Lionel Forster, der Quarteron. Eine Geschichte aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg. Sophie Wörrishöffer

Lionel Forster, der Quarteron. Eine Geschichte aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg - Sophie Wörrishöffer


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umklammernd, was sie aus Erden ihr Eigentum nannten, während die Männer meistens in dumpfem Groll beisammenstanden und das Unglück widerstandslos über sich hereinbrechen liessen.

      Ralph zog den Knaben mit sich in seine Hütte. „Kommen Sir, Sir,“ sagte er, „vielleicht ist dieser Abend der letzte, den wir miteinander verleben. Sie wollten von ihren Eltern hören, — ich habe sie beide gekannt. Meines Herrn Besitztum und das der Familie Forster stiessen aneinander — Sie wissen ja doch, dass der Sklave keinen Familiennamen führt, sondern nach dem seines Eigentümers genannt wird —, nun wohl, auf der einen Plantage lebte als eine Art von Gesellschafterin der Tochter des Hauses, ein Mittelding zwischen Dienstbotin und Vertrauten die hübsche Quarterone Jane, — Ihre Mutter, Sir! Mein Gebieter war damals ein junger Mann, der Miss Forster, die Tochter seines Grundnachbarn, zu heiraten wünschte und daher auf der Farm ihres Vaters viel verkehrte. So kam es, dass auch Malcolm, sein Oberaufseher, manches Mal hinüberritt und, wie sich die jungen Herrschaften ihre künftige Heimstätte einrichteten, auch seinerseits daran dachte, die zierliche Jane zum Weibe zu erhalten. Mr. Trevor hatte, leutselig wie er war, nichts dagegen einzuwenden, auch Miss Forster, die Eigentümerin des Mädchens nicht, aber der alte Gentleman, Mr. Forster, machte beinahe einen Strich durch die Rechnung, er wollte unter jeder Bedingung den jungen Malcolm kaufen, während mein Gebieter ebenso dringend wünschte, ihn zu behalten. Der Sklave hatte die Aufmerksamkeit des alten Herrn Forster in hohem Grade erregt, weil er ein besonders tüchtiger Landwirt war, dem die Bestellung der Felder, die Pflege der Herden und so weiter, ganz allein übertragen werden könnte; Mr. Forster als gänzlich gelähmter Mann musste alles fremden Leuten in die Hände legen, und so klammerte er sich mit dem Eigensinn des Alters an den Gedanken, gerade diesen Sklaven als Eigentum zu erlangen. Malcolm sollte sein Verwalter werden. Alle Beteiligten suchten meinen Gebieter zum Nachgeben zu bewegen. Er wollte keinen Menschen verkaufen, darin ist er seinen Grundsätzen bis in den Tod treu geblieben, aber er liess sich auf Malcolms eigene Bitte bestimmen, diesen dem alten Mr. Forster zu schenken, und so wurde denn die Doppelhochzeit mit Glanz und Jubel gefeiert. Es vergingen Jahre, in denen der Herrschaft sowohl wie den Sklaven das Glück mit immer gleicher Treue zu lächeln schien, — dann brach das Verhängnis herein. Unter den Negern unseres Haushaltes erschien der Typhus; die junge Frau Trevor ging in Begleitung ihres Mannes von Hütte zu Hütte, um die Kranken zu pflegen, dabei wurde sie angesteckt, übertrug den gefährlichen Stoff auch auf ihre beiden Kinder und starb, während diese mit dem Tode rangen. Mein armer Gebieter musste alles, was er liebgehabt hatte, auf einmal verlieren, während auch das Lebensglück Ihrer bis dahin so zufriedenen Eltern in schrecklicher Weise zerstört wurde.“

      Lionel horchte auf. „Mein Vater starb?“ forschte er.

      „Nein, Sir, es war etwas anderes. Der alte Mr. Forster hatte schon längst das Zeitliche gesegnet, und an seiner Stelle verwaltete die Farm sein einziger Sohn, ein Lebemann, der bis dahin nichts verstanden hatte, als die Einkünfte des Gutes in den grossen Städten zu verschleudern. Er kannte von der Landwirtschaft nichts, und so kam es denn, dass zwischen ihm und Malcolm jeden Augenblick neue Streitigkeiten ausbrachen, bis sich der junge Mr. Forster eines Tages so weit vergass, seinen Sklaven einen Betrüger zu nennen. ‚Hund!’ schrie er ihn an, ‚du stiehlst mir die Hälfte des Ertrages, du bist ein Spitzbube, den ich auspeitschen lassen werde!’“

      Lionel ballte die Faust. „Und das liess sich mein Vater bieten?“ rief er.

