Im Alten Reich. Ricarda Huch
Gatte der Imagina, Tochter des Grafen Gerlach I., nach dem Tode Rudolfs von Habsburg zum römischen König gewählt wurde. Adolf war weniger Staatsmann als Ritterkönig, untadelig tapfer in der Schlacht, nach Abenteuern dürstend und nach Ruhm. Imagina war, wie es scheint, zur Nonne bestimmt und soll vom Grafen Adolf aus dem Kloster entführt worden sein. Ihr Bruder Johann, später der blinde Herr genannt, kämpfte an Adolfs Seite in der großen Schlacht bei Woringen, wo der Erzbischof von Köln dem Herzog von Brabant unterlag.
Eine Ritterschlacht war auch die von Göllheim, die Adolf von Nassau den Tod und seinem Gegner Albrecht von Habsburg den Sieg und die unbestrittene Krone brachte. Das Heer des Königs zog in die Schlacht mit dem Gesange: »In Gottes Namen fahren wir, Seiner Gnade geren wir«; das des Herzogs sang: »Sant Maria Mutter und Magd, All unsere Not sei dir geklagt.« Die beiden Könige suchten einander im Getümmel, Adolf von Nassau verriet sein weithin glänzender goldener Harnisch. Wie unzweckmäßig die schweren Rüstungen waren, zeigte sich in dieser Schlacht, wo sowohl der Bannerträger des Königs, einer von Isenburg, wie der des Herzogs, einer von Ochsenbein, in ihren Harnischen erstickten. Das Pferd des von Ochsenbein stürmte mit der Leiche des Reiters, der noch fest im Sattel saß und die Sturmfahne in der erstarrten Faust hielt, durch die Reihen der Kämpfenden. Beide Heere führten die gleiche Sturmfahne des Reichs, ein weißes Kreuz auf rotem Grunde.
Wie König Adolf sich vornehm erwiesen hatte, indem er mit Gnadenbeweisen gegen seine Verwandten, die treu zu ihm hielten, sparsam war, so sein Gegner Albrecht, indem er sich ihnen gnädig zeigte. Als er sich mit seiner Frau, Elisabeth, in Nürnberg aufhielt, wo sie gekrönt wurde, erschien dort Imagina, die Witwe des gefallenen Königs. Im Trauergewande kniete sie vor der geschmückten Königin nieder und ersuchte sie, bei ihrem Manne Fürbitte zu tun, damit er ihren bei Göllheim gefangenen Sohn Rupprecht freigebe, eine Bitte, die Albrecht nicht erfüllen konnte, weil der Königssohn dem Erzbischof von Mainz überlassen war. Er starb einige Jahre später in der Gefangenschaft. Imagina und Elisabeth sollten sich nach wenig Jahren noch einmal wiedersehen, als König Heinrich VII. die Leichen seiner beiden Vorgänger in Speier feierlich beisetzen ließ. Die Albrechts kam den Rhein hinunter, die Adolfs war bis dahin im Kloster Rosenthal verwahrt. Sie wurden unter dem Gesange: »Quomodo ceciderunt inclyti« – Was sind doch die Starken! – in die Gruft versenkt, wobei Heinrich VII. selbst Hand angelegt haben soll. Die Anhänger Adolfs fanden Genugtuung in der Tatsache, daß die Gegner ihres Königs eines üblen Todes gestorben wären: Albrecht ermordet, ein anderer sei rasend geworden, ein anderer ertrunken, der Erzbischof von Mainz auf seinem Stuhle sitzend tot aufgefunden, also allein, ohne Menschentrost gestorben.
Stift und Stadt Limburg standen damals, wie der Chronist es ausdrückt, in Ehren und Seligkeit. Mit dem Geschlecht der Isenburg neigte es sich dem Ende zu, obwohl es noch in täuschender Blüte prangte. Gerlach II. war Anhänger Friedrichs des Schönen und befreundet mit dem Erzbischof Baldewin von Trier, einem Bruder Heinrichs VII., von dem der Chronist sagt, daß er ein kleiner Mann sei und doch große Werke tue. Mit Baldewin, mit den Grafen von Nassau und Sayn und mit Giso von Molsberg schloß Gerlach einen Landfrieden, der dem Kaufmann sicheres Geleit verschaffen sollte. Gerlach war ein Dichter, der Klügste nach des Chronisten Meinung, in allen deutschen Landen. Er hätte auch, rühmt derselbe, nicht um hundert Gulden eines armen Mannes Hammel gegessen, ohne ihn bezahlt zu haben. »Er hatte gekoren und auserwählt die Tugend, die da heißt Gerechtigkeit, die für alle Tugenden geht, die war seine Handgetreue und Testamentirer.« Dichter und Heilige sind selten gute Staatsmänner; während Baldewin von Trier durch Fehden und Kriege sich bereicherte und mit dem Reichtum mehr und mehr Lehensleute an sich zog, nahm die Geldnot der Isenburger beständig zu und wurde schließlich so dringend, daß Gerlach sich im Jahre 1344 entschloß, die Hälfte von Limburg dem Erzbischof um 28 000 alte kleine Gulden zu verkaufen. Er verkaufte Limburg mit Zustimmung der Bürgerschaft »mit herrschaften, gerichten, dorfern, luden, juden, gulden, gevellen«. Die Bürger wurden verpflichtet, dem Erzbischof beizustehen gegen alle »ussgenommen ane allein daz römische riche, den stift von Mentze und den Landgraven von Hessen«, die, wie erwähnt, Mitbesitzer zweier Drittel der Stadt waren.
