Schlachtbank Düppel: 18. April 1864.. Tom Buk-Swienty

Schlachtbank Düppel: 18. April 1864. - Tom Buk-Swienty


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Dänen gezwungen wurden, ihre Flotte an Großbritannien abzutreten. Damals verlor Dänemark dreißig schlagkräftige Linienschiffe. Aber im Verhältnis zu den deutschen Nachbarn war die dänische Flotte ausreichend, weil die durch Schrauben angetriebenen Dampfkriegsschiffe die modernsten ihrer Art waren. Preußen, das mit großem Eifer versuchte, eine Flotte aufzubauen, verfügte über lediglich vier kleinere Schraubenkorvetten und eine überschaubare Flotte kleiner Kanonenboote zur Küstenverteidigung. Österreichs Flotte war der dänischen zwar überlegen, lag aber an der Adria, und niemand erwartete sie in der Ost- oder Nordsee.

      Weil Dänemark nach dem Verlust von 1807 eine neue Flotte von Grund auf aufbauen musste, war man in Marinekreisen neuen Ideen relativ aufgeschlossen, und genau hier kommt die »Rolf Krake« ins Bild. Auf der ganzen Welt wurde damit experimentiert, Kriegsschiffe mit Eisenplatten zu verkleiden. Diese Entwicklung war notwendig geworden, weil Holzschiffe allzu leicht von den modernen gezogenen Geschützen zerstört werden konnten.

      Während des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865) wurden nicht nur mit Eisenplatten verkleidete Holzschiffe eingesetzt, sondern auch Schiffe, deren gesamter Rumpf aus Eisen bestand und die über Kanonen in rotierenden, runden Kanonentürmen verfügten. Bereits während des Krim-Krieges wurden schwimmende Geschützbatterien aus Eisen verwendet, aber aus Eisen hergestellte Schiffe – das war etwas vollkommen Neues. Allein deren Erscheinung verbreitete Angst und Schrecken. Die Panzerschiffe waren schwarz, und aufgrund ihrer großen Dampfmaschinen hingen immer schwere, drohende Rauchwolken über ihnen. Tatsächlich umgab sie eine Aura der Unbesiegbarkeit.

      Der erste Kampf zwischen zwei Panzerschiffen, der USS »Monitor« der Nordstaaten und der CSS »Virginia« der Südstaaten-Armee, 1862 auf den Hampton Roads in Virginia, dauerte mehrere Stunden. Die beiden Schiffe beschossen sich gegenseitig mit Granaten, aber keines der Schiffe nahm sonderlich Schaden durch die vielen Volltreffer.

      Die dänische Marine verfolgte die Entwicklung sehr genau, und als sich ein Krieg um ›die schleswigsche Frage‹ am Horizont abzeichnete, gab man ein nach allen Regeln der Kunst gebautes Panzerschiff in Auftrag: ein stolzes, 56 Meter langes Schiff, 12 Meter breit, mit einer Tonnage von 1235, 750 Pferdestärken und zwei Kanonentürmen mit vier schweren 64-Pfund-Kanonen. Der schwarze, gepanzerte Rumpf war 12 Zentimeter dick.

      Die »Rolf Krake« wurde von den Preußen mit Respekt behandelt, sie legten im Vemmingbund Fischernetze aus, um zu verhindern, dass das Schiff allzu nah an Land kam. Aber die Preußen konnten das Kriegsschiff kaum daran hindern, bei einem Sturmangriff auf die dänischen Stellungen einzugreifen. Doch wie gefährlich war das Schiff überhaupt? Die preußische Heeresleitung tat sich schwer in der Einschätzung. Das Schiff war eindeutig ein unvorhersehbares Element, das den Deutschen Probleme bereitete. So gesehen war die »Rolf Krake« vor allem eine psychologische Waffe – und eine Waffe, die die Dänen in einem Krieg brauchten, bei dem es aus militärischer Sicht nicht allzu viel zu prahlen gab. In beinahe allen Punkten war Dänemark seinem Gegner unterlegen.

      Im April hatte Dänemark 52000 Mann unter Waffen, und damit waren bereits alle kampffähigen Männer des Landes mobilisiert. Bei den Truppen, die von den Preußen und Österreichern geschickt wurden, handelte es sich hingegen nur um das Expeditionskorps. Erst waren es 56000 Mann, im Laufe des Krieges wurden es 100000. Voll mobilisiert konnten Preußen und Österreich jeweils eine halbe Million Männer ins Feld schicken.

      Im Gegensatz zu Dänemark verfügten Preußen und Österreich außerdem über gut ausgebildete Soldaten. Der dänische Rekrut erhielt ein Jahr Ausbildung, der preußische drei Jahre. In Dänemark wie in Preußen gab es die allgemeine Wehrpflicht, doch Dänen aus den besseren Kreisen konnten sich vom Militärdienst befreien, indem sie einen sogenannten Ersatzmann bezahlten, der für sie die Uniform anzog. Das führte dazu, dass der größte Teil der Gemeinen des dänischen Heeres aus Landarbeitern, Arbeitern, Tagelöhnern und anderen ärmeren Schichten bestand.

