Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden. Axel Stommel

Die unerträgliche Leichtigkeit der Schulden - Axel Stommel


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Schönheitsideals maßgeblicher gesellschaftlicher Gruppen, die höchstes Gefallen an einem »schlanken«, treffender: einem abgemagerten, schwachen, verschuldeten Staat finden, der ihnen nicht gewachsen ist, ist das Wachstum seiner Einnahmen weit hinter das Wachstum seiner Aufgaben, folglich auch seiner Ausgaben zurückgefallen.

      Deshalb stauen sich die diversen Mängel dort; der öffentliche Dienst stellt gewissermaßen das Tor dar, durch das viele Posten auf den langen Aufgabenlisten hindurch müssen, wenn sie erledigt bzw. wenigstens endlich in Gang gesetzt werden sollen. Ohne Aufstockung und qualifizierender Entwicklung der öffentlichen Verwaltung droht dieses Tor zum Nadelöhr zu werden.

      Hinzu kommt, dass die Mängelverwaltung von den Menschen in Stadt und Land zunehmend als alltägliches Staatsversagen wahrgenommen und »populistisch« verarbeitet wird. Wer kann es den Menschen verdenken,

      •wenn reihenweise Schwimmbäder schließen, weil Geld für Bademeister und Instandhaltung fehlen,

      •wenn nach dem Muster der deutschen Hauptstadt Heiratswillige monatelang auf einen Termin beim Standesamt, die Eltern von Neugeborenen monatelang auf Geburtsurkunden warten, die ihnen erst das Antragsrecht auf verschiedene gesetzliche Leistungen eröffnen,

      um es bei drei Beispielen zu belassen? Staatsversagen gebiert Staatsverdruss. Dass es gerade die Kommunen am unteren Ende der Finanzierungskette sind, aus denen die Zivilgesellschaft ihre Kraft bezieht, wird dabei je nach Einschätzung entweder großzügig oder dümmlich-verblendet übersehen.

      Investitionen in eine quantitative, qualitative sowie organisatorische Sanierung und Entwicklung des öffentlichen Dienstes sind – um zum Ausgangspunkt der Überlegungen zurückzukehren – jedoch vor allem deshalb so dringend, weil es ja gerade die Mängel der langsamen und widersprüchlichen öffentlichen Planung, Umsetzung und Verwaltung sind, welche die verspätete, unzureichende, fehlerhafte bzw. ausbleibende öffentliche Auftragsvergabe sowie die daraus resultierenden, aktuellen öffentlichen Haushaltsüberschüsse maßgeblich verursachen.

      1.Die besagten deutschen Haushaltsüberschüsse sind zu einem erheblichen Teil Folgen seiner unterfinanzierten öffentlichen Dienste – die Überschüsse sind eine Mangelerscheinung, schmälern den Wohlstand und behindern die sozioökonomische Entwicklung des Landes.

      2.Um die Mängel, sprich die Überschüsse zu beseitigen und wieder eine öffentliche Verwaltung aufzubauen, die dem Entwicklungsstand des Landes entspricht, werden Mittel namentlich für Personal, Personalentwicklung und Organisation benötigt, welche die wegfallenden Überschüsse weit übertreffen.

      Fazit: Die fraglichen Haushaltsüberschüsse stellen die einleitenden Ausführungen über die besorgniserregende Unterfinanzierung des deutschen Staates und seine seit Jahrzehnten praktizierte Sparpolitik nicht in Frage. Vielmehr unterstreichen sie die vorangehenden Ausführungen. Es klingt verwirrend, aber diese Überschüsse sind eine Erscheinungsform der Unterfinanzierung unseres Staates.

      Leider stellen solche Haushaltsüberschüsse jedoch stets auch ein Geschenk für all jene dar, die auf oberflächliches Unverständnis bauen und selber an einem schwachen, abgemagerten Staat politisch bzw. ökonomisch, letztlich finanziell interessiert sind. Darauf wird noch zurückzukommen sein.

      Es lohnt, einen kurzen Blick auf das zu werfen, was die Berliner Politik mit dem unverhofften Jahresüberschuss geplant hatte, bevor Corona alle Pläne über den Haufen warf. Und zwar sollten 500 Millionen Euro an das Verteidigungsministerium gehen, ein Teil in die Asylrücklagen; 17 Milliarden Euro wollte Finanzminister OLAF SCHOLZ investiert sehen; wo, blieb noch offen. Wirtschaftsminister PETER ALTMAIER plädierte für eine weitere Absenkung des Körperschaftssteuersatzes und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags nun auch für jene obersten 3,5 % der Einkommensbezieher, die den Zuschlag derzeit noch zahlen müssen.

       Das Extremereignis: Corona als epochale, exogene Herausforderung

      Im Gesundheitswesen, in weiten Teilen zur Privatisierung freigegeben, zeigt sich der Schaden über Nacht; schon am nächsten Morgen tritt zutage, dass das ganze Anreizsystem für Krankenhäuser, Pharmaindustrie und Personalrekrutierung verfehlt ist, ja dass es an der simpelsten Schutzausrüstung für das Klinikpersonal mangelt. Die medizinische Versorgung muss eingeschränkt werden,


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