The Complete DJ Guide. Christian Haase
da, tolle Moderation zu bieten, sondern sollte in erster Linie nonstop Musik liefern, sodass die gute Stimmung beim Tanzen einen kompletten Abend lang aufrechterhalten werden konnte, ohne dass eine Unterbrechung der Musik stattfand. Es kam also darauf an, nahtlose Übergänge von einem Song zum nächsten hinzubekommen - ohne nervige Pausen, schiefe Töne oder Dissonanzen. DJs, die ihr Handwerk verstanden, schnitten Tracks exzellent ineinander und vermischten sogar Acapellas bekannter Lieder mit Breaks verschiedener anderer Titel, so wie es beispielsweise Francis Grasso tat. Ein guter DJ verstand es zudem, zwei verschiedene Songs fast unhörbar länger als 32 Takte ohne Patzer parallel zu einander spielen zu lassen.
Die Notwendigkeit des Mixens ergab sich aus dem Wunsch der Veranstalter, die Tanzfläche permanent gefüllt zu haben. Um eine stetig gute Stimmung zu gewährleisten, durfte es so gut wie keine Unterbrechung geben. Außerdem ermöglichte das Ineinander-Mischen von Tracks das Spielen neuer Lieder, die das Publikum noch nicht kannte - ein guter und weicher Übergang verhinderte, dass sich die Tanzfläche leerte, wenn ein unbekanntes Lied gespielt wurde. Man konnte das Lied dem Publikum sozusagen „unterjubeln“. Trotz neuer Technologien hat sich die Pausenlosigkeit eines Sets bis heute als Trend gehalten - wenn ein DJ zu viel redet und ständig zum Mikrofon greift, ist das ein absolutes No Go. Schließlich möchte man die Musik genießen und der DJ sollte nur im Hintergrund oder zur Crowd Animation auftreten.
Mit einer Ausnahme: in den US-amerikanischen Ghettos der 70er war es „in“, wieder in die Musik reinzureden - so entstand die Hip Hop-Kultur, welche sich zunächst in den von Schwarzen bevölkerten Stadtteilen New Yorks entwickelte. DJs griffen wieder zum Mikrofon und riefen Sätze in die Tracks, woraus sich nach und nach Rap entwickelte. Ein Sprechgesang, der zum Rhythmus der Musik eine Botschaft vermittelte. Durch Filme wie etwa „Beat Street“, schwappte die Hip Hop-Kultur, die sich hauptsächlich in den Straßen der ärmeren Viertel abspielte, herüber nach Europa und wurde hier vor allem in den 80er und 90er Jahren von Jugendlichen als „cool“ gefeiert. Es entstand ein Massenphänomen und Rapper wie Kanye West oder auch Jay-Z gehören heute zu den reichsten Musikern der Welt – also sehr konträr zum tatsächlichen Ursprung dieser Kultur.
Die elektronische Musik, die sich dank des technischen Fortschritts Mitte der 80er Jahre entwickeln konnte, brachte eine weitere Jugendkultur hervor: den Techno, welcher sich in den USA vor allem in Detroit als Gegenpol zum kalten Alltagsleben in den Fabriken etablierte und von der Jugend als neue Daseinsform gefeiert wurde. In Deutschland gab es den Techno musikalisch gesehen allerdings schon früher, von der Band Kraftwerk und ihrem legendären Album „Autobahn“ angetrieben.
Mit aufstrebenden DJs und dem Bekanntwerden derer Namen etablierten sich ganze Marken und so kam natürlich auch wirtschaftlicher Erfolg. Die Eintrittspreise in die Discos waren den Besuchern fast schon egal - man wollte dabei sein, koste es, was wolle. So konnte der Betreiber der legendären Disco Warehouse in Chicago im Jahr 1982 einfach den Eintrittspreis verdoppeln, weil es Tausende von minderjährigen Besuchern und Jugendlichen gab, die ausgelassen darin feiern wollten. Das Warehouse ist auch bekannt gewesen als Geburtsort der House-Musik, welche vom Resident-DJ Frankie Knuckles gespielt wurde. Als DJ hatte er bekanntlich die Aufgabe, die Menge bei Laune zu halten und zum Tanzen zu bringen, Anfang der 80er aber gleichzeitig die Schwierigkeit, dass die Ära der 70er Jahre Disco-Sounds ein Ende nahm und keine neuen Pop-Songs nach diesem Schema mehr erschienen. So nahm er Tracks, die er für passend hielt, glich den Beat an und lies damit eine ganz neue Musikrichtung entstehen.
Auch das Studio 54 in Manhattan (New York) bot der ausgelassenen Disco- und Feier-Kultur neuen Nährboden. Der Club eröffnete im Jahr 1977 seine Pforten und galt bald als Mekka für exzentrische Partys, Drogen-Exzesse, wilden Sex und ungehemmte Feierlaune der Stars und Sternchen - wer keine Berühmtheit war, musste wenigstens so aussehen und angezogen sein wie eine, um am Türsteher vorbei zu kommen. Zu den Stammgästen gehörten Mick Jagger, Michael Jackson, Madonna, Elton John, Donald Trump, aber auch Calvin Klein oder die Künstler Andy Warhol und Salvador Dali. Nach kurzer, einjähriger Unterbrechung bzw. Schließung im Jahr 1980 wegen Steuerhinterziehung der Inhaber, eröffnete das Studio 54 in New York wieder seine Pforten und prägte die New Yorker Disco-Kultur der 80er Jahre bis zu seiner finalen Schließung im Jahr 1986.
