The Complete DJ Guide. Christian Haase

The Complete DJ Guide - Christian Haase


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Euro pro Auftritt, was einen sehr faden Beigeschmack für alle DJs mit sich bringt, die ihr Handwerk wirklich beherrschen, leider aber nie die Möglichkeit hatten, vor einem größeren Publikum zu spielen. Diese Pre-Recordings sind insofern wichtig für die großen DJ-Stars, weil auch die Licht- und Pyrotechnik darauf abgestimmt wird. So bleibt allerdings während dem Auftritt wenig Flexibilität. Nuancen lassen sich lediglich durch Auf- und Abdrehen des Lautstärke- oder Bass-Reglers setzen. Kunst? Eher nicht.

      Anders verhält es sich bei DJs, die in Discos auflegen und ihre Musikauswahl anhand von mitgebrachten Laptops, CD-Taschen oder gar Vinyl-Cases während dem Set live treffen. Hier kann der DJ auf die spontane Stimmung in der Menge reagieren und dementsprechend die passende Musik spielen. Permanente Interaktion mit dem Publikum erleichtert die Aufgabe - in der Szene als „Crowd Control“ bekannt. Crowd Control geht weit über Moderation hinaus und bedeutet, dass der DJ die Menge insofern im Griff hat und diese kontrolliert, als dass diese all seinen Aufforderungen folgt. Wenn er seine Gäste auffordert, in der Hände zu klatschen oder in die Luft zu springen, kommt man seiner Aufforderung nach - was im Idealfall den Spaßfaktor für die Besucher um einiges erhöht. Es gibt DJs, die diese Methode während ihrer Auftritte systematisch nutzen, um für kochende Stimmung zu sorgen. Sie wissen genau, was sie ins Mikro sagen müssen, und scheuen sich nicht, dieses in die Hand zu nehmen. Dabei sollte die Bewegungsaufforderung zur Musik passen und auch hier gilt es, Gespür zu beweisen und es mit Ansagen nicht zu übertreiben. Manchmal spricht eben auch die Musik gänzlich für sich und ein Gequatsche und ein permanentes Anfeuern per Ansage kann auch schnell gekünstelt oder langweilige werden, im schlimmsten Fall auch richtig nerven.

      Moderation gehört ebenfalls dazu, denn besonders bei privaten Anlässen erwartet der Gastgeber von seinem DJ, dass dieser auch in der Lage ist, durch den Abend zu moderieren. Auf Hochzeiten oder Geburtstagen bspw. finden oft Widmungen statt, bei denen der DJ die Aufgabe hat, diese durchzugeben und dann auch anzuspielen. Namen sollte man sich also durchaus merken können. Bei großen Events legen Veranstalter oft vertraglich fest, was während dem Set vom DJ erwähnt werden soll - beispielsweise, dass er das Motto des Festivals mindestens ein oder zwei Mal betont. Viele DJs sind es zudem gewohnt, sich zu Beginn ihres Sets selbst kurz vorzustellen, womit sie ihr eigenes Set in einem Satz anmoderieren. Sehr unschön wird es nur, wenn Produkthersteller sich eine vertragliche Kooperation sichern, und somit Einfluss auf die Moderation nehmen, indem sie festlegen, dass mehrmals ihr Produktname genannt wird.

      Allgemein gehören Crowd Control und Moderation bei großen Events jedoch eher der EDM-Szene an, denn Musikrichtungen wie Trance oder Tech-House kommen ganz ohne Ansagen aus. Auch Techno-DJs moderieren nie, hier gilt es sogar als ein Unding, das Mikrofon in die Hand zu nehmen. Eine Ausnahme gibt es hier mit Carl Cox, dessen Mikrofonrufe von „Oh yes, oh yes“ Kultstatus gewonnen haben.

      1.4 Der DJ im Wandel der Zeit

      DJ zu sein ist ein äußerst anspruchsvoller und begehrter Beruf - es gibt tausende von Musikfans, die gerne DJ wären oder sich gerade darin ausprobieren, um es ganz nach oben zu schaffen. Aufgrund der großen Konkurrenz und des veränderten Berufsbilds ist das jedoch nicht gerade ein Zuckerschlecken. Da heutzutage jeder dank digitaler Unterstützung Musik produzieren und auch auflegen kann - die Technik macht es möglich und ist bei weitem nicht mehr so teuer, wie noch vor ein paar Jahren - ist der Wettbewerbsdruck riesig - es kommt nicht mehr darauf an, fließende Übergänge zu beherrschen, sondern geht es vielmehr darum, sich am Markt abzuheben und aufzufallen, um erfolgreich zu werden.

      Doch der Reihe nach. Jeder wird sich sicher an seine Kindheitstage erinnern können, an denen er auf langen Autofahrten immer den Lieblingsradiosender seiner Eltern hören musste. Dort liegen die Ursprünge des DJ-Berufs, denn mit dem Radio fing alles an. Früher, also in den 50er und 60er Jahren, glichen die Radio-Discjockeys eher Moderatoren, welche die Lieder ankündigen und den Zuhörern schmackhaft machen sollten. Umso wortgewandter und interessanter sie das taten, desto beliebter waren ihre Sendungen. Selbstverständlich stand die Auswahl von ihnen bzw. der Musikredaktion des Senders auch an vorderster Stelle, doch schien die Zusammenstellung nicht das alleinige K.O.-Kriterium zu sein. Musik wurde vom ältesten Tonträger der Welt abgespielt: der Schallplatte. Lange Zeit gab es nur Schallplattenspieler, sodass sich die Kunst des DJings darauf beschränkte, die richtigen Platten herauszusuchen und aufzulegen.

