Wer keine Falten hat, hat nie gelacht. Renate Georgy

Wer keine Falten hat, hat nie gelacht - Renate Georgy


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Ist dieser Punkt bereits erreicht? Ich glaube nicht.

      Wenn wir Hollywood-Filme als Abbild gesellschaftlicher Machtverhältnisse in der westlichen Welt nehmen, sieht es noch ziemlich düster aus. Es gibt wesentlich mehr männliche als weibliche Hauptrollen. Während ältere Männer als interessant und leistungsfähig dargestellt werden, ist das bei älteren Frauen deutlich seltener der Fall.

      Immer wieder werden Schauspielerinnen als Mütter älterer Mimen besetzt, obwohl ihr Altersunterschied nur wenige Jahre beträgt. Frauen um die siebzig oder gar achtzig werden auf diese Weise raffiniert aus dem Bewusstsein ausgeblendet.

      Eine Liebesgeschichte zwischen einem Siebzigjährigen und einer Dreißigjährigen wird als selbstverständlich dargestellt, während beim umgekehrten Fall, sollte es dieser überhaupt auf die Leinwand schaffen, das tragische Ende vorherzusehen ist. So wird auf subtile Weise das Älterwerden von Männern auf-, das von Frauen dagegen abgewertet.

      Ein anderes Thema: Wie unterscheidet sich die Gesundheit älterer Frauen von der älterer Männer? Am interessantesten finde ich das sogenannte Geschlechterparadoxon: Frauen haben die höhere Lebenserwartung und zugleich die höhere gesundheitliche Beeinträchtigung. Und es gibt noch weitere paradoxe Tatsachen: Frauen erkranken doppelt bis dreimal so häufig an Depressionen wie Männer, begehen aber deutlich seltener Suizid. Im Jahr 2015 töteten in Deutschland laut Statistischem Bundesamt 1065 Frauen und 2715 Männer sich selbst.

      Wie lässt sich das erklären?

      Bisher nicht wirklich. Möglicherweise hängt die Tatsache, dass Frauen öfter als depressiv diagnostiziert werden, schlicht und einfach damit zusammen, dass sie schon mit beginnenden emotionalen Problemen zu Ärzt*innen gehen und eher bereit sind, über ihre Beschwerden zu sprechen. Betrachtet man nämlich nur die Fälle, in denen eine schwere Depression diagnostiziert wurde, gleichen sich die Zahlen von Frauen und Männern an. Die Bereitschaft von Männern, Therapie in Anspruch zu nehmen, scheint also geringer zu sein.

      Die höhere Suizidrate bei Männern mag auch damit zusammenhängen, dass sie bei der Selbsttötung effektiver vorgehen. Fast könnte man sagen, dass ihnen ihr Erfolgsstreben zum Verhängnis wird; denn obwohl Suizidversuche bei Frauen häufiger sind, sterben sie seltener dabei.

      Trotzdem rütteln solche Zahlen an unseren Klischees. Auf den Punkt gebracht: Wenn es so schrecklich ist, eine ältere Frau zu sein, im Vergleich dazu, ein älterer Mann zu sein: Warum beenden dann so viel mehr Männer als Frauen im fortgeschrittenen Alter ihr Leben? Denn bei Männern ab fünfundsechzig Jahren steigt die Zahl der Selbsttötungen noch einmal deutlich an. Auf eine Frau, die sich das Leben nimmt, kommen dann fünf Männer.

      Vielleicht ist das alles aber gar kein Widerspruch: Um richtig alt zu werden, muss man gut mit sich in Kontakt sein, muss spüren, was einem guttut und was nicht, was man braucht und was man meiden sollte. Nur so lassen sich die richtigen Entscheidungen treffen, und nur so lässt sich ein gutes, stimmiges Leben einrichten.

      Das Risiko sensibler Menschen besteht darin, zu leiden, wenn es (noch) nicht gelingt, die eigenen Bedürfnisse zu verwirklichen.

      Spürt man jedoch gar nicht, was man braucht, und verfährt nach der Devise »Augen zu und durch«, wirkt man zwar auf den ersten, oberflächlichen Blick stark und unangreifbar, doch das dicke Ende kommt später. Ebenso verhält es sich, wenn man nie über die eigenen Probleme spricht und sich gegebenenfalls Hilfe dabei sucht.

      Das könnte das Dilemma der Männer und ganz besonders der älteren und alten unter ihnen sein. Sie merken nicht, wenn in ihrem Leben etwas schiefläuft, oder sie setzen sich darüber hinweg. Sie klagen nicht, sondern fallen einfach tot um.

      Das sollten wir uns nicht zum Vorbild nehmen.

       Wechseljahre

      Die entscheidende Information erhielt ich vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren (also gerade rechtzeitig, bevor das Thema für mich akut werden konnte): Japanische Frauen leiden nicht unter den Wechseljahren, hieß es. Sie hätten lange Zeit nicht einmal ein Wort für Hitzewallungen gehabt.

