Gesammelte Werke. Ricarda Huch

Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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der Hauptsache ein Krieg zwischen zwei Heeren, der nach kurzem Kampf der einen Partei das Übergewicht verschaffte und schließlich zu einem Ausgleich führte; in den Niederlanden kämpfte das ganze Volk, ging es um Leben und Tod. In den Niederlanden standen Haß gegen Haß, Glut gegen Glut nackt, ohne Mittel, die äußersten Spitzen des alten und des neuen Glaubens, Calvinismus und spanischer Katholizismus Auge in Auge gegeneinander ohne Möglichkeit der Versöhnung. Beide Parteien faßten vorübergehend den verzweifelten Plan, das Land, um das gekämpft wurde, durch Feuer oder Wasser zu verderben, damit es der anderen nicht zur Beute fiele. Dieser mörderische Charakter des Gegensatzes kam daher, daß er durch den nationalen verschärft wurde. Auf Seiten der katholischen Niederländer war er nicht weniger heftig als auf seiten der reformierten. Im ganzen Abendlande wurden die Spanier als ein fremdes Element angesehen, man fand sie stolz, grausam und verschlossen. Die Spanier hatten den Ehrbegriff auf die Spitze getrieben, er bildete eigentlich den Kern ihres geistigen Lebens. Auch bei den Germanen, insbesondere bei den Deutschen, war die Ehre ein Maßstab; aber etwas ganz Verschiedenes wurde von den beiden Nationen unter Ehre verstanden. In Spanien hatte sich in langen Kämpfen gegen Mauren und Juden die Reinheit des Blutes und die Reinheit des Glaubens als Ehre herausgebildet. Es war nicht immer so gewesen: die hohe mittelalterliche Kultur Spaniens beruhte auf dem Zusammenwirken christlich-spanischer, maurischer und jüdischer Elemente, noch im 15. Jahrhundert waren bekehrte Juden, die Marranen, gern in die Reihen des hohen Adels aufgenommen worden. Erst als Ferdinand und Isabella einer aus den unteren Volksschichten hervorgehenden nationalistischen Strömung nachgaben, wurden Mauren und Juden vertrieben und wurde jede Vermischung mit ihnen als schändlich betrachtet; was nicht hinderte, daß Papst Paul die Spanier haßerfüllt als eine von Juden und Mauren abstammende Nation bezeichnete. Nach germanischer Anschauung beruhte die Ehre hauptsächlich auf der Freiheit. Der Hörige, der dem Zwang unterworfen war, wurde verachtet. »Ehr is dwang nog«, Ehre ist Zwang genug, stand als Inschrift auf dem Kamin eines Zunfthauses in Münster. Eheliche Verbindungen mit slawischen oder ungarischen Edeln entehrte die adeligen Deutschen nicht, wohl aber die mit einem christlichen, deutschen Bauern. In den Niederlanden hatten sich viele Züge germanischen Wesens reiner erhalten als in Deutschland; Freiheitsliebe, Lebenslust, ein breites, derbes, übermütiges Sichgehenlassen, Selbständigkeit im Glauben. Karl V. hatte man im allgemeinen als geborenen Niederländer geliebt: in seinem Sohne haßte und fürchtete man sofort den Spanier. Philipp nahm es sehr übel, daß man in den Niederlanden die Spanier als Ausländer betrachtete, die Deutschen nicht. Auch den deutschen Individualismus hatten sich die Niederländer bewahrt, obwohl sie als Königreich Burgund und als burgundischer Reichskreis eine Einheit gebildet hatten. Weder die burgundische noch die habsburgische Herrschaft war imstande gewesen, aus den verschiedenen Ländern, die sie als Niederlande zusammengebracht hatten, einen von Beamten des Landesherrn einheitlich regierten Staat zu machen. Noch waren die Provinzen selbständige Länder, die eifersüchtig ihre Privilegien hüteten und ihre Sonderrechte zur Geltung brachten, noch behaupteten gewisse Länder das Recht, den Souverän zu verlassen, wenn er die beschworenen Freiheiten nicht hielte. Die Einheit wurde repräsentiert durch den Statthalter, der in Brüssel residierte, ein Amt, das unter Karl V. seine Schwester Maria, unter Philipp II. Karls natürliche Tochter Margarethe innehatte; sie war in zweiter Ehe mit einem Prinzen von Parma verheiratet. Dem Statthalter standen die Staatsräte, Gouverneure der Provinzen, zur Seite, die aber nur eine beratende Stimme hatten, ferner ein Finanzrat und ein Gerichtsrat, die verwaltende Tätigkeit ausübten.

      Das Schicksal wollte es, daß in diesem Kampfe das Licht fast ganz auf die Seite der Reformation, der Schatten auf die des spanischen Katholizismus fällt: ein historischer Augenblick sollte den Freiheitsgedanken, den Luther ausgesprochen und den die Entwicklung so vielfach entstellt hatte, ewig ruhmreich verwirklichen. In den Figuren Philipps II. und Albas auf der einen, Wilhelms von Oranien auf der anderen Seite hat die Geschichte Vorbilder des Despotismus und der Freiheit aufgestellt, die den, der ihre Taten nacherlebt, zur Bewunderung oder zum Abscheu hinreißt, trotzdem auch hier dem Häßlichen Größe und dem Hohen das Niedrige beigemischt ist.