Stadt Limburg, obwohl nicht auf Handel, sondern auf Ackerbau eingestellt, war ein Gemeinwesen voll Kraft und Selbstbewußtsein. Einmal baute Philipp von Isenburg, Glied einer anderen Linie, eine Burg, die der Stadt für ihre Ruhe und Freiheit zu nahe schien, worauf sie sich mit Kuno von Falkenstein, der damals Domherr zu Mainz und Coadjutor von Trier war, verbündete, um die unbequeme Veste zu brechen. Als es zum Sturm kam, verlangte ein Amtmann des Erzbischofs von Trier von den Limburgern, sie sollten vorangehen. Da sagte der Bürgermeister von Limburg, Johann Boppe, sie wären da, um zu stürmen, aber die Gräben sollten nicht mit denen von Limburg allein gefüllt werden; sie wollten mit den Rittern und Knechten zugleich stürmen und würden nicht die Letzten sein. Das machten sie wahr, als man tat, wie sie verlangten.
Aus der verschütteten Geschichte von Limburg ragt der Name Johann Boppe wie ein Turm. Es ereignete sich einmal, daß der Erzbischof von Trier, Kuno von Falkenstein, und Johann II., letzter Graf von Limburg, einen Schöffen der Stadt, der Johann Hartleib hieß und aus Nauheim war, gerichtlich belangen wollten. Offenbar war ihnen viel daran gelegen, sich des Mannes zu bemächtigen, denn sie kamen mit starkem Geleit in die Stadt, darunter der Erzbischof von Köln, die Grafen von Sayn, Reinhold von Westerburg, Dietrich zu Runkel und andere Ritter. Einer von diesen, Herr Dietrich zu Walpod, begann die Verhandlung, indem er die versammelten Schöffen fragte, wofür sie die Herren hielten, und welches nach ihrer Meinung ihre Herrschaft, ihre Freiheit und ihr Recht wäre. Die Schöffen gingen hinaus, berieten sich, kamen wieder herein und antworteten durch den Mund ihres Worthalters, Johann Boppe, der mit Würde und Festigkeit folgendermaßen sprach: »Wir bekennen, daß unser Herr von Trier ist unser gekaufter Herr nach Laut und Anweisung solcher Briefe, die darüber gegeben und gesiegelt sind. Wir bekennen und halten unsern Jungherrn von Limburg für unseren rechten geborenen Herrn, der zu der Herrschaft von seinen Eltern, unseren Herren seligen, geboren ist.« Nachdem er so der gestellten Falle mit seiner Antwort begegnet war, die, nett und rund das Rechtsverhältnis bestimmend, keine Handhabe zum Angriff bot, wurde eine weitere Frage gestellt, auf die nach der üblichen Beratung Johann Boppe den Bescheid gab: die Herren hätten das Gericht über Hals und Haupt, aber sie dürften keinen Bürger von Limburg greifen, wenn die Schöffen nicht zuvor darüber geurteilt hätten. Die nächste Frage war, ob die Herren einen, der zu Limburg Gewalt brauchte, nicht greifen dürften, damit er nicht flüchtig werde, bis die Schöffen sich versammelt hätten. Die Antwort Johann Boppes lautete: Nein, zuvor müßten die Schöffen urteilen. Nun wiederholten die Herren ihre Frage so: wenn man einen verdächtigte, daß er Gewalt begangen hätte, was der den Herren schuldig wäre? Johann Boppe antwortete: »Liebe Herren, wir, die Schöffen zu Limburg, erkennen und sprechen kein Urteil auf Gedanken.« »Und nit mehr sagt«, fügt der Chronist, der den Vorfall berichtet hat, stolz hinzu. Unter den Schöffen waren außer Johann Boppe und jenem bedrohten Johann Hartleib ein Holzhusen, ein Borgenit, ein Knappe, ein Priol, ein Mulich, ein Wiße, ein auf der Schoppen und der alte Johann Sibolt.
Deutlich treten hier die von der späteren Zeit so verschiedenen mittelalterlichen Verhältnisse hervor, die auf erworbenen Rechten und gegenseitigen Verpflichtungen beruhten. Der mächtige Erzbischof von Trier und der angestammte Landesherr von Limburg getrauten sich nicht, einen Limburger Bürger, der offenbar einem der Ihrigen, vielleicht einem Ritter, vielleicht in gerechter Gegenwehr, Gewalt angetan hatte, zu verhaften, um sich an ihm zu rächen, und als die Schöffen es geschickt vermieden hatten, sich durch unbesonnene Äußerungen eine Blöße zu geben, die etwa gerechtfertigten Anlaß zu einem Eingriff gegeben hätte, traten sie sehr verwundert über die Klugheit der Bürger den Rückzug an. Sie sahen sich an, berichtet der Chronist, als wollten sie sagen: »Der Has ist uns entgangen, den wir wähnten han gefangen.« Ebensowenig würden sie damals gewagt haben, eine nicht bewilligte Geldabgabe anders als bittweise zu verlangen.
Sein Hervortreten als worthaltender Schöffe ist das letzte, was von Johann Boppe erzählt wird; vielleicht ist er nicht lange danach gestorben. Er hatte einen Sohn und eine Tochter, die ihrerseits drei Töchter hatte. Als sie Witwe geworden war, verheiratete sie sich wieder mit Heinrich von Staffeln, dessen drei Söhne die drei Töchter seiner zweiten Frau heimführten. Ueber dieser seltenen Familienverbindung stand kein guter Stern, denn alle drei Ehen wurden bis auf die des jüngsten Paares nach kurzer Zeit durch den Tod getrennt. Daraus,