      Was sagt das der klugen Frau?

      Offensichtlich ist die bei uns so gefürchtete und viel diskutierte Wechseljahres-Hölle keineswegs eine biologische Notwendigkeit, sondern kulturell bedingt, um nicht zu sagen konstruiert, wie so vieles andere auch.

      Oder könnte es sein, dass die Japanerinnen schlicht zu dezent und diszipliniert sind, um sich über Malaisen wie Schlafstörungen, Gewichtszunahme und abnehmende Leistungsfähigkeit zu beschweren? Vielleicht spielt auch der lebenslange Verzehr von Sojaprodukten und Fisch eine Rolle.

      Doch das allein können nicht die Antworten sein. Denn es gibt noch andere Kulturen, in denen Frauen nicht oder kaum unter Wechseljahresbeschwerden leiden. Nicht zufällig sind dies Gesellschaften, in denen die Erfahrung und Weisheit älterer Frauen geschätzt wird. In einigen dieser Kulturen haben ältere Frauen zudem mehr Rechte als ihre jungen Geschlechtsgenossinnen. Für sie ein Grund mehr, das Älterwerden zu lieben.

      In der westlichen Welt dagegen sehen Frauen die Menopause nicht selten als Verlust ihrer Weiblichkeit, also sowohl ihrer Fruchtbarkeit als auch ihrer (sexuellen) Attraktivität. Sie wissen, dass sie nun von vielen ihrer Mitmenschen Jahr für Jahr als wertloser angesehen werden. Kein Wunder, wenn sich eine daraufhin nachts schlaflos von rechts nach links und wieder zurückdreht und buchstäblich explodieren könnte.

      Interessant finde ich auch, was ich über türkische Frauen las: Diese empfinden ihre Monatsblutung als Reinigungsprozess, also als etwas höchst Willkommenes. Je stärker die Blutung ist, desto besser. Versiegt die Blutung endgültig, fehlt es bei dieser Sichtweise an dem Mechanismus des Ausschwemmens von allem Unreinen. Auch hier wundert es nicht, dass die Einstellung dieser Frauen zur Menopause negativ und der Verlust des Wohlbefindens oftmals groß ist.

      Ich erinnere mich noch gut, wie das bei mir war. Ich hatte zweimal Grund zur Freude: Zuerst, als ich (mit ungefähr zwölf Jahren) meine erste Blutung bekam. Denn das hieß nichts anderes, als endlich erwachsen zu sein und in den illustren Kreis echter Frauen aufgenommen zu werden.

      Später (mit ungefähr zweiundfünfzig Jahren) freute ich mich, endlich der monatlichen Unannehmlichkeit enthoben zu sein, Tampons zu benutzen und darauf zu achten, dass nichts durchblutete. Außerdem gefiel mir die Aussicht, ohne Kondome Sex zu haben.

      Hitze verspürte ich hin und wieder. Doch da ich bis dahin immer leicht fröstelte, hatte sogar das sein Gutes. Schlafstörungen waren bei mir auch in diesen Jahren eine Seltenheit und traten eher dann auf, wenn ich mich als Anwältin für einen am nächsten Tag anstehenden Gerichtstermin nicht perfekt gewappnet fühlte.

      Gewichtszunahme? Ja, auch das kenne ich. Während mir jahrzehntelang immer wieder Menschen ungefragt mitgeteilt hatten, ich sei ihnen zu dünn, begann ich nun mit etwa Mitte vierzig ein wenig »zuzulegen«. Mir lag nichts ferner, als mich nun doch noch vom Diätwahn erfassen zu lassen. Also mampfte ich meine Mortadella und meine Paprikachips weiter, bis meine Waage eines Tages 71 Kilo anzeigte. Da begriff ich, dass ich auch anders als schlank sein konnte. Es ging nicht um das Überschreiten einer magischen Grenze mit dem Warnhinweis »70 Kilo«, die es zu beachten galt. Nein, ich sah eine lange Straße vor mir, an deren Rändern hier und da diese Kilometersteine lagen: 73 Kilo, 77 Kilo, 81 Kilo. Bisher konnte ich mir nicht vorstellen, diese Wegmarken je zu erreichen. Doch auf einmal schien das nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Und hieß es nicht, ältere Frauen könnten einfach nicht mehr so schlank sein wie in jungen Jahren? War das also eine zwangsläufige Entwicklung?

      In den nächsten Monaten bewies ich mir das Gegenteil. Ich hörte auf, so viel fetthaltige Wurst wie früher zu vertilgen, machte einen großen Bogen um das Regal mit den leckeren Chips und den verführerischen Erdnusslocken, und siehe da, bald wog ich wieder 66 und dann sogar 64 Kilo und fühle mich bis heute damit superwohl.

      Ich will kein Dogma mit dem Thema verbinden im Sinne von: Die bewusste Frau wuppt ihre Wechseljahre mit links und spürt keinerlei Beschwerden. Vielleicht sind es ja wirklich die Gene, die darüber entscheiden,


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