Glam. Simon Reynolds

Glam - Simon  Reynolds


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      Bolan begann auch, den Druck des Ruhmes zu spüren. Er verglich ihn damit, von Hunderten von unsichtbaren Menschen gegen die Wand gedrückt zu werden. Schon im April 1972 sprach er von einem Bedürfnis, sich zurückzuziehen und darüber, wie viel einem die Berühmtheit zwar gäbe, doch dass das, was sie koste, unersetzbar sei, etwa wie Gehirnzellen. »Ich habe mich nie so unsicher gefühlt oder solchen Schmerz gespürt wie jetzt. Ich bin musikalisch nackt«, beschwerte er sich. »Was ich spiele und singe ist eine Projektion meines echten Ichs.« Einer der besseren Tracks auf The Slider, »Main Man« beinhaltet die vielsagenden Zeilen »As a child I laughed a lot […] Now it seems I cry a lot«. Dem Melody Maker beichtete er: »Ich habe noch nie in meinem Leben so viel geweint wie dieses Jahr.«

      Todesvorahnungen machten ihm zu schaffen: »Ich weiß nicht, ob ich als menschliches Wesen noch viel länger hier sein werde […]. Ich habe wirklich das Gefühl, dass alles morgen vorbei sein könnte. Nicht nur die Band – ich meine das Leben.« Er fantasierte, alles hinter sich zu lassen und in Ägypten Archäologe zu werden.

      Seinem Ego versetzte die Tatsache einen tiefen Schlag, dass T. Rex nicht in der Lage waren, ihre britischen Erfolge in Amerika zu wiederholen. »Get It On« schaffte es unter dem Titel »Bang a Gong« zwar in die Top 10, aber T. Rex stolperten in den Grand-Canyon-großen Abgrund zwischen FM- und AM-Radio in Amerika. FM war die Domäne der behaarten Prog-Freaks, denen T. Rex zu seicht und poppig waren. Die AM-Sender widmeten sich purem Pop, waren die Heimat von den Carpenters oder Boybands wie den Osmonds. Für diesen Markt hatten T. Rex zu viel kosmisches Drumherum.

      Zwischen 1972 und 1974 tourten T. Rex wiederholt durch die Staaten. Die Reaktionen variierten. Ein neue Welle Glitterfans schwärmte zu ihrem Gig in Santa Monica, in San Francisco hingegen ließen Bolans Popstar-Moves das langhaarige Publikum – das immer noch den Acid-Rock-Glanzzeiten der Stadt nachtrauerte – kalt. Roy Hollingworth vom Melody Maker war diese Unbeholfenheit aufgefallen, als er über die Tour Ende 1972 berichtete. Bolans verführerische Tricks funktionierten zu Hause vor einem jungen Publikum, das schon mit dem Fernseher aufgewachsen war. Ältere Zuschauer, »die sich nicht bewegen, grooven, sich nicht nass machen, tanzen oder aufstehen und schreien«, berührte das alles nicht. Als Bolan ein Handtuch in die Menge warf, »fing es niemand auf«. Es war demütigend. Und es beweist, dass Charisma etwas ist, was die Gemeinde genauso sehr haben muss wie ihr Prophet: eine sich gegenseitig befeuernde Bauernfängerei, deren Rollen sich ständig vertauschen.

      Von den Berichten aus Amerika tief getroffen, bemühte sich Bolan um Schadensbegrenzung. Im November 1972 gab er dem Melody Maker ein Interview, dem die Zeitschrift den unbarmherzigen Titel »Marc: Ich war kein US-Flop!« gab. Er bestritt, dass ein gut besuchter Gig in New York in Wirklichkeit das war, was Konzertpromoter ein »Papierhaus« nennen, d. h. ein Konzert, dessen Publikumszahlen durch verschenkte Tickets in die Höhe getrieben wurden. Er prahlte, dass es in Amerika Interessenten für eine TV-Serie im Stil der Jackson-5-Cartoons gäbe, die er selbst schreiben würde. Es war der typische Bolan-Bullshit und keiner kaufte ihn ihm ab.

      Anfang 1973 war im Prinzip alles vorbei.