      Die Deutschen hingegen waren in der komfortablen Lage, sich auch die Offiziere für den Feldzug aussuchen zu können. Ein gut funktionierendes Heer brauchte viele gute Offiziere. In Dänemark gab es tüchtige Vorgesetzte, aber viel zu wenige. In aller Hast musste man auf schlecht ausgebildete Reserveoffiziere zurückgreifen, und von ihnen gab es obendrein nicht einmal eine ausreichende Anzahl.

      Das dänische Heer war andererseits nicht so schlecht ausgerüstet, wie es in der Literatur über den Krieg von 1864 häufig dargestellt wird. Die Truppen waren ausgestattet wie durchschnittliche Einheiten in ganz Europa. Es gab einen Mangel an Uniformjacken, aber nicht an Gewehren oder Artillerie. Die schweren dunkelblauen Uniformen, die Mützen und Stiefel, mit denen die dänischen Soldaten ausgerüstet wurden, waren von so guter Qualität, dass viele Preußen sie darum beneideten. Die dänischen Waffen konnten sich in technischer Hinsicht mit den Waffen messen, die vom größten Teil der europäischen Heere eingesetzt wurden. Wie die Dänen benutzten die meisten anderen Truppen Vorderladergewehre mit gezogenen Läufen, die bis zu einer Entfernung von vierhundert Metern präzise treffen konnten.

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      Abb. 10: Dänische Soldaten ruhen sich aus, die Gewehre zu Pyramiden zusammengestellt.

      Diese Präzision war der Grund, warum die meisten Armeen der Welt, inklusive der Massenheere im amerikanischen Bürgerkrieg, am Vorderlader festhielten und nicht sofort auf die neueste Generation von Gewehren umstellten: Hinterlader oder Zündnadelgewehre.

      Unglücklicherweise verfügte Preußen (nicht aber Österreich) über die vorausschauendsten Heerführer, die erkannten, dass man sich waffentechnologisch und strategisch gesehen auf dem Weg in eine neue Ära befand. In den Napoleonischen Kriegen stießen Heere noch in massiven Reihen aufeinander: Sie marschierten aufeinander zu und feuerten dabei Salven ab, bis die Schlacht schließlich in einem Bajonettkampf endete. Aber preußische Militärstrategen wie General Helmuth von Moltke (siehe auch Seite 163) standen für eine weit mobilere Kriegsführung. Statt die Soldaten in Reih und Glied vorrücken zu lassen, griffen sie in beweglichen Truppenschwärmen an. Ein Zug bot weniger körperliche Angriffsfläche, daher wurden auch weniger Soldaten getroffen, wenn man auf einen schießenden Feind zustürmte. Die Überlegungen liefen darauf hinaus, einem Angriff die notwendige Wucht zu verleihen, indem man die Soldaten mit schnell schießenden Hinterladern ausrüstete – Zündnadelgewehren –, die im Gegensatz zu den Vorderladern im Laufen oder in liegender Position nachgeladen werden konnten. Auf diese Weise ließ sich im Gegensatz zu den Vorderladern eine hohe Feuerkraft aufrechterhalten, auch wenn sich die Soldaten auf den Feind zubewegten. Laut den Dienstbüchern des preußischen Heeres konnte ein Zündnadelgewehr vier bis fünf Schüsse in der Minute abfeuern. Ein geübter Schütze schoss infolge der dänischen Dienstordnung mit dem Vorderlader ungefähr zwei Schuss pro Minute (aber das erforderte, dass man aufstand – und still stehen blieb). Mit anderen Worten, mit einem Zündnadelgewehr ließ sich doppelt so schnell schießen.

      Der Vorderlader war auf größere Entfernungen etwas treffsicherer als die erste Generation der Hinterladergewehre, aber es zeigte sich sehr rasch, dass die größere Geschwindigkeit der Hinterlader diesen Nachteil aufwog. In dänischen Tagebüchern und zeitgenössischen Briefen ist immer wieder zu lesen, wie sich Soldaten und Offiziere darüber beklagen, dass man während eines Angriffs Schwierigkeiten hatte, mit der ›Feuergeschwindigkeit‹ des Gegners mitzuhalten.

      Unterlegen war auch die dänische Artillerie. Es fehlte nicht an Kanonen. Lange verfügte die dänische Armee bei Düppel über ebenso viele Kanonen wir die Preußen. Außerdem gehörten die Artilleristen zu den am besten ausgebildeten Soldaten des dänischen Heeres. Sie konnten sich mit Artilleristen anderer Armeen durchaus messen. Und hätte es sich bei dem Gegner nicht ausgerechnet um Preußen gehandelt, wäre ein Artillerieduell bei Düppel vermutlich erfolgreicher verlaufen. Doch unglücklicherweise besaßen die Preußen weit mehr Kanonen mit gezogenen Läufen als die Dänen, und gezogene Kanonen schossen weiter. Die Preußen konnten ihre Batterien also weit entfernt in Stellung bringen und die Dänen erreichen, ohne dass diese den Beschuss effektiv beantworten konnten.

      Den halben Sieg errangen die Preußen somit allein durch ihren technologischen und militärstrategischen Vorsprung.

      Aber es gab ja noch das Kriegsschiff »Rolf Krake«, das


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