Glam. Simon Reynolds

Glam - Simon  Reynolds


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mit Bierflasche in der einen Hand und Quaaludes in der anderen.

      Indem er den tollpatschigen Heterosexismus der Boogiebauern links liegen ließ, machte sich Bolan den Begriff zu eigen. Nun war er aufreizend besetzt, fast schon androgyn und elegant. Sein schönster Boogie war »Get It On«, die Nummer-eins-Single, die auf »Hot Love« folgte. Dieses feine Riff aus dem Handgelenk, darunter die hämmernde Unterstützung eines Bläsersatzes; dieser Refrain im Schatten der geisterhaften Backingvocals; die unsterbliche Zeile »You’re dirty sweet and you’re my girl«. Um einen anderen Song zu finden, der erotisches Verlangen und zarte Verträumtheit derart perfekt balanciert, muss man sich komplett vom Rock abwenden. Diese Kombination findet man stattdessen in den Songs Al Greens oder bei Marvin Gaye zu »Got to Give It Up«-Zeiten.

      Die ungewöhnliche Mischung aus scharfem Schnitt und elfenhafter Zartheit erstreckt sich über beide Seiten von Electric Warrior, dem zweiten T.-Rex-Album – bei weitem Bolans bestes Werk, eine nahezu perfekte Platte. Auch wenn Bolan auf dem dunklen, unheilvollen Cover mit seiner Gitarre neben einem Verstärker steht, ist es kein hartes Album. E-Gitarren werden darauf sogar eher spärlich eingesetzt. Tracks wie »Planet Queen« und »Cosmic Dancer« verbindet eher ein eigenartig lockerer Sound. Das Schlagzeug, die abgehackte Akustikgitarre, der ausschweifende Basslauf und die Streicher sorgen für den Drive, aber das Fehlen eines antreibenden zentralen Riffs vermittelt den Eindruck einer leeren Fläche.

      »Cosmic Dancer« ist eine Mischung aus Autobiografie und Philosophie: »I danced myself right out the womb / Is it strange to dance so soon?« Statt eines mystischen Knittelverses hat es ein vorzügliches Gitarrensolo, das ausbricht und wieder eingefangen wird wie eine rückwärts abgespielte Videoaufnahme von Zigarettenrauch. »Life’s a Gas« ist Marcs Manifest des »ewigen Jungen«. Schelmisch übergeht er alle Spaßverderber, all diese meckernden Verbündeten des Realitätsprinzips. Wie »Hot Love« (nur im Balladentempo) ist »Life’s a Gas« ein Blues-ohne-den-Blues, sein Höhepunkt erneut ein umwerfend schönes Gitarrensolo, das in der Welt nichts finden kann, das ihm Sorgen bereiten würde.

      Electric Warrior hat aber auch seine vulgären Seiten. »Jeepster« besteht aus sexy Nonsense und Liebespoesie: »You’ve got the universe reclining in your hair.« »Jeepster« wurde nach »Get It On« als zweite Single ausgekoppelt und ebenfalls ein großer Hit. Die meisten von Bolans großen Singles waren an eine angebetete Frau gerichtet, eine Rolle, in die sich jedes Mädchen hineinversetzen konnte. Er lenkte seine Aufmerksamkeit sehr zielgerichtet auf die »95 % unseres Publikums« (seine eigene Schätzung), die weiblich waren, deren Sexualität gerade erwachte und die auf der Suche nach einem erotischen, aber unbedrohlichen Fantasieobjekt waren. »Motivation« im Sinne von »Turn-on« zu deuten, war einer seiner liebsten sprachlichen Kniffe, etwa in der Zeile »Your motivation is so sweet« in »Jeepster« oder »The Motivator«, dessen Titelfigur verkündet: »I love the clothes you wear«, darunter ein »velvet hat […] the one that caused a revolution«.

      »Revolution« ist zwar etwas hochgegriffen, aber der Wahn, den Marc auslöste, hatte durchaus etwas Aufrührerisches. »Die Rückkehr des Idols der Kreisch-Ära«, schrie es vom Cover des Melody Maker vom 20. November 1971. Die Überschrift des dazugehörigen Artikels: »Prophet einer neuen Generation«.

      Experten eilten schnell herbei, um Bolan als den »Nachfolger der Beatles« auszumachen, von dem die Musikindustrie seit Jahren geträumt hatte. Besonders 1969/1970 war diese Suche schmerzhaft, als Single-Verkäufe in ein Rekordtief fielen und das Album ihren Platz einnahm. Die Industrie fürchtete, Teenager würden das Interesse an Popmusik gänzlich verlieren, wenn nicht bald jemand Neues käme, um ihren Durst nach purer Aufregung, sofort zündenden Singles, tanzbaren Beats und visuell stimulierenden Helden, die sie begehren oder mit denen sie sich identifizieren können, zu löschen. Als Leute wie der Promoter Tony Smith die Stones und die Beatles anführten, wenn sie Bolan dafür priesen, dass er »eine komplett neue Generation junger Kids« anspräche, »deren Durchschnittsalter um die 15 liegt, wenn nicht jünger«, geschah das aus Begeisterung und Erleichterung.