      Aber wir wollen uns nicht zu lange mit Bolans Fall aufhalten. Mit dem Kokain und dem Champagner, seinem zunehmenden Gewicht und dem schrecklichen neuen Haarschnitt. Mit seiner ansteigenden Paranoia und den unwürdigen Sticheleien in Richtung Bowie, der ein Level an künstlerischer Glaubwürdigkeit erreicht hatte, von dem Bolan nur träumen konnte. Dabei flimmerte die alte Brillanz auf späteren Alben wie Tanx (1973) und Dandy in the Underworld (1977) durchaus sporadisch immer wieder auf. Und es gab eine Reihe von Killersingles: das elegische »Teenage Dream« und das alberne »New York City«, beides ordentliche Hits, und das proto-punkige »Laser Love«, das unverdient floppte.

      Ignorieren wir also die Jahre des Niedergangs und konzentrieren uns auf die Glanzzeit. Was lässt sich über das Phänomen Bolan sagen? Popkultur-Experte Pete Fowler bemängelte, dass die T. Rextasy, anders als die Beatlemania oder der Rock-’n’-Roll-Hype der 1950er, nicht »rein« gewesen sei. Wie Bowie wusste Bolan, wie Fanidentifikation funktionierte und dass dem Aufstieg eines Stars sein Fall folgt. Bereits 1965, in einem seiner ersten Interviews, blickte Bolan voraus auf die Ruhe und Weisheit eines Lebens nach dem Stardasein: »Wenn ich meine Berühmtheit hinter mir gelassen habe, werde ich wissen, wo ich stehe.« Bolan war von der Musikpresse geschult worden, die er seit 1962 eifrig gelesen hatte. Die Hefte hatte er behalten, um sich auf sie beziehen zu können und um bestimmte Dinge nachzuschlagen, etwa was für eine Gitarre dieser oder jener Künstler gespielt hat. »Ich stehe total auf Bilder. Und Handbewegungen. All dieser Kram.«

      Aber was ist mit dem Phänomen an sich? Den intensiven Erfahrungen von Fans wie Noelle Parr? Die waren rein (und auch etwas unrein in Gedanken – da waren sie auf unschuldige Weise schmutzig). Die pure Jugend der T. Rexmaniacs sorgte für eine gewisse Unwissenheit. Auch wenn Bolan selbst leicht außerhalb seines eigenen Mythos stand, seine Fans steckten mittendrin.

      Heute haben wir keinen Zugang mehr zum Phänomen Bolan. Wir können darüber lesen oder uns Videos anschauen, die es dokumentieren. Doch was bleibt, ist sein Werk. Drei oder vier tolle John’s-Children-Songs. Die Rätselhaftigkeit von Tyrannosaurus Rex, deren Alben nie einen nennenswerten Einfluss gehabt hätten, wären sie in den Nullerjahren nicht von Animal Collective und anderen Freakfolk-Künstlern aufgegriffen worden. Zwei fast perfekte Alben: T. Rex und Electric Warrior. Und das wichtigste: Neun brillante Singles hintereinander, von »Ride a White Swan« bis »20th Century Boy«.

      In den Texten wimmelt es von Geistesblitzen jugendlichen Genies. Doch wären sie nichts ohne ihre Vortragsweise, ohne Bolan selbst. T. Rex waren letztendlich weniger das Werk eines Künstlers, sondern das Werk eines Körpers. Es ging alles von Marc aus. Diese Stimme. Dieses Gesicht. Das Funkeln in seinen Augen. Das Grinsen bis über beide Ohren.

      Glamour, der im Endeffekt nichts mit angemalten Wangen oder einer Jacke aus Satin zu tun hatte, mit Dingen also, die man kaufen oder nachmachen kann. Glamour als eine unheimliche Beharrlichkeit des Selbst, als ein Funken purer Willkür.

      Tolkien hätte genauso gut Marc beschreiben können, als er schrieb: »Faërie kann nicht in einem Netz von Worten gefangen werden. Denn es hat die Eigenschaft, nicht beschrieben, wohl aber wahrgenommen werden zu können.«

      Oder wie es Syd Barrett ausgedrückt hätte: that cat’s something I can’t explain.

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