sollen wir die Musketen auch laden, Sir?“
Ruthland schätzte die Chancen ab, innerhalb einer kürzeren