Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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des Elfenbeins berichtete. In Nürnberg allein würden jährlich viele tausend Pfund durch geschickte Kammacher, Drechsler und Bildhauer verarbeitet. Auch das Äfflein, fügte er schmunzelnd hinzu, sei nicht durchaus zu verschmähen, wenigstens behaupteten einige Reisende und Kuriositätensammler, daß sich in seinem Leibe zuweilen ein köstlicher Stein, der Bezoar simiarum oder Affenstein, finde, den die Apotheker teuer verkauften. Wie der Elefant auf ein Zeichen seines Herrn die Knie bog, gleichsam als ob er eine Reverenz vor dem Landgrafen mache, sagte dieser lebhaft, nun sehe man, wie unwahr es sei, was viele behaupteten, daß der Elefant keine Gelenke in den Beinen habe; er hoffe, es werde sich ein Gelehrter in Gießen oder Marburg finden, der etwas Gründliches darüber schreibe, damit nicht Märchen statt Naturwissenschaft verbreitet würden. Gleichzeitig winkte er mehreren jungen Leuten von Adel, die auf dem Schloßhofe spielten, und fragte, als sie mißtrauisch näher kamen, den einen von ihnen, ob er wisse, wie dies Tier heiße und woher es komme. Der Junge schüttelte verdrossen den Kopf, und auch die übrigen, die hinter ihm standen, schwiegen. Ob er wisse, wodurch sich der Mensch vom Tier unterscheide? Ob er wisse, zu welchem Zweck man die Natur und ihre Eigenschaffen studiere? Ob er wisse, wozu man überhaupt etwas lerne? fragte der Landgraf schnell hintereinander, wobei er spöttisch lachte, so daß seine langen, gelben, etwas schief stehenden Zähne sichtbar wurden. Anstatt aller Antwort warf der junge Mensch einen feindselig tückischen Blick auf Moritz, der eben den Führer durch Zeichen aufforderte, er möchte den Elefanten knien lassen, damit sie aufsitzen könnten. Ober er nicht Lust hätte, einen Ritt zu tun? fragte er dann den Jungen; er wisse ja gut mit Pferden umzugehen, so solle er wenigstens diese einzige Kunst, deren er mächtig sei, zeigen. Dieser erschrak und machte Miene davonzulaufen, als plötzlich der Affe mit seinem angefressenen Apfel nach ihm zielte und ihn gerade auf die Backe traf. Während der Landgraf und der Hofmeister in helles Gelächter ausbrachen, heulte der Getroffene, das sei der Teufel, der Teufel habe ihm den Hals umgedreht, er wolle es seinem Vater sagen, er sei verloren, und mehr dergleichen. Wieder ernst werdend, gebot ihm der Landgraf Schweigen und hielt eine Ansprache über die Unwissenheit und ihre Folgen, Aberglauben und Furchtsamkeit und daß gerade der adelige Stand, der über die anderen zu herrschen sich anmaße, diesen Vorzug durch Bildung zu verdienen suchen müsse. Es sei jetzt meistens so, daß ein gemeiner Bürgerknabe die Söhne der Adligen belehren könne, das müsse anders werden, angeborene Würde tauge nur, wenn sie durch Tugend und Wissen besiegelt werde.

      Nachdem er geendet hatte, wandte er sich wieder an seine Kinder und forderte sie auf, den Elefantenführer aus ihrem Taschengeld zu beschenken, tadelte den Erstgeborenen, Otto, der das seinige bereits für seidene Strümpfe ausgegeben hatte, und umarmte die zarte Elisabeth, die reichlich geben konnte. Der Mann wurde samt seinen Tieren aus der fürstlichen Küche gut bewirtet und dem Gesinde gestattet, die Fremdlinge in Augenschein zu nehmen.

      Am nächsten Sonntag zeigte es sich, daß eine größere Abneigung gegen die reformierte Ordnung bestand, als der Landgraf gemeint hatte; denn während er auf einer kleinen Reise abwesend war, brach in der Hofkirche beim Gottesdienst ein Tumult aus, dem beinahe die amtierenden Geistlichen zum Opfer gefallen wären. Dies war für Moritz um so peinlicher, als er es grundsätzlich mißbilligte, in Angelegenheiten des Glaubens die Untertanen zu zwingen, und doch im Dienste der Wahrheit und Ordnung vorwärtskommen wollte. Vorzüglich erbitterte ihn der allgemeine Widerstand der Ritterschaft, von der er am ehesten erwartet hatte, sie würde ohne Weiterungen seinem Beispiel folgen als die dem Throne am nächsten Stehenden und ihm am meisten Verpflichteten.

      Indessen entmutigten ihn solche Erfahrungen nicht, sondern regten ihn an, seine Tätigkeit zu verdoppeln. Stets sah man den unermüdlichen Mann beschäftigt: in der von ihm gegründeten Ritterschule, wo er die Aufsätze der Schüler verbesserte und besprach, im Gespräch oder Briefwechsel mit Gelehrten aller Art, auf der Reise in den verschiedenen Teilen seines Landes oder an den Höfen glaubensverwandter Fürsten, um sie zur Wachsamkeit anzuspornen. Die Aufmerksamkeit auf das nahe Jülich gerichtet, mahnte er die Ansprecher, welche hauptsächlich in Betracht kamen, sich über das schöne Erbe nicht zu verfeinden, sondern sich zu gemeinsamer Besitzergreifung zu verbinden, damit nicht ein Dritter zum Schaden des evangelischen Glaubens es an sich reiße. Einstweilen verpflichteten er und Kurpfalz sich, Brandenburgs gerechten Anspruch zu unterstützen; schwieriger war es, mit dem alten Herzog von Pfalz-Neuburg ins reine zu kommen.