      Der Begriff "auflegen" hat sich bis heute gehalten, obwohl auf modernen Musik-Events niemand mehr Platten auflegt. Ein DJ legt auf - nur mittlerweile eben digital. Durchaus ist es heutzutage sogar wieder in Mode, die gute alte „Platte“ zu verwenden – welche dann auf Events mit dem besonderen Merkmal als „Vinyl-Sets“ ausgeschrieben werden, z.B. DJ-Größen wie die Holländer Armin van Buuren oder DJ Tiesto spielen bei besonderen Anlässen solche Sets. Nach wie vor gibt es aber auch Verfechter der alten Schule, die auch ganz offen sagen, dass sie niemals dem digitalen Trend folgen, sondern immer analog auflegen werden. Sven Väth oder Ricardo Villalobos sind zwei Garanten dafür, dass man eine wirklich gute Party ebenso mit physischen Datenträgern bestreiten kann. Gründe für den digitalen Wandel gibt es dennoch genügend, deren Vorteile für sich sprechen: Eine Plattentasche mit 80 Vinyl wiegt ordentlich ein paar Kilo, welche das Reisen durchaus erschweren können, auf einen USB-Stick passen tausende Musikstücke und er selbst in jede Hosentasche. Zudem bekommt man heutzutage viele Titel gar nicht mehr auf Vinyl, weil sie direkt und nur noch digital vertrieben werden.

      Doch zurück zu den Anfängen: Als die ersten DJs die Clubs unsicher machten, galt es, das Publikum durch gute und möglichst lückenlose Musik zu unterhalten. Durch das Abspielen von der Platte ergaben sich für DJs einige Möglichkeiten, mit dem Ton zu experimentieren. Sie konnten per Fingerbewegung zu einer beliebigen Stelle im Lied „zurückspulen“, oder aber auch eigene Töne erzeugen, wie z. B. das im Hip Hop der damaligen Zeit sehr verbreitete „Scratchen“ (schnelles Hin- und Herbewegen der Platte mit dem Finger, um einen kratzenden Ton zu erzeugen). Schon zu der Zeit war es die Aufgabe des DJs, Musik interessant zu machen. Daraus entstand eine eigene Kunstform (Turntablism) und bereits seit mehreren Jahrzehnten gibt es ganze DJ-Weltmeisterschaften, bei denen DJs ihre Skills an den Decks beweisen dürfen.

      Mit zunehmender Entwicklung eigener Techniken und Entstehung einer blühenden Club- und Disco-Szene der 70er und 80er Jahre gewann der DJ an Bedeutung - sein Image wandelte sich vom simplen Nachtarbeiter zum gefeierten und vor allem unverzichtbaren Künstler, der die Verantwortung für die gute Stimmung in den Clubs und beim Publikum hatte. Auch die Musikindustrie wurde aufmerksam auf die Männer, die sich hauptberuflich mit Musik beschäftigten und bald schon begannen, eigene Titel zu produzieren. Zum ersten Mal kam es zu Verträgen mit Labels und Kooperationen mit Event-Agenturen.

      Bis dato war das Berufsbild DJ hauptsächlich ein Männerberuf und die Szene von Männern dominiert - es gab vereinzelt auch weibliche DJs, diese waren allerdings wenig bekannt und nicht halb so oft gefragt wie ihre männlichen Kollegen. Erst Ende der 80er und in den 90er Jahren gab es Frauen, die sich in der Branche durchsetzen konnten, Auftritte bekamen und ebenso erfolgreich Musik produzierten (z. B. Marusha aus der Techno-Szene). Um den Bemühungen des weiblichen Geschlechts gerecht zu werden, wurde der Begriff „DJ“ angeglichen - das Wort „DJane“ legt mit seiner frühen Entstehung nahe, dass die Club-Kultur schon immer losgelöst von sexistischen Strukturen war. In den letzten Jahren ist das Thema Gleichberechtigung durch die #MeeToo-Debatte stark in den Medien präsent gewesen. Dies hat weniger etwas mit Feminismus zu tun, sondern ist in der Tat eine längst überfällige Entwicklung in unserer Gesellschaft. Die Club- und DJ-Kultur integrierte Frauen schon seit Jahrzehnten zunehmend und ganz aktuell gibt es einen enormen Trend, junge weibliche DJanes so zu pushen, dass sie zu internationalen Superstars werden. Dies ist allerdings ein sehr zweischneidiges Schwert, denn man darf hier nicht vergessen, dass Booker, Agenturen, Labels und Veranstalter sich dem Motto „Sex sells“ ganz bewusst annehmen, was für wirtschaftliche Belange für diese Parteien sicher eine tolle Idee ist, allerdings im direkten Klinsch mit der #MeToo-Debatte steht. Eine kritische Betrachtung dieses Phänomens sollte also auf alle Fälle angestrebt werden.

      Die Entwicklung der Technik machte auch nicht Halt und bot DJs viel mehr Möglichkeiten als früher. Der DJ musste nicht mehr mit Platten im Gepäck zu seinen Gigs anreisen, sondern konnte


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