      Auch Philipp II. hatte bei seinem Regierungsantritt die Privilegien der Provinzen beschworen; aber er hatte nichtsdestoweniger die Absicht, die Niederlande zu einer spanischen Provinz zu machen. Das wurde offenbar, als er eine neue Kirchenorganisation in den Niederlanden einrichtete, wonach es künftig an Stelle von vier Bistümern, die es bisher gab, dreizehn geben sollte und dazu drei Erzbistümer, deren überhaupt noch keine vorhanden waren, da die Niederlande in dieser Hinsicht von Reims und Köln abhingen. Der Zweck dieser Neuorganisation war erstens die Loslösung der Niederlande in kirchlicher Hinsicht von Frankreich und Deutschland, zweitens die Möglichkeit einer genaueren Überwachung des kirchlichen Lebens und gründlicheren Ausrottung der Ketzer; denn die Bischöfe standen zugleich an der Spitze der Inquisition. Unwillen erregte es auch, daß der König spanische Truppen im Lande ließ, was mit den Privilegien nicht vereinbar war. Er versuchte diese Maßregel dadurch populär zu machen, daß er Oranien und Egmont das Kommando über die Truppen anbot; diese aber entzogen sich der Schlinge und lehnten ab. Philipp mußte nachgeben: zum Jubel der Bevölkerung verließen die spanischen Soldaten das Land. Die Statthalter waren große Herren, sehr selbständig und selbstbewußt, vor allen Wilhelm von Nassau und Egmont. Wilhelm von Nassau, der Sohn Wilhelms des Reichen von Nassau-Dillenburg und der Juliane von Stolberg-Wernigerode, war in seiner Person das Abbild des universalen, locker gefügten, viele Gegensätze umfassenden Reiches. Von einer verwandten Linie, die mit Renatus, dem Sohne jenes Heinrich von Nassau, dessen treue Bemühungen dazu beigetragen hatten, daß Karl V. die Kaiserkrone erhielt, ausstarb, erbte er das Fürstentum Orange in Frankreich und die reichen niederländischen Besitzungen der Familie. Von seinen Eltern, gläubigen Lutheranern, fromm erzogen, wurde er doch, um das Erbe übernehmen zu können, an den Hof der Statthalterin Maria in Brüssel geschickt, um dort im katholischen Glauben vollends ausgebildet zu werden. Die in der Familie herkömmliche Anhänglichkeit an den Kaiser war besonders lebhaft in ihm, und wie er Karl verehrte, so vertraute ihm und schützte ihn Karl; als er seine Titel niederlegte, bestimmte er ihn zum Statthalter der Provinzen Utrecht, Holland und Seeland. Statthalter von Flandern und Artois war Lamoral Graf Egmont, der seine Abkunft auf die Friesenherzöge des 8. Jahrhunderts, Radbold und Aldgild, zurückführte. Das Stammschloß Egmont, uralt, liegt im Nordwesten Hollands am Meer. Im Jahre 1545 verheiratete er sich in Speyer mit einer Schwester Friedrichs von der Pfalz, des späteren Kurfürsten, in Gegenwart des Kaisers und seines Bruders Ferdinand, im Jahre darauf wurde er Ritter vom Vlies, später warb er in England um die Hand der Maria für Karls Sohn Philipp. Im Jahre 1559 fügte er zu seiner hohen Abstammung und allen Ehrungen eine Ruhmestat, den Sieg bei St. Quentin, der Frankreich zu einem für Spanien sehr vorteilhaften Frieden nötigte. Er durfte glauben, sich dadurch Anspruch auf verschwenderische und unveränderliche Gunst des Monarchen erworben zu haben. Egmont war Katholik; aber er wußte, daß sein Sekretär, Herr von Beckerzeel, Protestant war, und hatte nichts dagegen. Diese Kavaliere, die katholisch waren oder die katholischen Gebräuche mitmachten, waren aufgewachsen in der Atmosphäre eines Landes, in dem altgermanische Bauernfreiheit, Freiheit des Welthandels und Weltverkehrs, die Duldsamkeit großer bewegter Seestädte heimisch waren, die Inquisition war ihnen zuwider. In seiner letzten Regierungszeit hatte Karl V. die spanische Inquisition in den Niederlanden einführen wollen, um der wachsenden protestantischen Bewegung entgegenzuwirken. Der Schrecken und die Wut des Volkes darüber waren so groß, daß die Statthalterin Maria eigens nach Augsburg reiste, um ihren Bruder zur Zurücknahme dieser Maßnahme zu bewegen, und sie erreichte auch eine Milderung der Gesetze, besonders aber sorgte sie dafür, daß ihre Handhabung nicht allzusehr von der üblichen abwich. In der spanischen Inquisition sah das Volk den Inbegriff ruchloser Gewaltherrschaft. Allerdings wurden bei der in den Niederlanden geltenden gewisse Rechtsformen beobachtet, es bestanden Vorschriften, nach denen man sich richten konnte; die spanische dagegen spürte die Schuldigen auf, ermunterte zur Denunziation und übte ihre schauerliche Tätigkeit im geheimen und ganz willkürlich aus. Als im Jahre 1563 das Konzil von Trient zum Abschlusse kam, verkündete Philipp II. die Beschlüsse desselben in den Niederlanden und verlangte zugleich, daß die Inquisition schärfer als bisher zugreife; Privilegien sollten ihr gegenüber unwirksam sein. Der hohe Adel war durch die Inquisition nicht unmittelbar betroffen; denn der Protestantismus breitete sich überwiegend in den unteren Schichten des Volkes aus, namentlich in Handwerkerkreisen; aber er nahm die Partei des Volkes, teils weil der religiöse Fanatismus seinem Geiste widersprach, teils um jeden Eingriff


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