Glam. Simon Reynolds

Glam - Simon  Reynolds


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Ausdruck für protzigen Schmuck und das entsprechende Auftreten. Anm. d. Ü.

       THE LONDON BOY: BOWIES ANFÄNGE

       David Bowie Anthony Newley Lindsay Kemp Oscar Wilde

      Jahre vor seinem Durchbruch stand David Bowie bereits einmal kurz im Rampenlicht. Im November 1964 war der damals Siebzehnjährige in der BBC-Sendung Tonight zu Gast – als Sprecher der Society for the Prevention of Cruelty to Longhaired Men. Von jungen Männern mit ähnlich mädchenhaftem Aussehen wie dem seinen umgeben, verurteilte Bowie – damals noch unter seinem bürgerlichen Namen David Jones – die Vorurteile und Demütigungen, denen sie ausgesetzt waren: »Seit zwei Jahren müssen wir uns Kommentare wie ›Schätzchen!‹ und ›Kann ich deine Handtasche tragen?‹ anhören. Und ich glaube, das muss aufhören … Es gibt keinen Grund, uns zu schikanieren.«

      Vieles an dem Fernsehausschnitt ist bemerkenswert, unter anderem Bowies atemberaubendes Aussehen: Seine Haut ist blass, sein Körper zart, seine schulterlangen blonden Locken umwerfend. Und dann seine Art: höflich, gesittet, ein Grinsen im Gesicht, das seiner Schüchternheit geschuldet sein mag, auf jeden Fall aber die angebliche Militanz der SPCLM widerlegt. Auffällig auch, dass bereits hier – noch bevor seine Karriere wirklich begonnen hatte – der berühmteste aller die Geschlechtergrenzen verwischenden Rockmusiker Androgynie und sexuelle Unbestimmtheit in das Zentrum seiner öffentlichen Selbstdarstellung rückte. Es war gerade ein oder zwei Jahre her, dass die langen Haare der Beatles die ganze Aufregung ausgelöst hatten: »Bist du ein Junge oder ein Mädchen?«

      Was aber wirklich hervorsticht – und es ist verzeihbar, dass das den Zuschauern 1964 entging –, ist, dass die ganze Sache offenkundig eine Farce ist: Die Society for the Prevention of Cruelty to Longhaired Men existierte gar nicht. Als ein Mitarbeiter der BBC Bowie in einem Café in der Denmark Street (damals das Zentrum von Londons Musikindustrie) ansprach und den angehenden Popstar fragte, ob er jemals wegen seiner langen Haare belästigt worden sei, kam dem die Idee für die Pressure Group als Werbegag. Die BBC fiel darauf rein, oder entschied sich vielleicht auch einfach nur dafür, nicht zu sehr nachzuhaken. Schließlich hatte die Geschichte alles, was so einen fetzigen, zeitgemäßen Tonight-Beitrag ausmachte.

      Nach dem Fernsehauftritt schlachtete Bowie seine Non-Story aus, wo es nur ging. Gegenüber der Evening News verkündete er, es sei Zeit, »dass wir uns vereinigen und uns für unsere Locken stark machen«, und beklagte: »Jeder im Bus macht Witze und wenn man an den Arbeitern in den Straßen vorbeigeht, bringt das einen förmlich um.«

      Bowie lebte in keiner Fantasiewelt wie Marc Bolan, mit dem ihn eine unstete Freundschaft verband. Doch die Kunst der Täuschung würde später an wichtigen Stationen seiner Karriere eine wesentliche Rolle spielen. Für jemanden aus der Generation der 1960er fühlte er sich ungewöhnlich wohl mit dem strategischen Einsatz von Unwahrheiten, den Mechanismen von Hypes und damit, sich selbst zu verkaufen – im theoretischen Konzept wie in der Praxis.

      Vielleicht lag das auch in der Familie: Sein Vater, Haywood Jones, arbeitete als PR-Beauftragter für die Wohltätigkeitsorganisation Barnado’s und war davor im Showbiz, wo er mit Geld, das er geerbt hatte, zuerst eine Theatertruppe kaufte und dann – als das fehlschlug – in einen Nachtclub im West End investierte (ebenfalls erfolglos). Bei Barnado’s nutzte Jones Senior seine Verbindungen, um angesagte Entertainer für Wohltätigkeitsveranstaltungen zu gewinnen. Seine Fertigkeiten im Feld der PR kamen auch in den frühen Tagen der Karriere seines Sohnes zum Einsatz. Zusammen schrieben sie dem erfolgreichen Unternehmer John Bloom einen Brief, in dem sie argumentierten: »Wenn Sie meine Band so gut verkaufen wie ihre Waschmaschinen, sind Sie einem großen Geschäft auf der Spur!« Bloom war amüsiert von der Dreistigkeit, hatte aber kein Interesse daran, ins Pop-Management einzusteigen. Stattdessen gab er den Brief einem aufstrebenden Showbiz-Svengali, den er kannte: Les Conn.

      Werbung hatte in den 1960ern einen zwiespältigen Ruf. Einerseits war sie Teil des neuerwachten Konsumverhaltens der Nachkriegszeit, andererseits stand sie für alles Falsche im Leben der westlichen Welt, denn im Wesentlichen betrieb sie Propaganda für Firmen statt für den Staat. In Großbritannien stand Werbung auch für Amerika: Kommerzielles Fernsehen – also Fernsehen mit Werbeunterbrechungen – gab es erst seit dem Start von ITV (Independent Television) 1955 und wurde von dogmatischen Linken genauso sehr verachtet wie von versnobten Konservativen. Für sie war Werbung nichts anderes als ein neuer, zu verdammender US-Import, nach Supermärkten und Rock ’n’ Roll. 1960 veröffentlichte Penguin Books im Vereinigten Königreich Vance Packards Die geheimen Verführer. Packards Buch – ein Enthüllungsbericht, in dem der amerikanische Konsumkritiker über die psychologischen Manipulationen und Tricksereien der Werbeindustrie aufklärte – fand eine breite Leserschaft und wurde kontrovers diskutiert. Einer seiner Leser war der junge Bowie.

      Trotz all dieser Kritik ging von der Werbeindustrie eine zunehmende Faszination aus: als glamouröses Happening, als kreativer Raum. Und dann erschienen noch Werbetexter mit Kultstatus auf der Bildfläche. Der britischstämmige David Ogilvy etwa, der Autor von Geständnisse eines Werbemannes, der als mögliche Inspiration für Don Draper aus Mad Men gilt. Werbung brachte Schwung und Farbe in den Alltag (besonders in einem Britannien, das gerade erst begonnen hatte, sich von den Entbehrungen der Nachkriegszeit loszulösen) und beeinflusste mit ihren grafischen Innovationen und ihrer optimistischen Ausstrahlung darüber hinaus Richard Hamiltons und Andy Warhols Pop Art. Selbst die Piratensender, die die britische Jugend in den 1960ern mit der Popmusik versorgten, nach der sie sich sehnte – und die das BBC Light


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