In Europa florierte die Existenz von Discos ebenfalls, denn das ausgelassene Feiern am Freitag- oder Samstag-Abend gehörte nun zu einem modernen Lebensstil schlichtweg dazu. Für DJs wurde die Arbeit insofern einfacher, als dass sie kein schweres Equipment mehr schleppen mussten, sondern in guten Clubs vor Ort schon eine technisch einwandfrei ausgestattete DJ-Booth vorfanden - Getränke inklusive. Allerdings durfte ein DJ nicht in die Drogen-Szene abrutschen, sonst war er schnell seinen Job los. Es wurde auf Zuverlässigkeit und stetig gute Performance gesetzt. So entstand die Daseins-Form des Resident-DJ, welcher per Vertrag quasi der hauseigene DJ war und regelmäßig in einem Club auflegte.
Gerade in den 90er Jahren erlebten Techno und Hip Hop ihren Peak und begründeten zwei musikalisch gänzlich verschiedene, aber vom Grundgedanken sehr einheitliche Genres und Kulturen. Beide wurden von einer Sub-Kultur in ein Massenphänomen verwandelt. Heute ermöglicht der technische Fortschritt das Erlernen der maschinellen Techniken des Auflegens binnen weniger Stunden Übung. Digitale Programme und Software nehmen dem DJ das Anpassen der Geschwindigkeiten zweier Musiktitel per Knopfdruck ab. Kritiker verurteilen zu Recht, dass DJs heutzutage die handwerklichen Skills, die Spontanität und die Kreativität beim Musik-Machen verloren geht, da spezielle Computer-Programme das Meiste übernehmen. Liebhaber moderner DJs hingegen genießen das fantastische Ensemble aus Licht-Show, Musik und Crowd-Animation, welches erfolgreiche DJs bei ihren Auftritten zu bieten haben. Zumal es DJs gibt, die ihre Anfänge in den früheren Zeiten gemacht haben, dementsprechend lange am Markt sind und bei manchen Gelegenheiten beweisen, dass sie immer noch in der Lage sind, gute Vinyl-Sets zu spielen.
DJs, die heute aber beginnen aufzulegen, werden niemals das lernen, was einen DJ durch seine technischen Fähigkeiten auszeichnet. Es bleibt also zu hoffen, dass sie dafür umso aktiver werden, wenn es darum geht, zu lernen, wie man das Publikum liest, auf seine Bedürfnisse eingeht und einen Abend ausgelassen zu bestreiten.
1.2 Die Bedeutung des DJs
Der Begriff „DJ“ stammt vom englischen Ausdruck „Discjockey“ und setzt sich aus dem Wort „Disc“ (Schallplatte) und „Jockey“ (Handlanger) zusammen. Das trifft den Nagel ganz gut auf den Kopf, denn in den Anfängen der Club-Musik war der DJ nicht mehr als ein simpler Nachtarbeiter, der wenig zu sagen hatte und lediglich dafür sorgen sollte, dass die Gäste Spaß beim Tanzen haben. Er war in seiner Position nicht unbedeutend, schließlich würde ohne ihn keine Party stattfinden können, doch er selbst als Person, war weder cool noch nennenswert einflussreich in seinem Umfeld.
Die Anfänge des Platten-Auflegens und des Berufs, der sich daraus entwickelt hat, gehen sogar noch weiter zurück, nämlich in die Radio-Zeiten der 50er, 60er und 70er Jahren. Denn damals war es üblich, dass Musikstücke anmoderiert wurden - vom Radio-Discjockey. Seine Aufgabe war es, auf Tonträgern gespeicherte Musik abzuspielen und diese zu kommentieren. Ein guter Discjockey war demnach wortgewandt und konnte seinen Zuschauern die Musiktitel schmackhaft machen, bevor er sie abspielte. Gespickt mit reichlich Hintergrundwissen über die Produktionen und bestens informiert über das Leben der Musiker, konnte er Wissen und Gossip gleichermaßen an seine Hörer vermitteln, die diese Informationen aufsaugten wie ein Schwamm. Man bedenke, es gab damals weder Musik-Fernsehen, noch das Internet zum Streamen von Musik oder gar dem stetigen Folgen der Künstler auf Sozialen Medien. Hinzu kommt, dass man sich damals nicht unbedingt immer die neuste Musik auf Schallplatte besorgen konnte, diese waren rar und teuer. Der kostenlose Hörgenuss neuer Musik kombiniert mit Hintergrundinformationen rund um das Musikstück und den dahinterstehenden Act, waren einer der wichtigsten marketing-strategischen Errungenschaften der Musikbranche. Musiksendungen waren also keine flüssige Abfolge von Musik, sondern eine Aneinanderreihung einzelner Titel, die durch die Ansagen des DJs unterbrochen wurden.
Parallel dazu entwickelten sich die ersten Discos, welche ihren Anfang schon zur Kriegszeit hatten, als Live-Musik in den Clubs durch Musik „aus der Konserve“, also vom Tonträger, ersetzt wurde. Selbstverständlich wurden auch hier DJs gebraucht - also Personen,