Glam. Simon Reynolds

Glam - Simon  Reynolds


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Kräften Ausdruck geben, die vom rechten Weg ablenken und in die Irre führen. Die ständige Wiederholung ähnlicher Phrasen – »erlesenes Gift in der Luft«, »ein sonderbarer Einfluss über mir«, »sein seltsamer und gefährlicher Charme« – verleiht der Prosa eine beschwörende Nachdrücklichkeit.

      Wer charmant ist, dem ist damit eine Lizenz gegeben: »Ich mische mich nie in die Angelegenheiten von charmanten Menschen ein«, witzelt Lord Henry. Oft nutzt Wilde auch Musik als Analogie, schließlich ist auch sie eine Kraft, die losgelöst von Rationalität und praktischer Notwendigkeit funktioniert, die überwältigt und verzaubert. »Schönheit ist eine Form von Genie«, eine Macht, die durch »göttliches Recht« regiert, so Wilde. »Die, die sie haben, werden durch sie zu Prinzen.« Schönheit ist primitiv und antimodern, eine Enklave aristokratischer Unnachgiebigkeit angesichts des hässlichen Antlitzes Englands im 19. Jahrhundert, das die industrielle Revolution und die kaufmännische Mittelklasse hervorgebracht haben – diese »dumpfe, geistlose Faktenhölle«.

      Diese moderne Welt brachte wiederum ihre eigene Herangehensweise an Literatur und Drama hervor: den Realismus. In »Der Verfall des Lügens« wettert Wilde gegen die »Gefangenenanstalt Realismus«. Kunst, fordert er, müsse »vielmehr ein Schleier sein als ein Spiegel« und Fakten »in der ihnen angemessenen untergeordneten Rolle gehalten« oder gleich komplett verbannt werden aufgrund ihrer Stumpfsinnigkeit. Kunst brauche sich nur mit »schönen und unmöglichen Dingen« zu beschäftigen, mit Wundern und Monstern statt mit Alltag und gesellschaftlichen Zuständen. »Wir müssen die verlorene Kunst des Lügens kultivieren«, betont Wilde.

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      1968 war Bowie infolge des Flops seines Debütalbums weiterhin nicht auf einer Höhe mit den entscheidenden popkulturellen Strömungen der späten 1960er. Rock war 1968/1969 so wenig camp wie nie zuvor: heavy und bluesig, wurzelverhaftet und hinterwäldlerisch. Bowie hingegen orientierte sich immer noch am musikalischen Theater und der Pantomime.

      Für eine Weile hatte er auch gar keine Orientierung. Als sein Vater sich besorgt über Bowies nicht vorhandenes Einkommen äußerte, antwortete der sofort: »Okay, dann geh ich eben ins Cabaret. Wann fangen wir an?« Mithilfe Kenneth Pitts erarbeitete er eine Show mit eigenen Nummern und Beatles-Covern, das Bühnenbild beinhaltete dabei sogar Pappaufsteller der Fab Four aus dem Zeichentrickfilm Yellow Submarine. Das Ergebnis wurde mehreren Vertretern der Branche vorgestellt, von denen einer voll des Lobes war (»besser als Cliff Richard!«), doch am Ende wurde es abgelehnt: Es sei zu clever für die Cabaret-Szene.

      Also wechselte Bowie den Kurs – es war die erste von vielen großen Umorientierungen – und gab nun mit ganzem Herzen den Hippie. (Okay, nicht mit ganzem Herzen, einen Bart ließ er sich nicht wachsen.) Newley und Comedy Pop warf er über Bord, stattdessen wandte er sich dem Folk und den Singer-Songwritern zu, seine Texte wurden nun wortreicher und stützten sich auf Allegorien. Wie in Bolans Tyrannosaurus-Rex-Phase, sprach er in Interviews nun mit der in gegenkulturellen Kreisen üblichen Frömmigkeit. Und er versuchte das Undergroundpublikum zu erreichen, indem er auf kostenlosen Festivals spielte.

      Festivals waren die totemistischen Events der Gegenkultur, vor allem wenn sie draußen in der Natur stattfanden. Bowie spielte auf einigen der wichtigsten Festivals dieser Ära, etwa dem Atomic Sunrise im Londoner Roundhouse Anfang 1970, wo er mit Undergroundbands wie Fat Mattress und Hawkwind auftrat, während Mitglieder des Living Theatre sich unters Publikum mischten, um die Grenze zwischen Bühne und Zuschauern aufzubrechen.

      1971 spielte Bowie am frühen Morgen auf dem zweiten Glastonbury Festival (das sich damals noch Glastonbury Fair nannte). Wie man in Nicolas Roegs Dokumentarfilm sehen kann, war das Glastonbury damals ein Fest, das zu spiritueller Selbstfindung einlud und Skurrilitäten inspirierte, die oft ins Groteske umschlugen. Das vegetarische Essen hatte die gleiche Farbe wie der Schlamm, in dem nackte Hippies umhersprangen. Massen an ungepflegten haarigen Gestalten trommelten, spielten Flöte, musizierten spontan im Kollektiv. Ein verrückter Typ aus der Ladbroke Grove namens Mighty Michael grölte unten ohne auf der Bühne, während seine Genitalien mit jedem Schrei um sich schlugen. Glastonbury war vollkommen Anti-Glam, das exakte Gegenteil von allem, wofür Bowie später einmal stehen würde. Aber selbst so spät wie 1971 passte er dort noch hinein, neben Progressive-Schwergewichten wie Family, Gong und Quintessence und Folk-Künstlern wie Melanie und Fairport Convention.

      Bowie hatte sich der Revolution so sehr verschrieben, dass er sogar sein eigenes Kunstlabor in Beckenham eröffnete. Kunstlabore waren – wie das Wort »Labor« nahelegt – experimentelle Freiräume für künstlerische Aktivitäten, die die Grenzen zwischen Disziplinen und Formen verwischten, Orte, an denen künstlerische Happenings stattfanden. Gründer des ersten Kunstlabors war Jim Haynes, der auch an der Gründung des experimentellen Theaters The Traverse beteiligt war und der Undergroundzeitung International Times vorstand. Im Sommer 1967 mietete Haynes ein Gebäude in der Londoner Drury Lane. Im Keller richtete er ein Nachtkino, eine Galerie im Erdgeschoss, einen Filmworkshop im Obergeschoss (der später in ein Restaurant umgebaut werden sollte) und ein Theater in einer angrenzenden Lagerhalle ein. Im ersten Arts Lab Newsletter definierte Haynes das Konzept folgendermaßen: »Ein Labor ist keine normale öffentliche Institution. Wir wissen alle, mit was für Beschränkungen ein Krankenhaus, ein Theater, eine Polizeistation und andere Einrichtungen arbeiten müssen. Aber ein Labor sollte keine Grenzen kennen.«

      Ein eigenes kostenloses Festival auf die Beine zu stellen, war der nächste logische Schritt. »The Growth Summer Festival and


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