      Die Statistik bekräftigt den Vergleich mit den Beatles. In ihrem ersten großen Erfolgsjahr entsprachen T. Rex’ Verkäufe 3,5 Prozent des britischen Musikmarktes. In diesem Jahr hatten sie drei Nummer-eins-Alben: Electric Warrior, die Compilation Bolan Boogie und eine Neuauflage der ersten beiden Tyrannosaurus-Rex-LPs als Doppelalbum. Vor ihnen hatten das nur – wer hätte das gedacht – die Beatles geschafft. Ein weiteres Beatles-Echo war der nachträgliche Erfolg von Bolans Gedichtband The Warlock of Love, von dem plötzlich 20.000 Exemplare verkauft wurden. Das weckte Erinnerungen an Lennons Bestseller In His Own Writings von 1964. Bald war Bolans Einfluss sogar groß genug, um seine eigene Apple-ähnliche Plattenfirma zu gründen, das EMI-Sublabel T. Rex Wax Co. (anders als bei Apple wurden dort aber nie andere veröffentlicht als Bolans eigene Platten).

      Was aber noch erfreulicher war: Lennon und McCartney nannten Bolan einen würdigen Nachfolger. Lennon hielt T. Rex für »guten Rock ’n’ Roll: Es hat einen guten Beat und es swingt.« Bolans Wortgewandtheit fand er besonders lobenswert: »Seine Art zu schreiben ist neu und ich hab noch nie Texte gelesen, die so witzig und echt sind wie seine.« Ringo Starr wurde ein Busenfreund Bolans, bei dem er sich ein paar Tricks für seinen Solo-Hit »Back Off Boogaloo« abschaute. Er führte auch Regie beim ersten T.-Rex-Film Born to Boogie. Die Wembley-Konzerte 1972 lieferten ein symbolisches Bild für den Generationenwechsel: Die kreischenden Fans ignorierten Starr vollkommen, während er im Bühnengraben stand, um die Show zu filmen.

      Die größte Parallele zwischen T. Rextasy und Beatlemania war die Leidenschaft der Fans. Die Leute, die an Bolan glaubten, imitierten sogar seinen Look: die Haare, die Kleidung, das Augen-Make-up, den Glitter und die Goldsterne an den Wangenknochen.

      Wie hatte Bolan das hingekriegt? Warum er? Ganz nüchtern betrachtet war er ein seltsamer, ziemlich beschränkter Sänger, gemessen an den Standards seiner Zeit ein mittelmäßiger Gitarrist, ein manchmal beseelter, aber unbeständiger Songwriter und Texter. Aber er hatte »es«, das gewisse Etwas, nach dem die Unterhaltungsindustrie ständig sucht, die Starqualität, die die Industrie kontrollieren, vermarkten und ausbeuten, aber nicht aus der Luft herbeizaubern kann. Tony Visconti schrieb Bolan die größte persönliche Anziehungskraft zu, die ihm je untergekommen war: »Licht strömte aus ihm heraus.« Er hatte Charme im Überfluss, ein Wort, das heute einfach nur Attraktivität bezeichnet, aber einen magischen Subtext besitzt. Er hatte ein tolles Lächeln: Es war so cartoonhaft breit, dass es in beiden Ecken seines Mundes zu funkeln schien und schwankte genau richtig zwischen Charme und Schleim. Dass Bolan sich dessen bewusst war, tat dem keinen Abbruch.

      George Melly besteht in Revolt into Style, seiner 1970er-Geschichte der »Pop-Künste«, darauf, dass Magie viel wichtiger sei als Talent: »Magie lässt sich präziser als ›Charisma‹ umschreiben, eine Art magischer Aura, die von bestimmten Objekten, Menschen oder Orten ausgeht und ihnen eine Macht gibt, die über ihre nachvollziehbaren Qualitäten hinausgeht.« »Charisma« ist selbst ein Wort, das heutzutage geradezu entwertet worden ist. Es ist so nichtssagend wie »ikonisch«. In seiner ursprünglichen Bedeutung war es aber durch und durch geheimnisvoll. Es geht bis auf die antiken Griechen zurück (»charis« bedeutet Anmut, Schimmer, ein göttliches Geschenk). Als religiöses Konzept wurde es circa 50 n. Chr. durch Paulus von Tarsus definiert. Charisma konnten talentierte Prediger oder Wunderheiler haben, jemand mit besonders ausgeprägten sprachlichen Fähigkeiten. Doch auch die Gemeinden selbst, die in den frühen Tagen der christlichen Kirche noch aus Außenseitern anstelle der hierarchischen Bürokraten wie in den folgenden Jahrhunderten bestanden, konnten es besitzen. Man könnte argumentieren, dass Charisma dieser Art – ein Bewusstsein, das kollektiv geteilt wird – einen »Vibe« darstellt, der in jeder kultischen Gruppe entsteht, die eine randständige Weltanschauung und ein von der Mehrheit abweichendes Wertesystem miteinander teilt.

      Zwei Konzerte im Wembley-Stadion in der Nacht vom 18. März 1972 markierten den Höhepunkt der T. Rextasy. Ringo Starr – anwesend, um Born to Boogie zu filmen – wird erstmals unbeteiligter Zeuge einer Faneuphorie von Beatles-Ausmaß.

      Bolan selbst benutzt den Begriff in diesem Sinne, wenn er an seine Mod-Phase Mitte der 1960er zurückdenkt. »Diese Zeit hatte großes Charisma«, sagte er dem NME 1972. Charismatische


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