      In dem stattlichen Schlosse zu Neuburg an der Donau waltete dieser lutherische Fürst ehrbar und bedächtig, den Welthändeln im ganzen abgeneigt und der reichen Erbschaft, die ihm durch seine Jülich-Clevesche Gemahlin zufallen sollte, mit ebensoviel Mißtrauen wie Begehrlichkeit entgegensehend. Da sein Ländchen ihm nur eine geringe Summe an jährlichen Einkünften abwarf, hätte er die rheinischen Lande mit ihren gewerbfleißigen Städten gut gebrauchen können; doch beängstigten ihn die Verwicklungen, die der Besitzergreifung vermutlich vorausgehen mußten und die auszufechten seine Macht allein nicht ausreichte. Von seinen drei Söhnen war der älteste ihm am meisten ungleich, ein hübscher junger Mann, der den Frauen gefiel, sowohl durch seine Beredsamkeit wie durch das verhaltene Selbstbewußtsein, das seine Erscheinung königlich umgab. Dessen Meinung war, daß man guttue, sich beizeiten nach wirksamer Hilfe in bezug auf Jülich umzusehen und sich deshalb mit Brandenburg und Kurpfalz in Verhandlungen einzulassen, während Herzog Philipp, sein Vater, mit den Reformierten nichts zu tun haben wollte. Er nannte sie Abtrünnige, deren Selbstüberhebung und Unabhängigkeitsgelüste etwas Teuflisches wären und die man ebenso bekämpfen müsse wie den Greuel des Papismus.

      Sein Vater habe zwar recht, sagte dagegen Wolfgang Wilhelm, doch müsse man die Politik vom Kirchlichen abtrennen. Sei Jülich erst einmal in seinen Händen, werde er natürlich das Luthertum dort einführen. Was schade es, wenn Reformierte zu diesem Zweck beitrügen? Heftig und entschieden auf seinem Willen zu bestehen, war indessen seine Art nicht, nur gelegentlich ließ er Eltern und Brüder etwas von seinen Wünschen und Plänen merken. Die Brüder waren zu bescheidener Unterordnung unter den ältesten erzogen; doch ertappte sich der zweite, August, zuweilen auf einem Gefühl des Mißtrauens, ja der Abneigung gegen ihn, das er im Bewußtsein seiner Sündigkeit zu bekämpfen suchte. Johann Friedrich dagegen, der viel jünger war, sah in Wolfgang Wilhelm die Verkörperung des Edeln, der Schönheit und Liebe, und er dachte nicht ohne seliges Beben an den Augenblick, wo es ihm gelungen war, seine wohlgeformte weiße Hand zu küssen, als sie sich gerade schön gebogen auf einer karminroten Damastdecke ausbreitete.

      Meistens beschäftigten sich Wolfgang Wilhelms Träume mit seinem künftigen Reich am Rheine; denn Neuburg hielt er für etwas Ungenügendes und Vorläufiges. Es wurmte ihn, daß er die Erbschaft mit Brandenburg teilen sollte, und da es ihm schwer möglich schien, den mächtigeren Fürsten ganz zu verdrängen, malte er sich aus, wie er sich durch Heirat mit einer brandenburgischen Prinzessin zum Herrn des Ganzen machen könne. Um seinen Vater mit der Heirat auszusöhnen, würde er sie zu seinem Glauben bekehren, was er sowieso für notwendig zum ehelichen Glücke hielt. Er beschloß, sich ihr Bild zu verschaffen, und suchte eine Gelegenheit, sie zu sehen; denn ohne Liebe wollte er nun einmal keine Ehe eingehen. Für alle Fälle schien es ihm gut, sich auch andere Fürsten warm zu halten, und da kam unter den Verwandten der Herzog Maximilian von Bayern in Betracht als derjenige, dessen Freundschaft am meisten nützen, wie seine Feindschaft am meisten schaden konnte. Dieser Einsicht verschloß sich Herzog Philipp Ludwig nicht; doch schien ihm in dem Verkehr seines Sohnes mit dem erzkatholischen Vetter etwas Hochbedenkliches zu liegen. Er hatte darüber mit seinem Vertrauten, dem Hofprediger Heilbrunner, eine lange Unterredung, in der er sagte, sie hätten nun gottlob in seinem Lande den Irrglauben vollständig ausgerottet, die Saat des Lutherischen Wortes sei herrlich aufgegangen, so daß Gottesfurcht und gute Sitte bei den Untertanen herrsche, soweit es die menschliche Schwachheit zulasse. Ob er nicht ein gefährliches Beispiel gebe, wenn er seinem ältesten Sohn erlaube, sich da, wo des Teufels Unkraut am üppigsten wuchere, vertraulich umzutreiben, das Gift, das die alte Hure von sich gebe, einzuatmen, wohl gar abergläubischen und gottesschänderischen Gebräuchen scheinbar beifällig beizuwohnen? Ob er das vor seinem Gott verantworten dürfe?

      Das sei alles nur zu wahr, antwortete sorgenvoll der Prediger; doch müsse der Herzog auch bedenken, zu welcher Glaubensfestigkeit sein Sohn erzogen sei und wie man nicht zu fürchten brauche, daß der Antichrist etwas über ihn gewinne, wie er vielmehr auf die Verstocktheit der Glaubensfeinde wirken könne, und daß der Mensch den feingesponnenen Plänen des Herrn


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