Digital lehren. Thomas Hanstein

Digital lehren - Thomas Hanstein


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Phase des „Sandwichbodens“ gleichermaßen eine der Lehrperson zufallenden Moderationsaufgabe: In dieser Ergebnissicherung fassen Sie Thema und Ertrag zusammen, formulieren zentrale Erkenntnisse und schaffen einen Ausblick in kommende Veranstaltungen. Im virtuellen Feld hat dies zusätzlich den Anspruch, eine nicht abziehbare Zwischenzeit zu planen.

      Erfolgreiche selbstorganisierte Lernformen leben von einer organisierten Vorbereitung und einer strukturierten Durchführung. Für gehirngerechtes Lernen ist es dabei wichtig, solche Strukturen zu nutzen, die sich lernförderlich visualisieren lassen. Die einzelnen Steps des Lernprozesses werden im Advance Organizer als Art Landkarte dargestellt. Entscheidend ist, dass der Lernprozess als nicht linearer abgebildet wird. Ähnlich wie bei der Ausbildung neuer synaptischer Verknüpfungen im Gehirn des Lernenden wird im Advance Organizer vorhandenes Vorwissen an neue Lerninhalte angebunden, sodass dem Lernenden eine erweiterte Struktur angeboten wird. Ähnlich einem Brainstorming oder Mindmap werden zur Erstellung dieser Struktur begriffliche und graphische Assoziationen, Bilder und Symbole herangezogen. Denn das Gehirn baut sein Wissen anhand vorhandener Schemata auf. Die nach dem Prinzip des Advance Organizer entstehende Lernlandkarte macht die Vernetzung der Stoffgebiete anschaulich, bindet neue Inhalte in bestehende (neuronale) Strukturen ein, und schafft so die Voraussetzung für Transfer und Langzeitwissen.

      Eine aus diesem lernpsychologischen Grund beliebte Software ist „Prezi“. Hier kann in einem recht überschaubaren Rahmen ein großes Bild beliebig ins Detail gezoomt werden. Die kognitive Orientierung an einem Übersichtsbild, das sich im Laufe der Besprechung in seinem Detailreichtum immer stärker offenbart, ist eine ganz natürliche Metapher der Bildung von Schemata. Im oben besprochenen „Sandwichprinzip“ machen Sie möglich, dass die Lernenden sich aktiv und konstruktiv in dieses Bild einbringen, indem sie online auf diesen Advance Organizer zugreifen und eigene Assoziationen und Einfälle einbringen. So verbinden sich beide Methoden zu einem komplexen Lernarrangement.

      Dieses Prinzip macht exemplarisch deutlich, dass es nicht vorrangig die Arbeit an Inhalten ist, die gutes Lernen ausmacht. Von Lehrenden ist – bildlich gesprochen – zuerst der Boden zu bereiten, auf den die Saat aufgebracht werden kann. Da jeder Lernende seinen eigenen „Boden“ hat und diese sich hinsichtlich vermeintlicher „Fruchtbarkeit“ sehr unterscheiden, ist die individualisierte Zuwendung mit dem Ziel des Aufbaus von Lernstrukturen die vorrangige pädagogische Aufgabe. Fachlicher Transfer und Vertiefung können erst eintreten, wenn die entsprechenden fachwissenschaftlichen Strukturen – bei jedem einzelnen Lernenden – aufgebaut und gepflegt worden sind. Andernfalls bleibt erlerntes Wissen angelernter „Stoff“ – und damit passives, träges Wissen (Weinert), handlungstheoretisch und -praktisch also nicht oder nur wenig nutzbar (vgl. https://lehrerfortbildung-bw.de/u_gestaltlehrlern/projekte/sol/fb1/04_organisation/; Zugriff: 12.05.2020).

      Heinz Klippert hat anschaulich begründet, weshalb sich auch die Organisation des Aufbaus von Kompetenzen einer inneren Struktur unterwerfen sollte (vgl. Klippert, 2002). Die aktuellen Erkenntnisse der Lernforschung unterstützen diesen Ansatz. Klippert unterschied daher auch methodisch in Makro- und Mikromethoden. Makromethoden, wie Projektarbeit, Planspiele o. ä. bauen dabei auf Mikromethoden auf. Das erklärt, weshalb ein Schüler zum Beispiel inhaltlich noch so perfekt ein Referat vorbereiten kann, es dann aber am Vortrag scheitert. Die Arbeitstechnik eines Referats und die mentale Einstimmung darauf wurden unter Umständen nicht geübt, sondern einfach vorausgesetzt. In solchen Fällen wird die Forderung zu einer Makromethode pädagogisch betrachtet nicht zur Förderung, sondern vielmehr zur Schädigung. Die eventuell sozialisierte Learned helplessness wird nolens volens vom Lehrenden bestätigt. Beispiele wie diese machen den, an anderer Stelle angedeuteten, basalen Aspekt einer gelebten Beziehungsdidaktik deutlich. Denn Lehrende können nur mit Methoden fördern, wenn sie um den status quo der Lernenden wissen (W-Frage „Wer“).

      Klippert gliedert das Methoden-Training in die vier Bereiche: inhaltlich-fachliches, affektives, methodisch-strategisches und sozial-kommunikatives Lernen. Erfolgreich und nachhaltig zu lernen bedeutet nach Klippert, seine Methodenkompetenz zu erweitern, da sie der Weg zum Ziel – unabhängig vom Fach – ist. Das bedeutet gleichermaßen für Lehrende und Lernende, Methoden zu vermitteln, anzuwenden und ihre Anwendung wie den durch sie stimulierten Lernprozess reflektieren zu können. Erst wenn diese Schritte erfolgt sind, können sich neuronale Verknüpfungen zwischen methodischem und fachlichem Lernen einstellen.

      Bei den bisherigen Reflexionen zum erfolgreichen Lehren und Lernen und der Anbahnung von Lern- und Bildungsprozessen kam der Frage nach dem Lernraum keine – bis maximal eine indirekte – Bedeutung zu. Diese Beobachtung kann nicht weiter wundern, denn obliegt klassisch die Ausstattung dem Schulträger, während pädagogische Fragen dem Dienstherrn – bei den (Hoch-)Schulbehörden und letztlich dem entsprechenden Landesministerium bzw. in der Lehrerausbildung den entsprechenden Seminaren – vorbehalten sind. Dieser Hinweis ist nicht als formale Zuständigkeit abzutun, sondern beschreibt auch auf struktureller Ebene nicht weniger als einen epochalen Paradigmenwechsel (der bei Organisationen seine Zeit brauchen wird).

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      Abb. 9: Anbahnung von Lernprozessen auf zwei Ebenen

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