      „Leider nein, Sir! Er schlug seinem Beleidiger die Reitpeitsche um die Ohren, er, der Sklave, dem Gebieter!“

      Lionels Augen funkelten vor Freude. „Bravo!“ lief er. „Bravo, mein armer Vater, ich hätte es gemacht wie du!“

      Ralph wiegte den Kopf. „O Sir, Sir, die Heftigkeit tut nimmer gut! Mr. Forster sann auf Rache, er liess seinen Sklaven weder peitschen, noch in das Gefängnis werfen, aber er verkaufte den, dessen ganze Seele an Frau und Kind gefesselt war, heimlich nach Brasilien. Erst als sich an dem Geschehenen nichts mehr ändern liess, erfuhr Mr. Trevor, wo der unglückliche Malcolm geblieben war, er machte seinem Schwager eine heftige Szene und setzte sogleich alle Hebel in Bewegung, um den Verbannten zurückzurufen, aber vergebens. Malcolm war kurz nach der Ankunft in jenem heissen Lande gestorben, und so liess sich natürlich für ihn nichts mehr tun. Wie ich schon neulich sagte, — die arme Missis Jane folgte ihrem Manne bald in das Grab, und so standen Sie selbst nun als sechsjähriges Bürschchen ganz allein in der Welt oder hätten doch auf Erden keinen Freund gehabt, wenn nicht Mr. Trevor in seiner Herzensgüte für Sie eingetreten wäre. Damals war ihm die Stätte, an der er Frau und Kinder so jäh verloren hatte, einigermassen unheimlich geworden, die Bilder der glücklichen Vergangenheit standen immer vor seiner Seele und liessen die Gegenwart nur um so trostloser erscheinen, er verkaufte daher das Gut und ging ganz aus Kentucky fort, um hierher nach Seven-Oaks überzusiedeln. Nur Sie und ich haben ihn begleitet, nur ich wusste, dass der kleine Bursche mit dem blonden Haar und der weissen Haut doch in seinen Adern einen Tropfen afrikanischen Blutes trug. Mr. Trevor liebte Sie, die Waise, wie ein eigenes Kind, je länger, desto inniger, er wollte Ihnen sein ganzes Eigentum hinterlassen, Sir! Seven-Oaks gehört Ihnen, und wenn auch jetzt die Bosheit siegt, wenn Sie bestohlen und in das Elend gestossen werden, so ist das doch nicht für immer. Der Tag kommt, an dem das Recht triumphiert, davon bin ich fest überzeugt!“

      Lionel drückte ihm die Hand. „Meine armen Eltern!“ sagte er. „Wie mag mein Vater gelitten haben! Fortgeschleppt bei Nacht, gebunden wie ein Opfertier! — O Ralph, Ralph, muss nicht der Rächer auferstehen, um dem schwarzen Volke zu helfen?“

      „Amen, Sir! Amen!“ — —

      Fünftes Kapitel

      Die letzte Nacht, die letzte für Lionel auf Seven-Oaks war vorüber, Vogelstimmen begrüssten den Morgen.

      Es schlug sieben; Mr. Trevor ging rastlos in seinem Zimmer auf und ab, er wagte es nicht, an das Fenster zu treten, er liess den Kaffee, welchen ihm Toby brachte, unberührt. Sonderbar, mitten im heissen, südlichen Sommer schlich ein Frostgefühl durch alle seine Adern.

      Dann wurde ihm gemeldet, dass die neue, weisse Dienerschaft aus der Stadt angekommen sei. Draussen auf dem Hofe hatten sich unterdessen die Schwarzen in Gruppen zusammengefunden, Mütter mit ihren Kindern, Greise am Stock oder geführt von andern, eine traurige Versammlung, deren Weinen die Luft ringsumher erfüllte. Immer wieder traten die Frauen in ihre Hütten und besahen zerrissenen Herzens die bescheidene Einrichtung, welche so lange ihr Eigentum gewesen. Der verstorbene Gebieter hatte jedem schwarzen Mädchen, sobald es heiratete, eine Aussteuer geschenkt, dem Burschen aber ein Stück Land überlassen, ein Schaf und eine Ziege aus der Herde, damit konnten sie für sich selbst wirtschaften, konnten sich kleine Annehmlichkeiten verschaffen, bunte Kleider, Spiegel und was sonst ein Negerherz erfreut. Wer sollte alle diese geliebten Schätze nach ihnen besitzen?

      Jetzt öffnete sich die Eingangspforte, einer der neuen weissen Diener erschien mit einem Manne, dessen gemeines Aeussere den Emporkömmling verriet. Er trug halb städtische, halb ländliche Kleidung, einen Filz mit der Kokarde der Konföderierten, hohe Wasserstiefel und eine Reitpeitsche, mit der er gewohnheitsmässig fortwährend in der Luft herumfuchtelte. Jetzt trat er den vor Schreck verstummten Schwarzen näher und überflog musternd die einzelnen Gruppen.

      „Wenn ich früher gelegentlich mal nach Seven-Oaks kam“, rief er lachend, „und anfragte, ob nicht ein Geschäft mit schwarzem Fleische zu machen sei, dann hätte mich wohl der verstorbene Mr. Trevor am liebsten mit den Hunden vom Hofe hetzen lassen, — jetzt haben sich die Zeiten geändert. Vorwärts Leute! Notieren Sie mir die Kopfzahl, Saunders.“

      Während der Sklavenhändler noch hie und da ein paar gelähmte oder sonst schwache Alte in brutaler Weise ausschied, kam auch Lionel herab auf den Hof, und der Mann mit der Reitpeitsche bemerkte ihn sofort. „Aha, da ist der Sklave mit der Hochschulen-Physiognomie! Komm einmal her, mein Sohn! was kannst du denn ausser deinem Latein und Griechisch, he? — Brot essen, nicht wahr?“

      Er lachte wohlgefällig über das, was er für einen Witz hielt, und Saunders stimmte sogleich mit ein. Lionel würdigte den brutalen Menschen keiner Antwort, er liess es ruhig geschehen, dass er wie ein Tier untersucht wurde.

      Dann fuhr der Wagen des Sklavenhändlers


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