Der Majoratsherr Bd. 1. Nataly von Eschstruth

Der Majoratsherr Bd. 1 - Nataly von Eschstruth


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abgegangen war, blieb vor ihr stehen und blickte sie mit seinen scharfen, kalten Augen überrascht an.

      „Bist du von Sinnen? Was soll dies Benehmen?!“ herrschte er sie ärgerlich an.

      „Verzeih, Rüdiger — es kommt mir so namenlos komisch vor.“

      „Was denn, wenn man fragen darf?“

      Ihr Blick flog musternd über seine schlanke Gestalt und sie lachte abermals! „Dass wir so fabelhafte Anstrengungen machen, um uns für dieses odiöse Krähwinkelpack zu putzen! Schade um meine schöne Schleppe!“

      Er zuckte nervös die Achseln: „Thuen wir es etwa zum Vergnügen? Ich dächte, du wüsstest genugsam, um was es sich handelt!“ —

      „Weiss ich auch, mon ami“ — nickte sie plötzlich ernst werdend und sich erhebend — „und ich will diese schöne Toilette und noch weitere acht Tage meines Lebens gern opfern, wenn wir dadurch das Ziel erreichen können! Bis jetzt stehen die Chancen gut, und ich denke, heute abend werden wir siegen.“ —

      „Ich bitte dich, liebe Melanie, bei der ausserordentlichen Farce, welche du zu sehen bekommst, ernst zu bleiben. Denke, du besuchst einen Kostümball — altmodische, spiessbürgerliche Verhältnisse sind Vorschrift. Und nun komm und öffne der Liebenswürdigkeit alle Schleussen, um mir in die Hände zu arbeiten!“ — Er bot ihr aufseufzend den Arm und schritt zur Thür.

      Wie durch einen Zauberschlag verstummte das Sprechen, Lachen und Geigenstimmen im Saal, als Herr Simmel atemlos in der Thür erschien und in heimatlichen Lauten meldete: „Se kumm’n — Se kumm’n!“

      — Und sie kamen.

      Der Bürgermeister hatte sich mit dem Gedanken getragen, beim Eintritt des gräflichen Paares die Nationalhymne spielen zu lassen, der Doktor und Oberförster fanden diese Idee jedoch nicht ganz passend, und der Vater der Stadt fühlte sich ein wenig beleidigt. —

      Dafür aber schritt er, von sämtlichen Honoratioren der Stadt geleitet, den Eintretenden unter zahllosen Bücklingen entgegen, und das gefeierte Paar wusste bei aller Liebenswürdigkeit doch so viel hoheitsvolle Würde zu zeigen, dass es den Herren und Damen von Angerwies voll traumhaft seligen Entzückens zu Mute war, als ob sie doch einmal in ihrem Leben auf höfischem Parquet stünden, sich tief vor den Majestäten zu verneigen.

      Der Graf drückte dem Bürgermeister die Hand. „Wollen Sie uns zu Ihrer Frau Gemahlin führen und uns mit den Damen der Gesellschaft bekannt machen?“ sagte er in dem Flüsterton hoher Wichtigkeit, welcher ganz besonders zu imponieren pflegt.

      Der Ausgezeichnete legte die Hand in dem baumwollenen Handschuh mit gespreizten Fingern auf die Brust und machte einen Kratzfuss, ein Benehmen, welches die hinter ihm stehenden Herren sofort kopierten, bis auf den Assessor, welcher voll weltmännischer Eleganz sofort als Kammerherr an die Seite der Gräfin trat.

      Sie grüsste ihn lächelnd mit vertraulichem Händedruck, und Bärning erglühte vor Stolz und blickte sich rings im Kreise um, als wollte er sagen: „Welch ein Mensch bin ich!!“ —

      Dann begann die Tournee.

      Unter feierlichstem Schweigen schritt man quer durch den Saal, zum Entzücken der Damen, welche nun so recht von allen Seiten das Prachtkleid der hochgeborenen Frau mit den Augen verschlingen konnten!

      Wie geblendet starrte Alt und Jung auf die märchenhafte Erscheinung dieser schönsten aller Gräfinnen, welche wie eine Fata Morgana glitzernd und schier spukhaft über die weissgescheuerten Dielen schwebte.

      Ja, sie war doch noch etwas anders frisiert wie Bürgermeisters Töchter!! —

      Wie es möglich war, das Haar derartig zu wellen, zu kräuseln, zu puffen und aufzubauen, deuchte jedermann ein Rätsel, das fabelhafteste aber war ein breites, goldenes Diadem, dessen Mitte einen Brillantstern trug, sprühend und glühend in allen Farben! So also sehen die Diamanten aus, von denen Heinrich Heine singt: „Mein Liebchen, was willst du noch mehr?“

      Und nicht nur der Haarreif war mit diesen funkelnden Steinen besetzt, nein, über Hals, Brust und Armen flimmerten sie wie ein Märchen aus Tausend und einer Nacht, — wunderbar! unfasslich! Ja, da musste das Vermögen nach Millionen zählen, wenn man derartige Schätze unverzinst in die Kommode legen kann!!!

