Der Majoratsherr Bd. 1. Nataly von Eschstruth

Der Majoratsherr Bd. 1 - Nataly von Eschstruth


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      Rüdiger war starr. „Wie ist das möglich!? Der Arzt pflegt gewöhnlich auf dem Lande der vertrauteste Freund und Ratgeber zu sein? — Aber ganz recht, ich entsinne mich, dass Willibald stets eine Aversion gegen Ärzte hegte, ihre Wissenschaft verspottete und sich lieber einen Quacksalber von Wunderschäfer holen liess, anstatt eine Autorität zu konsultieren!“

      Der Doktor lachte scharf auf.

      „Ganz recht! Der alte Schäfer Enke ist Faktotum bei dem Herrn Grafen, falls derselbe wirklich einmal zu klagen hat, was äusserst selten der Fall ist!“

      „Hm ... bei Leuten seines Geisteszustandes bilden sich ja derartig krankhafte Marotten!“ nickte Graf Rüdiger traurig, „aber er ist doch hoffentlich anständig genug, Ihnen als Entschädigung für solche Nichtachtung ein hohes Jahrgehalt zu zahlen, um Ihr Ansehen in der Stadt nicht zu schädigen?“

      Das magere Gesicht des Gefragten spiegelte allen Ingrimm, welcher wohl schon seit Jahren an dem armen, kinderreichen Familienvater zehrte.

      „O nein, nicht einen roten Heller beziehe ich von ihm, wie sollte ich auch, da ich ja gar nicht nach Niedeck geholt werde!“

      Rüdiger war empört, ausser sich „Ist es denn schon soweit mit dem Unglücklichen gekommen, dass ihm jedes Pflicht- und Ehrgefühl mangelt? Wenn eine anständig denkende Familie auf Niedeck wohnte, müssten Sie ein fürstliches Salär beziehen, teuerster Doktor! ein Salär, wie es Ihre hohen Kenntnisse einfach bedingen!!“

      Der kleine Landarzt seufzte tief auf und nickte trostlos mit dem Kopfe, dann fragte er mit hassfunkelnden Augen: „Sie halten ihn wirklich für verrückt, Herr Graf?“

      „Gewiss, Sie etwa nicht, lieber Doktor, der doch als Mann der Wissenschaft seinen Zustand am besten beurteilen kann?!“

      „Ich .. o ... ja ... ich —“ stotterte sein Nachbar verlegen, „ich habe ihn stets für einen Sonderling gehalten, — zu näherer Beobachtung seines geistigen Zustandes habe ich leider noch keine Gelegenheit gehabt!“

      „Und bedarf es derselben wirklich?“ seufzte Rüdiger kummervoll auf.

      „Ich dächte, alles, was man von meinem armen Vetter hört und sieht, spräche deutlich genug für seinen Zustand. Degeneriert! — Dies eine Wort sagt alles! Sehen Sie seinen unförmigen Kopf an, — wie eine Wassermelone! Das kommt bei den sechzehn Ahnenheiraten heraus!“

      Der Bürgermeister lachte hart auf. „Ja, ja, das sieht ein Kind ein, dass es bei dem Grafen Willibald nicht mehr richtig im Hirn ist! Haben Sie schon von seiner neuesten Verrücktheit gehört, meine Herren?“ —

      Alle Köpfe schossen eifrig näher: „Nein, bitte, erzählen Sie!“ —

      „Nun, der Herr Graf hat sich jetzt für Tischgesellschaft gesorgt! Es wird täglich für sechs Personen gekocht und gedeckt. Dann geht Seine Hochgeboren hinüber in die Ahnengalerie, wühlt fünf Porträts aus, dieselben werden in das Kutscherstübchen gesetzt, und nun nimmt der Graf neben ihnen Platz, legt seinen stummen Gästen Essen vor, schenkt ihnen ein, — spricht mit ihnen — —“

      „Grosser Gott! entsetzlich!“ stöhnte Rüdiger auf, „vollständige Gehirnerweichung! Man hat derartige Erscheinungen sehr oft, ehe Katastrophen eintreten, nicht wahr, mein lieber Doktor, Sie kennen auch derartige Fälle?!“

      „Gewiss“, nickte dieser selbstbewusst, „die bekannte Encephalomalacia, bei Verschluss der Schlagadern eines Bezirkes, kennzeichnet sich durch langsame Abnahme der Geisteskräfte.“

      „Grossartig“, bewunderte der Graf, „vortrefflich bewandert, dieser Doktor! Ja, meine Herren, ich fürchte, da werden wir uns auf ganz ungeheuerliche Dinge gefasst machen müssen!“

      „Das wäre ja alles, was noch fehlte!“

      „Hm ... haben wir uns das etwa gefallen zu lassen!“

      „Nun ... was in meinen Kräften steht, um alles gut zu machen, was mein Vetter an Ihnen und der Stadt hier versäumt, meine Herren, soll geschehen. Vor allen Dingen will ich mich sofort persönlich bei dem Herzog melden lassen, um es durchzusetzen, dass Angerwies Garnison wird!“

      „Hurra! — Hurra!“

      „O bitte, jubeln Sie nicht zu früh, meine Freunde! Willibald hat sehr viel in dieser Angelegenheit versehen, indem er sich nie für die Sache verwandt hat! Er, als Majoratsherr, hätte dem Herzog gegenüber ganz anders energisch vorgehen können, wie ich jetzt, der ja eigentlich gar nichts mit der Angelegenheit zu thun hat. Ich fürchte auch, daran werden meine Bemühungen scheitern! Ja, wenn ich Majoratsherr wäre — oder für meinen minderjährigen Sohn als Vormund sprechen könnte — ja dann!!“ Atemlos lauschte man im Kreise.

      Endlich stiess der Bürgermeister heraus. „Nun, Herr Graf — und könnten Sie denn das nicht jetzt schon werden?“

      Rüdiger zuckte die Achseln: „Willibald lebt ja noch, meine Herren.“

      „Aber er ist geisteskrank!“

      „Ja, gewiss, er ist verrückt!“

      „Man muss ihn in ein Narrenhaus bringen und Ihren Sohn als Erben proklamieren, Herr Graf!“

      Das Eis war gebrochen, in wildem Durcheinander klangen die Stimmen und auf Rüdigers fahle Wangen traten zwei rote Flecken höchster, fieberhafter Erregung. Er senkte die Wimpern über die Augen, um seine verräterisch aufblitzenden Blicke zu verbergen. Dann seufzte er tief auf, streckte jählings dem Bürgermeister und Doktor die Hände hin und rief voll schmerzlicher Extase: „Ja, meine Herren, könnte man dem armen Geisteskranken die Wohlthat anthun, ihn in eine Anstalt zu bringen, so wäre Angerwies gerettet und könnte blühen, wachsen und gedeihen zu einer Stadt ersten Ranges! — Nicht an mich denke ich — ich habe es nicht nötig — sondern nur an Angerwies und seine Bewohner, wenn ich erkläre — es würde ein Glück sein, könnte mein beklagenswerter Vetter einem Irrenhause überwiesen werden!“

      „Ja, ein Glück, ein Glück für ihn und uns!“ hallte es im Kreise. „Erbarmen Sie sich, Herr Graf, helfen Sie uns, dass es geschehe!“

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