      Mit leisem Frou-frou rauschte die pfirsichblütfarbene Seidenplüschschleppe wie ein gleissender Strom hinter der schlanken Gestalt her, und die Herren, welche folgten und solche Toilettenpracht nicht kannten, gerieten anfangs öfters in die Gefahr, rechts und links darüber hinweg zu stolpern!

      Aber sie fanden sich schnell in die höfische Sitte und hielten Distance von der seidenglänzenden Pracht.

      „Sie hat auch rosa Schuhe und Strümpfe an!“ flüsterte es schier atemlos vor Staunen im Kreise der Damen.

      „Und Handschuhe bis über die Ellbogen hinauf!“

      „Und der Atlas vorn am Kleid ist mit Gold durchwirkt!“

      „Jetzt öffnet sie den Fächer —! Minchen, guck doch nur, er ist ganz und gar von rosa Straussenfedern!“

      „Nun kann ich mir doch vorstellen, wie die Königin aussieht“, schwärmte ein stumpfnäsiges Fräulein. Die Bürgermeisterin knixte und schüttelte der Gräfin die zarte Rechte, als wolle sie das Gelenk auf seine Dauerhaftigkeit prüfen!

      Dann griff sie rechts und links nach rückwärts und zerrte die schämigen, dunkelrot erglühenden Töchter vor. Frau Melanie stutzte bei deren Anblick, auch über ihr Antlitz ergoss sich verräterische Glut, sie hob den Fächer bis an die Augen und hustete so heftig, dass die Frau Bürgermeisterin im Begriff stand, allen Respekt vergessend, sie hilfreich in den Rücken zu klopfen.

      Der Graf presste den Arm der Gemahlin auch recht besorgt an sich, — da legte sich der Husten, die Gräfin lächelte wie ein Engel und reichte den jungen Mädchen die Hand, mit dem scharmanten Kompliment für die Frau Mama: „Was haben Sie für frische, bildschöne Töchterchen, Frau Bürgermeisterin!“

      Wer war beglückter als diese!

      Und dann wurden die nächststehenden Damen vorgestellt und das gräfliche Paar hatte für jede die gewinnendsten Worte.

      Während dessen gab der Graf einen Wink, dass der Tanz beginne. Er bot der Bürgermeisterin galant den Arm, — die Gräfin legte mit graziösem Lächeln ihre Hand auf den des Herrn Bürgermeisters und die grosse Polonaise begann. Sie tanzen sogar mit!!

      Wie Enthusiasmus schwellte es aller Brust, selbst die Musikanten schmetterten so begeistert darauf los, dass Gräfin Niedeck manchmal schmerzhaft zusammenzuckte.

      Das Fest hatte begonnen und nahm einen glänzenden Verlauf.

      Die gräflichen Herrschaften plauderten mit allen Anwesenden und die Gnadensonne ihrer Huld bestrahlte ausnahmslos einen jeden, welcher sich in ihre Nähe wagte.

      Der Assessor fieberte! Die Gräfin tanzte Walzer mit ihm, — der Apotheker und Assistent klatschten während dessen alle anderen tanzenden Paare ab, teils aus höchster Devotion, teils um ein Unglück mit der Schleppe zu verhüten, welche die hochgeborene Frau zu allgemeinem Staunen selbst während der Rundtänze nicht hoch nahm.

      Aber der Assessor war ein Mordskerl, er machte seine Sache brillant, und heimste nachher auch von allen grösstes Lob ein.

      „Ja, mit Schleppe tanzen!“ lächelte er blasiert — „das will eben gelernt sein! Ich habe lange Jahre in den grossen Städten dazu Zeit gehabt!“

      Es war ganz augenscheinlich, dass das Ansehen des Assessors mit diesem Tanze noch bedeutend stieg, auch die anderen jungen Herren bildeten plötzlich ein Strebertum, — sie bemühten sich im Schweisse ihres Angesichts zu zeigen, dass auch sie Mut und Schliff genug besassen, eine Dame wie Gräfin Niedeck aufs beste zu unterhalten!

      Der Tanz nahm seinen Fortgang, und während Frau Melanies Diamantgefunkel die Herzen und Seelen im Saale in Zauberbande schlug, setzte sich der Graf im Nebenzimmer nieder, im Kreise seiner Getreuen männerwürdige Reden zu pflegen!

      Er


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